Klimawandel: Ich will Teil der Lösung sein
Die Landwirtschaft kann helfen, die Probleme mit dem Klimawandel zu lösen. Aber das braucht Zeit, die wir aus Sicht der Gesellschaft nicht haben. Eine junge Bäuerin reflektiert.
3. Januar 2020 | Text: Bettina Hanfstingl
So wie mir geht es derzeit wohl vielen Landwirten. Die Ansprüche der Gesellschaft an die heimische Landwirtschaft befinden sich in einem tiefgreifenden Wandel. Es kommt nicht mehr nur darauf an, dass es genügend Nahrungsmittel gibt. Diese sollen auch umwelt- und klimaschonend hergestellt werden. Bei der Suche nach neuen Strategien rückt nun eine lange wenig beachtete Ressource ins Blickfeld: Erdreich, Humus, der landwirtschaftliche Boden.
Kohlenstoff heizt an
Im globalen Stoffkreislauf zwischen Erde und Luft spielt das Element Kohlenstoff eine zentrale Rolle. Es ist sowohl in der Atmosphäre als Bestandteil von CO2 als auch im Boden und in Pflanzenteilen wie Cellulose und Stärke vorhanden. Die Verteilung dieser Anteile hat sich erst in den letzten Jahrzehnten massiv verschoben. Der Gehalt des sogenannten Treibhausgases CO2 in der Luft hat zugenommen – das lässt die Temperaturen auf dem Globus immer mehr ansteigen. Auf der Pariser UN-Klimakonferenz im Jahre 2015 stellte der französische Agrarminister Le Foll die Initiative „4per1000“ vor. Die Idee darin ist, durch den jährlichen weltweiten Aufbau von 0,4 % organischer Substanz im Boden Kohlenstoff aus der Luft zu holen und in organischen Stoffen zu binden.
Humusaufbau braucht Zeit
So soll der aktuelle globale Anstieg beim CO2-Ausstoß kompensiert werden, um Zeit für die Entwicklungen von Alternativen zum Verbrennungsmotor zu gewinnen. Ein Forscherteam der bayerischen Landesanstalt für Landwirtschaft untersuchte daraufhin, ob man diesen Prozentsatz in Bayern durch veränderte Bodenbewirtschaftung erreichen könnte. Das Ergebnis war ernüchternd: Würde man Verfahren wie Zwischenfruchtanbau und Agroforstsysteme, also die Kombination von Bäumen und Ackerkulturen, hier in einem geschätzt realistischen Rahmen ausdehnen, könnte man trotzdem nur ein Drittel der Zielvorgabe der Initiative erreichen.
Was bedeutet das für mich als Landwirtin? Gerne würde ich nicht nur ein Teil des Problems, sondern ein aktiver Teil der Lösung des Klimawandel sein. Ich arbeite unmittelbar mit Pflanzen und dem Erdreich und muss mit den Folgen der Klimaveränderungen wie Dürreperioden und Starkregen umgehen. Wissenschaftlich gesicherte Erkenntnisse, welche landwirtschaftlichen Methoden für die Umwelt, das Klima und auch die Versorgung mit Lebensmitteln gleichermaßen positiv zu sehen sind, sind jedoch kaum zu bekommen.
Mit Versuch und Irrtum?
Sicher ist nur eines: Um Böden zu verändern und kohlenstoffspeichernden Humus aufzubauen, braucht es neben dem Wissen um die nötigen Vorgänge vor allem Zeit. Das passt allerdings nicht zu der gegenwärtigen Geschwindigkeit der aktuellen gesellschaftlichen und politischen Debatten. Außerdem nehmen die Anteile von Pachtflächen in den Betrieben stetig zu, Pachtlaufzeiten werden kürzer – all das macht es schwierig, im Ackerbau langfristig zu planen. Dies ist jedoch unverzichtbar, wenn man den Humusaufbau aktiv vorantreiben will.
Es ist eine langwierige Aufgabe, durch Versuch und Irrtum auf den eigenen Äckern herauszufinden, welche Methoden und Feldfrüchte für einen individuellen Standort am besten geeignet sind. Mittelfristig könnte ein Projekt des Forschungszentrums BonaRes, das vom Bundesforschungsministerium unterstützt wird, bei Entscheidungen rund um die Bodenbewirtschaftung helfen.
Der Lehrstuhl für Bodenkunde der Technischen Universität München mit Prof. Dr. Ingrid Kögel-Knabner ist eine von mehreren Forschungseinrichtungen, deren über Jahrzehnte gesammeltes Wissen in einem Online-Portal zusammengeführt werden soll. Darin wird man für einen bestimmten Standort die Auswirkungen verschiedener Bewirtschaftungsarten über mehrere Jahre simulieren und vergleichen können. Es werden noch einige Jahre vergehen, bis ich mit Hilfe dieses Portals vorausberechnen kann, was in einem Acker hier passiert, wenn ich Lupinen oder Hanf statt Gerste anbaue. In der Zwischenzeit muss ich versuchen, die Böden immer noch besser kennenzulernen und Beobachtungen zu sammeln. Denn ein anderer alter Spruch, den wohl fast jeder Landwirt auf seiner Freisprechungsfeier gehört hat, besagt, dass man das lebenslange Lernen niemals vergessen soll.