Nachhaltige Zukunft braucht vitale Berglandwirtschaft!
Positionen und Anliegen vom Ländertreffen am 26. November 2022 in Grainau
Die Berglandwirtschaft trägt mit ihren äußerst hochwertigen Nahrungsmitteln aus den Bergregionen auch zur Ernährungs- und Versorgungssicherung bei. Über die nachhaltige Forstwirtschaft wird das Motto „Schützen durch Nützen“ von den Bauernfamilien im Alpenraum gelebt und so die vielfältigen Funktionen des Bergwaldes gewahrt. Eine wesentliche Grundlage des generationenübergreifenden, nachhaltigen Wirtschaftens ist die Wahrung des Eigentums und eines breit gestreuten Eigentums an Grund und Boden, der für bäuerliche Familienbetriebe eine Existenz-, Lebens- und Einkommensgrundlage ermöglicht. All dies ist für den Alpenraum das Fundament für einen vitalen Lebensraum und für eine hohe touristische Attraktivität. Vor allem der Erhalt der Almflächen trägt durch die jährliche Beweidung einen beträchtlichen Teil zur Wahrung der Landschaft im Alpenraum bei und muss auch in Zukunft sichergestellt werden. Gerade die Sektoren der Land- und Forstwirtschaft sichern im ländlichen Raum des Alpenraumes mehr als jeden siebten Arbeitsplatz und Wirtschaftskraft.
Vor dem Hintergrund richten Südtiroler Bauernbund, Tiroler Bauernbund, Landwirtschaftskammer Tirol und der Bayerische Bauernverband ausgehend von ihrem Ländertreffen am 26. November 2022 in Grainau ihre nachfolgenden Positionen und Forderungen an die Politik. Auf europäischer Ebene sind aktuell Richtlinien und Verordnungen in Diskussion, die – gerade auch im Alpenraum – eine nachhaltige Zukunft bäuerlicher Familienbetriebe bedrohen und die Versorgungs- und Ernährungssicherheit gefährden. Deshalb nehmen wir gemeinsam und länderübergreifend wie folgt Stellung:
Wolf und Großraubtiere
Im Alpenraum trägt vor allem die Beweidung einen beträchtlichen Teil zur Wahrung der alpenländischen Kulturlandschaft mit ihren Alm- und Alpflächen bei. Diese traditionelle Weidetierhaltung erfüllt in höchstem Maße auch Ansprüche der Verbraucherinnen und Verbraucher an das das Tierwohl, an Lebensmittel und an die Bewahrung unserer Heimat. Sie wird aber zunehmend von einwandernden Großraubtieren wie zum Beispiel Wolf und Bär existenziell gefährdet. Die Politik ist auf nationaler und europäischer Ebene dringend gefordert, den Schutz und den Erhalt der Berglandwirtschaft sowie der bäuerlichen Weide-, Freiland- und kombinierten Stallhaltung gerade im Alpenraum sicherzustellen. Angesichts dieser massiven Bedrohungen, insbesondere durch den Wolf werden bereits in einigen Regionen keine Weidetiere mehr aufgetrieben.
Die Position der bäuerlichen Organisationen ist dabei folgende:
Wir fordern deshalb dringend, den strengen Schutzstatus des Wolfs nach der Berner Konvention und der FFH-Richtlinie zu ändern sowie ein aktives und wirkungsvolles Wolfsmanagement zu etablieren. Auffällige Wölfe müssen zur Aufrechterhaltung der Almbewirtschaftung zeitnah entnommen werden können. Gerade auch im alpinen Gelände muss eine nachhaltige Nutztierhaltung mit herkömmlichen Methoden und ohne die Notwendigkeit umfangreicher, aufwendiger und unverhältnismäßiger Schutzmaßnahmen möglich sein.
EU-Verordnung über die nachhaltige Verwendung von Pflanzenschutzmitteln (SUR)
Am 22. Juni 2022 legte die Europäische Kommission einen Vorschlag für die „nachhaltige Verwendung von Pflanzenschutzmitteln“ vor. Enthalten sind hierbei unter anderem eine Halbierung des Einsatzes von Pflanzenschutzmitteln sowie ein Komplettverbot des Einsatzes in sogenannten empfindlichen Gebieten.
Unsere Position:
- Ernährungssicherung ist auf einen bedarfsweisen Einsatz von Pflanzenschutzmitteln und den Ausbau wirksamer, praxistauglicher Alternativen angewiesen, weshalb pauschale Verbote und eine Regelung über Gebietskulissen beim Pflanzenschutz abzulehnen sind.
- Die Halbierung des Pflanzenschutzmittel-Einsatzes ist ein willkürliches politisches Ziel ohne fachliche oder wissenschaftliche Basis, insbesondere im Hinblick auf Abwägung von Risiken und Nutzen. Wir lehnen daher pauschale Reduktionsziele ohne jegliche Berücksichtigung von Vorleistungen ab.
- Ausnahmeregelungen hinsichtlich extremer Wetter– und Klimaereignisse und phytosanitäre Notfälle müssen aufgenommen werden.
- Es braucht umfassende wissenschaftlich fundierte Folgenabschätzungen.
- Europa braucht mehr und nicht weniger Eigenproduktion. Nur so können heimische Standards gewährleistet werden und die Abhängigkeit vom volatilen Weltmarkt verringert werden.
- Bürokratischer Aufwand für kleinstrukturierte Betriebe darf nicht steigen.
Renewable Energy Directive (RED III)
Die Europäische Kommission will biogene Energieträger, die derzeit mit einem Anteil von ca. 60% den größten Beitrag im Portfolio der erneuerbaren Energien leisten, durch neue administrative Barrieren im Entwurf zur Renewable Energy Directive (RED) einschränken. Es wird dabei völlig ignoriert, dass sowohl in Bayern als auch in Österreich mehr Holzenergie bereitgestellt werden könnte, ohne Nachhaltigkeit oder Biodiversität in Frage zu stellen.
Die ambitionierten Energie- und Klimaziele der EU bis 2030 sind ohne die Biomasse nicht erreichbar.
In der Verhandlungsposition des Europäischen Parlaments konnte als Zwischenschritt die Anrechenbarkeit von Biomasse als erneuerbare Energie auf dem durchschnittlichen Nutzungsniveau von 2017-2022 verankert werden. Der weitere Ausbau des Einsatzes von Biomasse ist jedoch unklar.
Unsere Position zu den laufenden Trilog-Verhandlungen:
In der aktuellen Situation einer europaweiten Energie- und Klimakrise ist die Nutzung von heimisch erzeugter, nachhaltiger Bioenergie ein Gebot der Stunde. Diese regional verfügbare erneuerbare Energiequelle zur sicheren Energieversorgung der Bevölkerung muss weiter forciert werden und darf nicht ausgebremst werden. Nicht zuletzt sind der notwendige Waldumbau hin zu klimastabilen Wäldern und die Klimaschutzziele ohne nachhaltige Forstwirtschaft sowie die stoffliche und energetische Holzverwendung nicht zu erreichen. Die europäischen Institutionen haben sich auf einen Richtlinientext zu einigen, der die energetische Holznutzung absichert und deren weiteren Ausbau ermöglicht. Die energetische Nutzung von Waldholz muss uneingeschränkt als erneuerbare Energie eingestuft bleiben.
Nature Restoration Law (NRL)
Im Vorschlag der Kommission geht es darum, EU-weit rechtlich verbindliche Ziele für die Wiederherstellung der Natur in verschiedenen Ökosystemen festzulegen, um die Natur in der Europäischen Union bis zum Jahr 2050 in ihrer aus Sicht der Kommission ursprünglichen Form wieder herzustellen. Die Mitgliedsstaaten der EU müssten demnach einen Nationalen Wiederherstellungsplan erstellen, worin das Ausmaß der zu restaurierenden Flächen nach bestimmten Kriterien ersichtlich wird (zudem unter Berücksichtigung der Verluste der letzten 70 Jahre). Zielvorgabe ist der ökologische Zustand der 50er Jahre (!). Der Vorschlag negiert zudem, dass nachhaltig genutzter Wald eine deutlich höhere CO2-Bindung bedeutet als ungenutzter.
Unsere Position:
Diese Überlegungen stellen auch im Alpenraum einen radikalen Eingriff in die Landwirtschaft, in ihre Produktionsgrundlage und in die nachhaltige Waldbewirtschaftung dar. Sie stellen zudem einen massiven Eingriff in Eigentumsrechte dar. Wir positionieren uns klar dagegen und geben zu bedenken, dass die sozialen, ökologischen und ökonomischen Faktoren vor 70 Jahren andere waren als heute. Europäische Lösungen sollten sich am Zeitgeist orientieren und nicht versuchen einen aus der Zeit gefallenen Zustand mit massiven Folgen wieder zu errichten.
EU-Industrieemissions-Richtlinie (IED)
Die EU-Kommission hat einen Entwurf zur Novellierung der Industrieemissions-Richtlinie vorgelegt. Dabei sollen die Schwellenwerte der Tierhaltung abgesenkt und die Rinderhaltung neu mitaufgenommen werden. Betriebe, die dieser Richtlinie unterliegen, haben mit hohen Verwaltungs- und Betriebskosten zu rechnen. Wir bewerten die vorliegende Novelle als Pauschalangriff auf die Tierhaltung der diese in ihrer Existenz gefährdet.
Unsere Position:
Wir setzen uns dafür ein, dass es bei der Beibehaltung der derzeitigen RL bleibt und zu keinen weiteren Verschärfungen bei der Errichtung von Stallbauten sowie zu keiner Aufnahme von Rindern kommt. Nachdem die österreichische und die bayerische Landwirtschaft kleinstrukturiert ist, machen die Treibhausgas-Emissionen der Landwirtschaft nur einen kleinen Anteil der Gesamtemissionen aus. Im Unterschied zu anderen Sektoren konnten die Emissionen in den letzten Jahren gesenkt werden. Die Landwirtschaft darf somit nicht mit den großen Verursachern - Verkehr und Industrie - in einen Topf geworfen werden. Der Zielkonflikt zwischen mehr Tierwohl und Emissionsminderung muss in der Novelle thematisiert und darf nicht auf dem Rücken der Landwirtschaft ausgetragen werden.