Zukunft

Feldarbeit bei Sonnenuntergang

Landwirtschaft hat Zukunft

In den letzten 75 Jahren haben der rasanteste Wandel in der Landwirtschaft und die größte technische Revolution in der Menschheitsgeschichte stattgefunden. Die nächsten Jahre werden von mindestens genauso tiefgreifenden Änderungen geprägt sein. Klimawandel, Digitalisierung und globale Vernetzung verändern Wirtschaft und Gesellschaft grundlegend. Das macht auch vor Höfen nicht Halt und erfordert wiederum neue Wege und Lösungen. Entscheidend ist, dass wir weiterhin neugierig und offen auf das blicken, was um uns herum passiert, uns auf unsere Fähigkeiten und Stärken besinnen – und uns fragen: Was bedeutet das für uns, unsere Familie und den Betrieb?

Gemeinsam blicken wir auf wichtige Zukunftstehmen und wollen hierzu Debatten und Gespräche auch zu kritischen Punkten anstoßen und Orientierung geben. Lesen Sie jetzt mehr zu:

Digitalisierung:
Flexibel sein und zukunftsfähig

Digitale Technik erleichtert die Arbeit in der Landwirtschaft, fordert jedoch auch ein Umdenken. Gerade im klassischen Familienbetrieb bietet die Technologie Chancen, vor allem durch die neu gewonnene Flexibilität.

Text: Klaus Mergel
© LfL

Man soll aufhören, wenn’s am schönsten ist. Das hat auch Andreas Magg lernen müssen. Etwa, wenn er auf der Allgäuer Festwoche in Kempten feiert. Da kann es passieren, dass sein Handy läutet und ihm eine Computerstimme mitteilt: „Drei Melkversuche in Folge abgebrochen.“ Dann fährt der Landwirt nach Hause und schaut nach. Nicht jeder Freund versteht das: „Du hast einen Melkroboter, du musst doch nix mehr arbeiten.“ Auch in der Landwirtschaft 4.0 ist der Bauer im Stall gefragt. „Ich kann mir meine Zeit einteilen“, sagt Magg. Seit 2006 führt der 37-Jährige den elterlichen Hof im Sontheimer Weiler Bergbauer. 2012 beschließt er beim Stall-Neubau: Da kommt ein Melkroboter rein.Heute helfen ihm neben dem Lely-Melkroboter ein Futteranschieberoboter von Lely, genannt „Juno“, und ein Discovery-Spaltenroboter, Spitzname „Alfons“. Gesamtinvestition: 600.000 Euro, davon 200.000 Euro in Automatisierung. Für Magg ist Knochenarbeit passé: „Körperlich mach ich praktisch nix.“

Damit liegt er im Trend. „Wenn heute ein neuer Laufstall gebaut wird, ist bei 60 bis 70 Prozent ein Melkroboter vorgesehen“, sagt Dr. Markus Gandorfer von der Bayerischen Landesanstalt für Landwirtschaft (LfL). „Nach unseren Umfragen werden heute meist Innovationen zur Arbeitsentlastung gewählt.“ Gandorfer forscht in der Projektgruppe „Digital Farming Group“ am Institut für Landtechnik und Tierhaltung der Bayersichen Landesanstalt für Landwirtschaft in Ruhstorf im Rottal.

Die Familie ist dabei

Maggs 75 Milchkühe in dem großzügigen Laufstall werden – außer zehn Trockenstehern – nach Bedarf gemolken. Daneben gibt es 20 Kälber und 40 Stück Jungvieh. Alle Tiere tragen noch Namen: „Esther“, „Anemone“ oder „Lewa“ wie der Fußballer Lewandowski. „Die Nummern der Transponder am Hals hab ich aber schneller parat“, sagt er. Nebenbei arbeitet Magg auf 450-Euro-Basis für ein Lohnunternehmen, häckselt Mais für andere. „Ein schöner Ausgleich“, sagt er. Gegenüber dem Bauernhaus der Eltern: ein schmuckes Wohnhaus, das er 2006 baute. Die vier Kinder zwischen neun Jahren und einem Jahr betreut Ehefrau Christine. Manchmal behebt sie Probleme beim Melkroboter. „Das reicht auch“, sagt ihr Mann.

Die neue Flexibilität ist ein wichtiges Argument für Familienbetriebe. „Das bringt enorme Vorteile. Viele Betriebe stehen heute vor einem Generationswechsel“, sagt Gandorfer. Die Frage sei: Wie kann ich mein Kind begeistern, den Betrieb weiterzuführen? Sein Leben dem Zeitdiktat des Stalls zu unterwerfen – das wolle nicht mehr jeder. Man müsse es schaffen, „einen Ehepartner auf den Hof zu bringen“.

Maggs Eltern arbeiten nach Kräften mit: Vater Franz, 77, kümmert sich um Kälber und Jungvieh und bewirtschaftet mit dem Junior die Felder. Gesamtfläche: 50 Hektar. „Meine Mutter ist überall“, sagt der Jungbauer. Viktoria Magg, 70, erledigt die Boxenpflege. Auch sie hilft, wenn der Melkroboter muckt: „Sie kann zwar keinen PC bedienen, weiß aber, wie sie den Roboter wieder in Gang setzt.“ Ein klassischer Familienbetrieb, digital unterstützt.

Einmal am Tag fährt der Landwirt eine Fuhre Silogemisch mit Kraftfutter in den Stall. Der Futteranschieberoboter schiebt es alle zwei Stunden zu den Kühen. Exakt zehn Zentimeter, um eine ausgewogene Ernährung zu gewährleisten. Spaltenroboter Alfons arbeitet sich unter Piepsen durch den Stall, ähnlich einem Mähroboter. „Er hält auch die Tiere in Bewegung. So gehen sie regelmäßig zum Melkroboter“, sagt Magg. Zusätzlich macht das ein Trog mit Kraftfutter schmackhaft. Mit seiner Betriebsgröße ist er zufrieden: „75 Kühe reichen zum Durchkommen. Mit mehr steigerst du den Ertrag nicht wirklich.“ Die durchschnittliche Jahresmilchleistung von 9.500 Kilo pro Jahr kann sich sehen lassen. Aber der Hof muss auch acht Personen ernähren. Während der Bauer seine Aufgaben am Hof erledigt, bahnt sich im Stall das Melkgeschirr den Weg zum Euter – gesteuert durch Ultraschall und Laser. Jede Zitze wird gereinigt und „angedockt“. Automatisch pumpt die Maschine die Milch ab und sterilisiert das Geschirr.

Technik trifft Lebewesen

„Wer glaubt, man habe Zeit ohne Ende, liegt falsch“, sagt Magg. Immer wieder hat der Roboter Ausfälle: Er meldet sich, wenn mehrere Melkversuche misslingen, wenn über längere Zeit keine Kuh kommt oder ein Tier den Melkbecher zerschlägt. „Das summiert sich über den Tag.“ Mit Melkstand, so Magg, sei man morgens und abends je eineinhalb Stunden beschäftigt – das verteile sich bei ihm auf 24 Stunden. Die Fehlerquelle liegt zu 95 Prozent dort, wo Technik auf Lebewesen trifft. Also an der Schnittstelle zwischen analog und digital – ein klassisches Problem der Automation.

Hier könnte Künstliche Intelligenz (KI) Verbesserungen bringen. Das möchte auch Gandorfer nicht ausschließen: „Die KI bringt in vielen Bereichen Verbesserungen – warum nicht auch hier?“ Bis das so weit ist, muss Magg noch oft entstören. Er hadert jedoch nicht mit seiner Entscheidung: „Du musst halt wissen, ob du mit dem Handy ins Bett gehen willst.“ Das Mobiltelefon hat er immer parat. Mit einem Wischen ruft er per LKV-App Leistungskontrolle, Futteranalyse und Milchprüfung seiner Tiere ab.

Auf Acker24 hat er seine Flächen erfasst: Ackerbauprogramm und Düngerermittlung zeigen, was er anbaut, wie viel er düngen darf und was gedüngt ist. Die App errechnet den Bedarf an Stickstoff, Kali und Phosphor. Angesichts seines Bestands sieht Magg, wann er Kraftfutter bestellen muss. Auch die Förderbeantragung über das iBalis-Programm vom Landwirtschaftsamt sei „kein großes Ding, wenn sich an deinen Flächen nichts ändert“. Laut einer Umfrage der LfL nutzen über 70 Prozent der Landwirte Agrar-Apps, etwas weniger verwenden PC-Software zum Herdenmanagement.

Auch im Stall werden Daten gesammelt. Zwar sieht ein Bauer mit Melkstand täglich seine Tiere. Doch Magg erkennt am Display nicht nur die Milchleistung jeder Kuh – sondern jeder Zitze. Er sieht, wieviel die Kuh sich bewegt. Er bekommt Infos über ihre Wiederkäueraktivität und die Inhaltsstoffe der Milch. „Das sind Dinge, die erkennst du sonst erst einen Tag später.“ Das Zauberwort: Sensorik. Sogar der pH-Wert im Pansen ist messbar. Sensoren ermöglichen eine präzise Brunfterkennung. Für Landwirt Magg steht das Wohl seiner Tiere im Fokus: „Sie werden gemolken, wenn sie das möchten. Sie können sich bewegen, wie sie wollen. Für eine Kuh mit hoher Milchleistung ist es belastend, wenn sie mit vollem Euter bis zum Abend warten muss.“ Gandorfer bestätigt: „Durch den Einsatz von Sensorik wird mehr auf die Bedürfnisse der Tiere eingegangen.“

Precision farming

Sensorik spielt auch auf dem Feld eine wachsende Rolle. Digitale Lenksysteme erleichtern die effiziente Bearbeitung. Der Trend geht zur RTK-Technik (Real Time Kinematik), die per GPS zeigt, wo sich die Reihen befinden. So kann ein Fahrer auch in den späten Abendstunden präzise arbeiten. Man spricht vom „Precision Farming“ (Präzisionslandwirtschaft), in der Produktionsabläufe und Wachstumsbedingungen optimiert werden. Auch Bauer Magg hat über seine Maschinengemeinschaft „Ökogüll“, wo er zweiter Vorstand ist, gute Erfahrungen gemacht. 15 Landwirte teilen sich da die Technik in einem 200-PS-Schlepper.

In Bayern existiert zusätzlich mit dem Landwirtschaftlichen Fahrzeugpositionierungsservice (LFPS) ein kostenloser Dienst, der nur eine einmalige Einrichtungsgebühr von 50 Euro kostet. 1.500 Landwirte nutzen diesen bereits (Stand Februar 2019). Allerdings arbeitet der LFPS, den das Landesamt für Digitalisierung bereitstellt, mit Mobilfunk – was in abgelegenen Gebieten noch zu Problemen führt. Die digitalen Helfer am Feld erfordern Investitionen, zum Teil im fünfstelligen Bereich. „Aber die Technik hilft auch, Betriebsmittel einzusparen“, sagt Gandorfer.

Mineraldünger etwa: Eine präzise Dosierung, kombiniert mit Teilflächenbewirtschaftung, schafft optimale Ergebnisse. Gleichzeitig schont man den Boden. „Das schafft ressourcenschonende Bewirtschaftung.“

Wo die Landwirtschaft mehr profitieren könnte, sei die Vernetzung. Etwa beim Preisvergleich von Betriebsmitteln und bei der Vermarktung: „Ich bin gespannt, was da noch passiert“, sagt der Wissenschaftler. Auf Plattformen wie agrarconnect.de oder agrando.de können sich Landwirte Überblick verschaffen. In den USA hat etwa das Farmers Business Network eine enorme Markttransparenz geschaffen.

Für den Allgäuer Magg hat sich die digitale Technik vielleicht nicht als Königsweg erwiesen. Jedoch als Weg, mit dem er seinen Betrieb unabhängig führen kann. „Mehr als 15 Minuten sitze ich täglich kaum am Computer“, sagt er. Und er erlebt heute etwas, wovon früher ein Bauer nur träumen konnte: Urlaub. „Dieses Jahr waren wir zum ersten Mal weg, eine Woche bei meiner Schwester in Frankreich. Davon zehren wir immer noch.“ Familie und Roboter sei Dank.

Erfolgreicher Einsatz des Bayerischen Bauernverbandes
für die Digitalisierung in Bayerns Landwirtschaft:

  • Das Programm „Höfebonus“ für den Breitbandausbau, mit dem der Anschluss von Streusiedlungen, Weilern und Einzelgehöften an das schnelle Internet auf Basis leistungsstarker Glasfasertechnik speziell gefördert wird.
  • Freien Zugang zum RTK-Signal über den Landwirtschaftlichen Fahrzeugpositionierungs-Service (LFPS) für bayerische Landwirte. Dadurch fällt ein großer Kostenblock beim Einsatz von „Precision Farming“-Techniken weg. Der BBV Computerdienst berät Sie gerne, wie Sie den Zugang zum LFPS einrichten und wie Sie diese Technik am sinnvollsten einsetzen.
  • Der WebService Jagdkataster bietet Jagdgenossenschaften nötige Daten zu einem deutlich gesenkten Preis. Dies konnte der Bauernverband mit dem bayerischen Finanzministerium vereinbaren. Für weitere Informationen zur Anmeldung wenden Sie sich bitte an Ihre BBV-Geschäftsstelle.
Bio-Weizen auf einem Feld in Bayern
© BBV

Gesundes Wachstum für Öko in Bayern

Jeder dritte Acker soll in etwa zehn Jahren ökologisch bewirtschaftet sein – lässt sich so ein politisch gewolltes Wachstum schaffen, ohne die Struktur und die Agrarmärkte allzu sehr durcheinander zu wirbeln?

Text: Daniela Gehler
Mehr denn je steht die Ökolandwirtschaft im Zentrum von Debatten der Bürger und der Politik. Im Jahr 2019 wurde in Bayern der zehntausendste Ökobetrieb begrüßt. Im Bayerischen Naturschutzgesetz wurde nach dem Volksbegehren „Rettet die Bienen“ das Ziel verankert, dass bis 2025 mindestens 20 und bis 2030 mindestens 30 Prozent der landwirtschaftlichen Flächen in Bayern ökologisch bewirtschaftet werden sollen. Ökolandwirte und solche, die es werden möchten, stellen sich Fragen: Wie würde sich eine Verdoppelung oder Verdreifachung der Ökoerzeugung auf den Erfolg ihrer Betriebe auswirken? Wie kann ein Zuwachs gelingen, sodass er auf Dauer tragfähig ist? Wie können die politischen Ziele im Schulterschluss mit der Marktentwicklung umgesetzt werden?

Bei „Bio aus Bayern“ sind die heimischen Rohstoffe nicht austauschbar.

Eine Hauptrolle spielt dabei die Nachfrageseite. Sowohl die Ausgaben der Haushalte als auch die Einkaufsmengen gehen Jahr für Jahr langsam, aber kontinuierlich nach oben. Um die Nachfrage nach „Bio aus Bayern“ noch stärker zu stimulieren, wäre ein Ziel, dass die Verbraucher beim Einkauf heimische Produkte bevorzugen. Dann wären auch die bayerischen Rohstoffe weniger austauschbar. In den Ladenregalen steht immer noch ein hoher Anteil importierter Biolebensmittel, zum Beispiel über 30 Prozent bei der Trinkmilch und 40 Prozent bei der Butter. Für die Verbraucher ist es aber gar nicht einfach, regionale Ware zu erkennen, da der Begriff „Regionalität“ nicht geschützt ist.

 

Ein Mehl mit einem vom Hersteller selbst kreierten Regionalsiegel kann aus osteuropäischem Getreide bestehen, das in Bayern nur gemahlen wurde. Nur drei aussagekräftige Siegel im Regionalitäts-Wildwuchs nannte die Verbraucherzentrale Bayern kürzlich, und zwar neben der Geprüften Qualität Bayern und dem Regionalfenster das Bayerische BioSiegel: „Bei diesem Siegel wird die Regionalität mit dem biologischen Anbau kombiniert. Produkte mit diesem Siegel kommen aus der Region und gleichzeitig gelten die besonders strengen Kriterien der Öko-Anbauverbände.“

Nur ein Prozent der Gastronomie ist bio-zertifiziert.

Ein weiterer Ansatzpunkt, um den Absatz von Bio aus der Region zu steigern, ist die Gemeinschaftsverpflegung. In bayerischen Kitas, Schulen, Kantinen, Altenheimen usw. werden täglich 1,7 Millionen Essen ausgegeben. Im Schnitt isst also jeder siebte einmal täglich auswärts. Nimmt man noch die klassische Gastronomie dazu, werden etwa 35 Prozent der Lebensmittel außer Haus verzehrt. Es handelt sich also um ein gewaltiges Potenzial – und bereits die Etablierung von einigen Prozenten regionalem Bio würde einen enormen Nachfrageschub bedeuten. Dem steht aber die Realität gegenüber: Nur ein Prozent der Gastronomie in Bayern ist bio-zertifiziert. Woran liegt es, dass Bioprodukte und überhaupt regionale Produkte so schwach vertreten sind? Zum einen sind die meisten Großküchen verpachtet – oft an internationale Gastronomiekonzerne, die wenig Interesse zeigen, ihre Beschaffung mehr auf Bio und bayerisch-regional auszurichten.

Bioessen in Kitas wird oftmals tiefgekühlt angeliefert und kommt, da es hier keine entsprechenden Verarbeitungsbetriebe gibt, in aller Regel nicht aus Bayern. Dazu kommt, dass die Großküchen in aller Regel vorverarbeitetes Gemüse benötigen, zum Beispiel geschnittene Möhren oder geschälte Karotten. Wenn Kantinen und Co. regionale Lieferbeziehungen beim Fleisch aufbauen möchten, müssen sie sich auch auf die Verwertung ganzer Tiere einlassen. Hier müsste bereits in der Ausbildung von Köchen angesetzt werden, die generell von stärkeren Einblicken in die landwirtschaftliche Erzeugung sehr profitieren würden.

 

Neben den ganzen Hindernissen für mehr Bio und Regionalität in der Gemeinschaftsverpflegung gibt es auch beeindruckende Lichtblicke: Insbesondere Kantinen, die bereits erfolgreich auf Bio und Regionalität setzen, wie im bayerischen Landwirtschaftsministerium, bei der Linde AG oder der Versicherungskammer Bayern. Es gibt eine Vielzahl von Beratungsangeboten sowie Handreichungen, wie man Ausschreibungen von Küchen gestalten kann, damit Regionalität und Bio ein Pluspunkt bei der Vergabe werden. Kurz gesagt – wo der Wille da ist, gibt es Wege.

Neben der Marktbetrachtung ist eine Ausweitung der Ökoflächen auch im Hinblick auf die Produktionstechnik herausfordernd. Durch die zunehmende Spezialisierung und mehr Ökobetriebe ohne Tierhaltung müssen die Nährstoffkreisläufe größer gezogen werden. Würde die Politik die Vergärung von Kleegras in Biogasanlagen besser stellen, wäre eine Möglichkeit geschaffen, die Tierhaltung zu ersetzen und Nährstoffe bedarfsgerecht zu verteilen. Ob Bayern die Zielgröße „30 Prozent Öko bis 2030“ erreicht, ist eine große, aber nicht die entscheidende Frage. Der Ökoausbau wird mit Sicherheit kein Selbstläufer und stellt zahlreiche Herausforderungen – aber ebenso viele Ansatzpunkte, um ein gesundes Wachstum anzuregen. An den Bauern wird der Ökoausbau jedenfalls nicht scheitern. Die stehen bereit – wenn der Absatz gesichert ist und die Rahmenbedingungen passen.

© LfL

Tierhaltung: Die Vision für Bayern

Nachhaltige Kreislaufwirtschaft ist das Ziel für die künftige Landwirtschaft in Bayern. Ohne Tiere geht das kaum, deshalb hat Tierhaltung in Bayern eine Zukunft.

Text: Jakob Opperer

Vegane Ernährung und Ersatzfleisch werden die Nutztierhaltung nie ganz verdrängen! Warum ich mir da so sicher bin? Weil gutes Fleisch schmeckt und gesund ist, eine nachhaltige Kreislaufwirtschaft in der Nahrungsmittelerzeugung ohne Tierhaltung nicht möglich ist und weil es bei der Erhaltung und Pflege von Wiesen und Weiden keine Nutzungsalternative zur Fütterung an Wiederkäuer gibt.

Welche Tierhaltung wollen wir? Das Ideal ist ein eigentümergeführter Familienbetrieb mit flächengebundener Tierhaltung, der tierische Lebensmittel nachhaltig erzeugt und möglichst kurze Wege zum Verbraucher findet. Wenn die persönlichen und strukturellen Voraussetzungen gegeben sind und die Nachhaltigkeitskriterien eingehalten werden, sind auch größere Betriebe zu akzeptieren. Kleinere Betriebe (Teilzeitbetriebe) mit weiteren Standbeinen müssen als vollwertige landwirtschaftliche Betriebe anerkannt werden. Die Unterscheidung zwischen dem ökologischen und konventionellen Landbau könnte überbrückt werden durch eine differenziertere Beurteilung von Betrieben anhand von Nachhaltigkeitskriterien. Die bayerischen Bauern sollten in der Lage sein, sich selbst „in Wert zu setzen“ und damit konkurrenzfähig zu sein gegen Billigangebote, von woher auch immer sie kommen. Um dahin zu kommen, braucht es einen Gesellschaftsvertrag, der verschiedene Aspekte berücksichtigt und diese konsequent verfolgt. Dazu fünf Thesen:

1

Wichtig sind das Wohl der Tiere und der Menschen.
 
In der großen Mehrheit unserer Betriebe kümmern sich die Bauernfamilien um das Wohl der Tiere und begegnen ihnen mit Respekt und Mitgefühl. Sie werden ausgewogen mit gutem Futter versorgt und vor Krankheiten, Witterungsextremen und Raubtieren geschützt. Zur Nutztierhaltung gehört auch, dass das Tier am Ende zur menschlichen Ernährung genutzt wird. Sicher hat der technische Fortschritt manche Arbeiten erleichtert und das Wachsen der Betriebe ermöglicht. Die Arbeitsbelastung hat aber bei vielen tierhaltenden Betrieben ein Ausmaß erreicht, das an die Grenzen der Kräfte geht oder sie sogar überschreitet. Kommen dazu dann noch böswillige Anfeindungen und komplizierte gesetzliche Regelungen, dann ist die Arbeit auch mit dem sprichwörtlichen Fleiß der Bauern auf Dauer nicht zu bewältigen. Es ist höchste Zeit, dass darüber offen gesprochen und reagiert wird.

2

Es braucht mehr Kreislaufdenken und Regionalität.
 
Eine weltweite Zusammenarbeit und Arbeitsteilung mag in vielen Wirtschaftssparten sinnvoll sein. Leider mangelt es aber auch hier häufig an Fairness und Nachhaltigkeit. Aufgrund der engen Erzeugungs-Umwelt-Beziehung lässt sich wirkliche Nachhaltigkeit bei Lebensmitteln nur in regionalen Konzepten erreichen. Die Nährstoffflüsse und die Wachstumsbedingungen für bestimmte Güter sind ausschlaggebend, wie groß eine Region sein kann. Es braucht nicht nur eine nachhaltige Produktion, sondern wieder mehr handwerkliche und genossenschaftliche Lebensmittelverarbeitung und -vermarktung, individuellere Förderprogramme sowie eine Wertschätzung der Verbraucher für bäuerliche Betriebe, die sich nicht nur in Worten, sondern beim Einkaufen zeigt..

3

Es braucht mehr Rücksichtnahme und Toleranz.
 
Die Bauern müssen neben der Einhaltung der guten fachlichen Praxis bereit sein, Selbstkritik zu üben, Probleme aufzugreifen und Lösungen umzusetzen. Die Gesellschaft muss die Fach- und Sozialkompetenz der Landwirte anerkennen. Und es muss endlich Schluss sein, mit Kampfbegriffen wie „Agrarindustrie“, „Massentierhaltung“, „Umweltsünder“. Gegenseitige Rücksichtnahme und Toleranz werden erkennbar, wenn negative Einzelfälle nicht verallgemeinert, Umweltbelange und das Erholungsbedürfnis der Nachbarn berücksichtigt und kleinere Unzulänglichkeiten auch mal toleriert werden.

4

Landwirtschaft wird weltweit gebraucht.
 
Eine nachhaltige Landwirtschaft mit flächengebundener Tierhaltung und transparenter Eigentumsstruktur wird als Vorbild und Problemlöser dringender gebraucht denn je. Sie ist das Gegenmodell zu einer industrialisierten Ernährungswirtschaft, die Waren um die ganze Welt transportiert und Fleischersatzprodukte großtechnisch in Labors herstellt. Dabei müssen wir anerkennen, dass es in anderen Regionen der Welt andere Probleme gibt und dort vielleicht andere Lösungsansätze erforderlich sind. Es ist unsere Pflicht, aber auch in unserem ureigenen Interesse, die Menschen in diesen Regionen mit Wissen und fairen Krediten zu unterstützen.

5

Es ist höchste Zeit zu handeln.
 
Wer jetzt vielleicht meint, das sei keine Vision, sondern eine Illusion, sollte bedenken, dass wir für Illusionen auf der Erde keine Zeit mehr haben. Allein, um die Klimaveränderung abzuschwächen, sind eine kritische Reflexion des verschwenderischen Lebensstils in den Industriestaaten und mehr regionales Wirtschaften erforderlich. Das Erkennen und das Handeln, Menschen und Natur, Leidenschaft und Vernunft sowie Ökonomie und Ökologie müssen wieder unter einen Hut gebracht werden. Wir brauchen weniger Protest-, aber mehr Bürgergesellschaft, die dem Zerfall in viele Einzelgruppen und Egoismen wirksam entgegentritt.

Nahrungsmittel für alle

Die Landwirtschaft ist in der Lage die Welt zu ernähren, das ist die gute Nachricht. Aber mit welchen Methoden sie künftig produziert, und was die Menschen künftig essen wollen, dazu gibt es noch eine Reihe von offenen Fragen. 

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