Sauen
© BBV

Drei vor Zwölf in der Sauenhaltung: Lösungen schaffen, Strukturbruch verhindern!

Erklärung des BBV-Präsidiums

24.09.2018 | Aktuell müssen Ferkelerzeuger ein ganzes Paket von neuen gesetzlichen Regelungen schultern, die als nationale Alleingänge umgesetzt werden. Dazu zählen der Ausstieg aus der betäubungslosen Ferkelkastration sowie neue Anforderungen bei den Haltungsvorgaben von Sauen.

Strukturbruch und Verlagerung der Ferkelerzeugung in europäische Nachbarländer vermeiden

Mittlerweile ist der Selbstversorgungsgrad bei Ferkeln in Bayern bereits auf  unter 75% gefallen. Auch in Bayern ist der Sauenbestand seit 2010 um 28% zurückgegangen, die Zahl der Sauenhalter hat sich in diesem Zeitraum sogar halbiert! Bei allen Forderungen nach einer Veränderung von Haltungsformen im Bereich der Ferkelerzeugung muss deswegen besonders umsichtig vorgegangen werden, um nicht die negativen strukturellen Folgen zu wiederholen, die 2013 die  Umstellung auf die Gruppenhaltung im Wartebereich vor allem bei kleinen und mittleren Betrieben mit sich gebracht hatte. Die Verlagerung der Ferkelerzeugung in Nachbarländer, die nicht mit solchen gesetzlichen Anforderungen konfrontiert sind, findet bereits statt und droht sich massiv zu verschärfen. Eine Politik, die sich zwar Tierschutz plakativ auf die Fahnen schreibt, aber lediglich zur Verlagerung der Tierhaltung ins Ausland führt, wird ihrer Verantwortung nicht gerecht. Die Politik muss für unsere Sauenhalter eine Perspektive schaffen und einen Weg aufzeigen, mit dem sie auch im Wettbewerb bestehen können.

Im Einzelnen ist Folgendes notwendig:

1. Ferkelkastration

Drei Monate vor Ablauf der Frist zum In-Kraft-Treten der gesetzlichen Betäubungspflicht bei der Ferkelkastration stehen mit Ebermast, Immunokastration und Vollnarkose unverändert nur drei Verfahren zur Verfügung die aber insbesondere im Hinblick auf Tierschutz, Fleischqualität und Verbraucherakzeptanz erhebliche Risiken bergen. Bei Ebermast und Immunokastration kommt hinzu, dass das Fleisch nur begrenzt vermarktbar ist, da einerseits Verarbeitungseigenschaften gegenüber Fleisch kastrierter Tiere verändert sind und andererseits eine Reihe von gerade für den Absatz von in Deutschland nicht verkäuflichen Teilstücken (z.B. Ohren, Pfötchen) wichtige Auslandsmärkte nur an Fleisch kastrierter Tiere interessiert sind. Auch für Metzger und Direktvermarkter ist Fleisch von unkastrierten Ebern in der Regel nicht geeignet. Weiterhin sind erhebliche Wettbewerbsnachteile aufgrund der hohen Kosten zu befürchten. Insgesamt droht damit ein Strukturbruch in der Schweinehaltung sowie das Wegbrechen eines erheblichen Teils der bayerischen und deutschen Ferkelerzeugung. Auch in ihrer Kombination stellen diese drei Verfahren daher keine ausreichende Lösung dar. Vielmehr werden Mäster, um die Probleme und Risiken von Ebermast und Immunokastration zu umgehen, auf kastrierte Importferkel insbesondere aus Dänemark oder den Niederlanden zurückgreifen.


Der BBV bemüht sich deshalb seit Jahren intensiv darum, den Ferkelerzeugern mit der Ferkelkastration unter örtlicher Betäubung (Lokalanästhesie), einen vierten Weg zu erschließen, der tatsächlich dem Tierschutz dient und den der geschulte Landwirt auch selbst durchführen kann.  In Dänemark und Schweden wird dies zum Beispiel erfolgreich praktiziert. Leider werden in Deutschland für diese Lösung Hürden aufgebaut und damit eine schnelle Umsetzung nach skandinavischem Vorbild ausgebremst. Um die Ergebnisse von endlich angelaufenen Studien zur örtlichen Betäubung und erforderliche Zulassungsverfahren abzuwarten statt von vorneherein den Weg für die örtliche Betäubung zu verschließen, ist eine Verschiebung der gesetzlichen Frist für die Betäubungspflicht erforderlich. Nach dem äußerst enttäuschenden ablehnenden Votum des Bundesrates am vergangenen Freitag sind die Abgeordneten des Bundestages in der Pflicht, jetzt sehr schnell einen Gesetzesantrag zur Fristverlängerung im Bundestag auf den Weg zu bringen, der noch rechtzeitig vor dem 1. Januar 2019 beschlossen werden kann. Gleichzeitig ist Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner gefordert, alles Notwendige zu tun, um einen Strukturbruch in der deutschen Ferkelerzeugung zu verhindern. Nur so wird es weiterhin Sauenhalter und damit regionale Schweinefleischerzeugung vom Ferkel bis zur Schlachtung geben. Wenn hingegen die Ferkelherkunft wegbricht, bedeutet dies auch das Aus für erfolgreiche Regionalsiegel wie „Geprüfte Qualität Bayern“ beim Schweinefleisch. Stattdessen würden verstärkt Ferkel aus dem Ausland zu uns kommen, die entweder betäubungslos oder mit örtlicher Betäubung kastriert sind.

2. Deckzentrum und Abferkelbereich

Bei der Neuregelung der Vorgaben für das Deckzentrum sind praktikable Detailregelungen zu Kastenständen (Breite, Länge und Fixierungsdauer) sowie eine klar geregelte Übergangsfrist von mindestens 15 Jahren (15 + 5) notwendig.
Der BBV-Landesfachausschuss für tierische Erzeugung und Vermarktung ist offen für eine gleichzeitige Einführung der Bewegungsbucht für den Abferkelbereich, jedoch nur für Neubauten. Gleichzeitig ist aber ein unbefristeter Bestandsschutz für laufende Abferkelställe unbedingt erforderlich. Eine gleichzeitige umfassende Änderung von Deck- und Abferkelbereich wäre für die meisten Betriebe finanziell nicht zu bewältigen. Eine Regelung mit einer Mindestanzahl von Bewegungstagen pro Sau und Jahr würde das Ziel von mehr Bewegung für die Sauen erreichen und könnte gleichzeitig den Betrieben mehr Spielraum für die Anpassung verschaffen. Entscheidend ist, dass die Umsetzung in die Praxis mit Augenmaß erfolgt. Detaillierte Vorschriften sind erst dann festzulegen, wenn umfassende Praxiserfahrungen vorliegen.
Im Sinne der Planungssicherheit muss für neugebaute Ställe dann auch eine ausreichende Bestandsgarantie gewährt werden.

3. Erleichterungen bei der Baugenehmigung

Um bestehenden Betrieben die insbesondere aus Tierwohlgründen teilweise umfangreichen Stallbauverbesserungsmaßnahmen bis hin zu kompletten Stallneubauten zu ermöglichen, sind Vereinfachungen im Genehmigungsrecht unerlässlich. In der Abwägung zwischen Tierwohl und bestehenden bau- und umweltrechtlichen Auflagen müssen Maßnahmen für mehr Tierwohl Vorrang bekommen.

4. Sonderinvestitionsprogramm für die Ferkelerzeugung

Im Mittel der Jahre 2010 – 2015 lag der Strukturwandel in der bayerischen Sauenhaltung bei über 10% pro Jahr. Viele Betriebe sehen sich nicht mehr in der Lage, die hohen finanziellen Belastungen von Neu- oder Umbaumaßnahmen zu tragen, die durch gesetzliche Anforderungen erforderlich werden.
Eine zukunftsgerichtete Umsetzung der aktuell diskutierten Herausforderungen bewegt sich hinsichtlich des Investitionsvolumens in einer Größenordnung von 2 bis 3 Milliarden Euro für die deutschen Sauenhalter. Wirtschaftlich tragbar ist ein solcher grundsätzlicher Umbau der Betriebe nur mit Hilfe eines umfassenden Sonderinvestitionsprogrammes.

Abgesehen davon bedarf es bei der bayerischen Agrarinvestitionsförderung noch im Jahr 2018 einer Nachbesserung der Förderkonditionen, indem unter anderem das förderfähige Investitionsvolumen auf rund 800.000 Euro angepasst wird und angesichts der betrieblichen Anforderungen dabei auch alle Lager- und Anlageneinrichtungen für Wirtschaftsdünger tierischer Herkunft einbezogen werden.

5. Nationales Programm für eine zukunftsfähige Sauenhaltung

Die Lage für die Ferkelerzeuger in Bayern und Deutschland ist dramatisch, und die Herausforderungen sind gewaltig. Dabei ist ein Ferkelerzeugerbetrieb deutlich komplexer aufgebaut als viele andere Tierhaltungsverfahren. Geänderte Regelungen für einen Teilbereich (z.B. Deckzentrum oder Abferkelbereich) haben teils erhebliche Auswirkungen auf den gesamten Betriebsablauf. Lösungen müssen deshalb ganzheitlich erarbeitet werden. Neben baulichen Lösungen müssen genehmigungsrechtliche Fragestellungen, Veränderungen im Betriebsablauf und beim Management (z.B. Aktionsplan Schwanzkupieren) sowie tragfähige Finanzierungs- und Vermarktungskonzepte (z.B. Einbindung in die staatliche Tierwohlkennzeichnung, Herkunftskennzeichnung) gefunden werden.

Notwendig ist die Erstellung und Umsetzung eines zwischen Berufsstand sowie Bund und Ländern abgestimmten, ganzheitlich durchdachten und verbindlichen nationalen Programms für die Ferkelerzeuger in Deutschland. Hierzu müssen Zielkonflikte gelöst, eine Folgenabschätzung durchgeführt und eine tragfähige Perspektive mit machbarer Zeitschiene aufgezeigt werden. Für die zukunftsfähige Umsetzung von notwendigen Veränderungen sind auch eine Stärkung der Beratungsstrukturen und deren Ausrichtung an den Anforderungen erforderlich. Nur so können Planbarkeit, Verlässlichkeit und Vertrauen für alle Beteiligten wiederhergestellt werden. Dies sichert landwirtschaftliche Existenzen und regionale Lebensmittelerzeugung.

Erklärung des BBV-Präsidums: Drei vor 12 in der Sauenhaltung (PDF)