EU-Waldstrategie 2030 ist auf dem Holzweg
Stellungnahme des BBV-Präsidiums zu den Vorschlägen der EU-Kommission
Die Klimaschutzziele können ohne die positive Klimaschutzwirkung nachhaltiger Land- und Forstwirtschaft nicht erreicht werden! Denn sie ist die einzige Branche, die mit ihrer Biomasseproduktion aktiv CO2 bindet.
Insbesondere Holz kann bereits heute viele energie- bzw. CO2-intensiv hergestellte Bau-, Werk- und Rohstoffe sowie Energieträger ersetzen. Allein durch Speicherung von CO2 im Wald und in Holzprodukten sowie durch energetische und stoffliche Substitution wird in Bayern jährlich ein Klimaschutzbeitrag von 35 Mio. Tonnen CO2 geleistet (Prof. Dr. Hubert Röder, HSWT, 2015). Eine nachhaltige Nutzung des Einschlagspotenzials, eine Steigerung des Holzbauanteils und der Ausbau der holzbasierten Bioökonomie könnten diese Klimaschutzleistung noch deutlich steigern. Dazu bedarf es aber politischer Weichenstellungen und Hilfen.
Mit dem am 14. Juli 2021 vorgestellten „Fit for 55-Paket“, das neben 12 Gesetzesvorschlägen auch die am 16. Juli 2021 veröffentlichte EU- Waldstrategie 2030 umfasst, lässt die Europäische Kommission dieses Potenzial jedoch völlig ungenutzt. Im Gegenteil: durch neue Nutzungsverbote und Einschränkungen der Bewirtschaftung sowie die gänzlich einseitige Ausrichtung auf naturschutzorientierte Maßnahmen drohen Wälder, Waldbauernfamilien, das Cluster Forst und Holz, die ländlichen Räume und nicht zuletzt der Klimaschutz massiven Schaden zu nehmen. Und dies, obwohl über 120 Studien weltweit belegen, dass die Gesamt-Artenvielfalt der Wälder durch nachhaltige Bewirtschaftung, wie in Bayern praktiziert, zunimmt (Prof. Dr. Hubert Röder, HSWT, 2017, Prof. Dr. habil Gerhard Hofmann, Waldkunde-Institut Eberswalde 2017).
Das Präsidium des Bayerischen Bauernverbandes lehnt die aktuellen Vorschläge der EU-Kommission deshalb entschieden ab!
Die Klimaschutzpolitik der EU-Kommission mit dem „Fit for 55 – Paket“ ist im Bereich der Forstwirtschaft nicht schlüssig und völlig widersprüchlich. Statt einen ganzheitlichen Ansatz mit den drei gleichberechtigten Säulen Ökonomie, Ökologie und Soziales zu verfolgen, setzt die EU-Kommission einseitig auf Partikularinteressen.
So werden in die Forststrategie z.B. die Ziele der EU-Biodiversitätsstrategie 2030 unverändert übernommen. Diese sieht Nutzungsbeschränkungen auf 30% der Landfläche vor, wobei auf 10% der Fläche ein absolutes Nutzungsverbot (sogar die Jagd und Fischerei ist untersagt) gelten soll. Die EU-Kommission hat zudem u.a. einen Gesetzesvorschlag zur Etablierung eines umfassenden Kontroll-, Überwachungs- und Sanktionssystems auf ganzer Waldfläche mit strikten Vorschriften zur guten fachlichen Praxis und zu Schutzgebieten im Wald angekündigt.
In Verbindung mit einer verschärften Verordnung über Landnutzung, Landnutzungsänderung und Forstwirtschaft (LULUCF), die z.B. für Waldbesitzer verbindliche Bewirtschaftungspläne vor-schreibt, und einer Erneuerbare-Energien-Richtlinie (RED II), die z.B. ein Verbot der energetischen Nutzung von Holz vorsieht, droht die Forst- und Holzwirtschaft als Spielball für die Kompensation zu geringer Klimaschutzanstrengungen anderer Sektoren missbraucht zu werden. Zudem würde der dringend notwendige Aufbau klimastabiler Wälder behindert und damit deren unverzichtbare Klimaschutzfunktion massiv gefährdet.
Die EU-Kommission reduziert die Klimaschutzleistungen nachhaltiger Forstwirtschaft und Holzverwendung nahezu vollständig auf den Wald als stehender CO2-Speicher und ignoriert weitgehend die wertvolle Substitutionswirkung. Zwar soll der Holzbau und die holzbasierte Bioökonomie forciert werden (was der BBV begrüßen würde), jedoch fehlen konkrete Aussagen zu deren Umsetzung. Im gleichen Atemzug werden vielmehr die oben genannten restriktiven Maßnahmen gefordert, die unsere nachhaltige Forstwirtschaft und die Versorgung mit dem nachwachsenden, klimafreundlichen Rohstoff Holz erheblich beeinträchtigen werden.
Hier ist ein klarer logischer Bruch in der Politik der EU-Kommission, denn einerseits die Holz-verwendung steigern zu wollen und gleichzeitig massive Einschränkungen der Bewirtschaftung auszusprechen, geht nicht zusammen. Oder will die EU Holzimporte aus Ländern mit oft weit niedrigeren ökologischen und sozialen Standards forcieren? Das „Fit for 55 – Paket“ wird den Rückgang der Klimaschutzleistungen der Land- und Forstwirtschaft zur Folge haben. Auch die von der Gesellschaft viel geschätzte Multifunktionalität der Wälder einschließlich zahlreicher Arbeitsplätze in den ländlichen Räumen stände auf dem Spiel.
Dabei ist nachhaltige Forstwirtschaft und Holzverwendung nachweislich Klimaschutz in vorbildlicher Art und Weise! Das wissenschaftlich belegte, vorhandene Potenzial für viel mehr wirksamen Klimaschutz durch nachhaltige Forstwirtschaft und Holzverwendung gilt es zu nutzen!
Das Präsidium des Bayerischen Bauernverbandes fordert deshalb:
- die EU-Waldstrategie 2030 im fairen Dialog und unter aktiver Beteiligung der Vertreter der Waldbesitzer, des Cluster Forst und Holz und der Mitgliedsstaaten neu zu erarbeiten.
- das EU-rechtlich verankerte Subsidiaritäts-Prinzip in der Waldpolitik strikt zu wahren und den Ständigen Forstausschuss zu stärken und bei waldrelevanten politischen Prozessen auf EU-Ebene intensiv einzubinden.
- die kontinuierliche Unterstützung eines ganzheitlichen Ansatzes, bei dem die drei Dimensionen der Nachhaltigkeit ausgewogen angegangen und die Vielfalt und unterschiedlichen Merkmale der europäischen Wälder in ihrer ökologischen, ökonomischen und sozialen Dimension sowie die Eigentumsstrukturen berücksichtigt werden, so wie es die Schlussfolgerungen des EU-Rates zur EU-Waldstrategie für die Zeit nach 2020 vom 10. November 2020 vorsehen.
- die Chance für mehr Klimaschutz durch nachhaltige Waldbewirtschaftung und umfassende stoffliche und energetische Holzverwendung zu nutzen, wobei der Anpassung der Wälder und der Forstwirtschaft an den Klimawandel durch wirksame Unterstützung der Waldbesitzerfamilien, forstwirtschaftlichen Zusammenschlüsse, des Cluster Forst und Holz, der holzbasierten Bioökonomie und Kreislaufwirtschaft sowie der Honorierung der Klimaschutzleistungen besonderes Gewicht zu verleihen ist.
- die Generationen übergreifenden Leistungen der Waldbesitzerfamilien für den Schutz der Biodiversität endlich anzuerkennen und auf die Kompetenz des Cluster Forst und Holz zu setzen.
- den Grundsatz „Schützen durch Nutzen“ als Leitlinie der europäischen Forstpolitik in der Waldstrategie 2030 zu verankern. Nutzungsverbote schaden dem Wald und dem Klima.
Das Präsidium des Bayerischen Bauernverbandes unterstreicht den dringenden Handlungsbedarf beim Klimaschutz, um den Wald und seine vielen Funktionen für die Gesellschaft dauerhaft zu erhalten und zukunftsfähig zu entwickeln. Unsere Waldbesitzerfamilien und das Cluster Forst und Holz sind bereit, beim Klimaschutz tatkräftig und innovationsfreudig voranzugehen. Deren Motivation und Kreativität gilt es bestmöglich zu fördern. Die vorliegende EU-Waldstrategie der EU-Kommission ist dazu jedoch nicht geeignet!