War’s das mit der bayerischen Bratwurst?
Schweinemarkt: Krisengespräche in Bayern und auf Bundesebene
Katastrophale Erzeugerpreise, hohe Kosten, ständig wachsende Anforderungen insbesondere beim Tierwohl, fehlende Planungssicherheit für Investitionsentscheidungen, unüberbrückbare Hindernisse bei Stallbaugenehmigungen sowie die Hilflosigkeit der Behörden beim Eindämmen der ASP - die Situation der Schweinehalter ist dramatisch. Es droht ein massives Wegbrechen der Schweinehaltung in Deutschland und Bayern.
Der bayerische Bauernpräsident Walter Heidl hatte daher bereits Ende August Verantwortliche aus der Wertschöpfungskette, aus Politik und Beratung zu einem Krisengespräch des Bayerischen Bauernverbandes am 17. September in Pfaffenhofen a. d. Ilm eingeladen. Ziel des Gesprächs war es, über die aktuell verheerende Lage der Schweinehalter zu beraten und vor allem Handlungsfelder und Perspektiven für die bayerische Schweinehaltung auszuloten und anzupacken. Fast alle der eingeladenen Verantwortlichen hatten im Vorfeld ihre Teilnahme zugesagt, unter anderem Vertreter von Rewe, Lidl und Kaufland.
Heidl erläuterte die Situation: der Rückgang der bayerischen Schweinehalter und Schweine, die katastrophale Stimmung bei den Schweinehaltern und die sich immer weiter öffnende Schere zwischen Erzeuger- und Verbraucherpreisen. „Während der Preis an der Ladentheke in den letzten zwei Jahren um fast einen Euro je Kilo gestiegen ist, sind die Erzeugerpreise um 50 Cent gesunken. Und das bei ständig steigenden Anforderungen an die Schweinehaltung“, sagte Heidl und warnte vor einem massiven Strukturwandel und einer Abwanderung der Schweinehaltung ins Ausland. Die Vertreter der Erzeugerorganisationen, aus Beratung, Stallbaubranche und der Schlachtwirtschaft bestätigten die Einschätzung der Lage.
Im Mittelpunkt des Gesprächs stand die Frage, was wer konkret zur Besserung der Lage beitragen kann. Hier bestand Einigkeit aller Akteure, dass dringend der Absatz gestärkt werden müsse. Dazu erging der eindringliche Appell an den Lebensmitteleinzelhandel, mit den Argumenten Herkunft, Tierwohl und Nachhaltigkeit für Schweinefleisch zu werben. Gerade die Schweinehaltung in Süddeutschland mit ihrer kleineren Struktur und hohem Anteil an eigenerzeugtem Futter bieten dazu geeignete Ansatzpunkte. Heidl wendete sich mit der Bitte um finanzielle Unterstützung einer solchen Kommunikationsoffensive auch gleich an die bayerische Landwirtschaftsministerin Michaela Kaniber.
Gleichzeitig müssen in der Vermarktung verbindliche Partnerschaften mit den Erzeugern auf- und ausgebaut werden. Marktseitige Preisuntergrenzen für die Erzeuger sind dabei ein wichtiges Thema. BBV-Veredelungspräsident Gerhard Stadler forderte darüber hinaus ein Moratorium für Auflagen. Ganz konkret müsse zum Beispiel die Umsetzung des Aktionsplans Kupierverzicht sowie der neuen Anforderungen rund um das Beschäftigungsmaterial ausgesetzt werden.
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Brauchen Bekenntnis zu deutscher Herkunft bei Fleisch!
Bauernpräsident Heidl fordert: „Alle Verantwortlichen müssen jetzt schnelle und konkrete Beiträge leisten, um die Situation der Schweinehalter zu verbessern. Dazu gehört aus unserer Sicht insbesondere ein Bekenntnis der Marktakteure zur deutschen Herkunft bei Frischfleisch und bei verarbeiteten Produkten. Und dies muss sowohl im Lebensmitteleinzelhandel wie auch im Außer-Haus-Verzehr umgesetzt und aktiv beworben werden.“
Außerdem sind in der Vermarktung mehr Angebote für die Erzeuger zu verbindlicher Partnerschaft auf Augenhöhe nötig. Gleichzeitig muss die Politik aus Sicht des Bayerischen Bauernverbandes endlich ein Gesamtkonzept für eine Zukunftsperspektive der Nutztierhaltung (z.B. Vorschläge Borchert-Kommission inklusive Finanzierung) umsetzen. Heidl: „Beides brauchen die Schweinehalter dringend, um eine tragfähige Basis insbesondere für Investitionen in mehr Tierwohl zu haben!“
Auch Landwirtschaftsministerin Klöckner lädt zu Krisengipfel
Kurzfristig hat auch Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner Verbände und Unternehmen der Lebensmittelkette in der Fleischwirtschaft für den 15. September zu einem virtuellen Branchentreffen eingeladen. Dabei sollten die bestimmenden Faktoren für die gegenwärtige Krise analysiert werden. Außerdem sollte über geeignete Unterstützungsmaßnahmen beraten werden, die kurzfristig zur Bewältigung der Krise beitragen können. Hier gibt's Infos zu den Ergebnissen.
Zahl der Schweinehalter geht dramatisch zurück
Eine aktuelle Umfrage bei agrarheute macht überdeutlich, dass es wirklich eine Minute vor Zwölf ist für die Zukunft der Schweinehaltung in Deutschland und Bayern: Fast 80 Prozent der Schweinehalter sind verunsichert, wie es weitergehen soll bzw. planen konkret den Ausstieg aus der Schweinehaltung. Dabei hat in den letzten zehn Jahren bereits fast die Hälfte der bayerischen Schweinehalter aufgegeben.
Die Zahl der schweinehaltenden Betriebe in Bayern geht zurück. Hielten im Mai 2010 noch 7.600 Betriebe mindestens 50 Schweine und 10 Zuchtsauen, so waren es im Mai 2021 nur noch 4.200 Betriebe. Das ist ein Rückgang von fast 45 Prozent. Auch die Tierzahlen sind rückläufig: Der Schweinebestand sank von 3.527. 300 Schweine (2010) auf 2.898.000 Tiere 2021. Das entspricht einem Minus von fast 18 Prozent.