Stand eadB
© BBV

Position: Stellung der Landwirtschaft in der Gesellschaft

Arbeitsgemeinschaft der Landjugend im Bayerischen Bauernverband

29.10.2015 | Landwirtschaft in der modernen Gesellschaft – Reden wir miteinander und nicht übereinander! Stellungnahme der Arbeitsgemeinschaft der Landjugend im Bayerischen Bauernverband.

„Die Agrarwirtschaft hat den Veränderungen des Mensch-Nutztier-Verhältnisses und daraus resultierenden Herausforderungen bis vor kurzem wenig Beachtung geschenkt bzw. wenig Möglichkeiten gesehen, hierauf zu reagieren. Sie steht deshalb vor erheblichen gesellschaftlichen Herausforderungen. Die Herstellung sicherer und preiswerter Produkte reicht allein nicht mehr aus, um den Erwartungen großer Teile der Gesellschaft gerecht zu werden.“ (Wege zu einer gesellschaftlich akzeptierten Nutztierhaltung, Gutachten des Wissenschaftlichen Beirats für Agrarpolitik beim Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft, März 2015: S.62)

Die Anforderungen an moderne landwirtschaftliche Unternehmen werden komplexer. Sie
erfordern auf der einen Seite unternehmerisches Geschick, auf der anderen Seite starke
Persönlichkeiten, die den steigenden Arbeitsbelastungen gewachsen sind und eigene
Bedürfnisse nicht aus den Augen verlieren. Zudem muss die Art und Weise der
landwirtschaftlichen Erzeugung einer zunehmend kritisch eingestellten Öffentlichkeit
erfolgreich vermittelt werden.

Die Hauptaufgabe der Landwirtschaft ist unverändert die nachhaltige Erzeugung gesunder Lebensmittel. Die globale Dimension dieser Aufgabe liegt in einer steigenden
Weltbevölkerung - bei gleichzeitig abnehmender Nutzfläche - und einem Rückgang der
Produzenten. Aufgrund des Strukturwandels und der Abwanderung aus ländlichen Räumen in Deutschland sind Arbeitskräfte für die Landwirtschaft und ihre vor- und nachgelagerten Bereiche schwerer zu gewinnen. Die Landwirtschaft muss sich in der modernen Gesellschaft zunehmend einer kritischen Auseinandersetzung stellen. Bei vielen Mitbürgern ist zudem eine erhebliche Ferne zur Landwirtschaft festzustellen.
 
Landwirtinnen und Landwirte empfinden die z.T. extremen Marktschwankungen und die
Vormachtstellung einzelner Marktakteure als belastend. Hinzu kommen Forderungen nach höheren Standards im Tier- und Umweltschutz, deren Mehrkosten vom Markt nicht
ausgeglichen werden. Neben den wirtschaftlichen und gesellschaftlichen
Herausforderungen dürfen Landwirtinnen und Landwirte die Fürsorge für ihre Familie und sich selbst nicht vergessen.
 
Landwirtschaftliche Betriebe, die tierische Lebensmittel erzeugen, stehen unter besonderer Beobachtung und Rechtfertigungsdruck gegenüber der Öffentlichkeit: Hier fokussieren sich veränderte gesellschaftliche Erwartungen an die Haltungsbedingungen der Tiere. Beispielsweise werden Nutztiere als Haustiere eingestuft, als Begleiter des Menschen. Diese Sichtweise zeigt sich auch in radikalen Haltungen einiger Tierschutz- bzw. Tierrechts-Verbände.
 
Auch bei Um- oder Neubauten von Ställen reicht es nicht mehr aus, den bestehenden hohen gesetzlichen Anforderungen zu entsprechen, um eine Zustimmung der Öffentlichkeit zu Bauvorhaben zu gewinnen. Betriebswirtschaftliche und produktionstechnische Voraussetzungen werden in Frage gestellt, landwirtschaftliche Investitionen sehen sich immer häufiger dem Widerstand der Bevölkerung ausgesetzt.
 
Hier ist ein kritischer Blick auf die Entwicklungen in der Landwirtschaft nötig: Es ist der Agrarbranche nicht gelungen, die Gesellschaft von der Sinnhaftigkeit technischer Neuerungen zu überzeugen. In der Werbung für Lebensmittel, in der landwirtschaftlichen Öffentlichkeitsarbeit, zum Teil auch in Politik und Medien, wird häufig mit romantischen Klischees gearbeitet, so dass die Diskrepanz zwischen landwirtschaftlicher Realität und gesellschaftlichen Erwartungen immer größer wird. Dabei wird technischer Fortschritt in vielen anderen Lebensbereichen nicht nur klaglos akzeptiert, sondern vielfach freudig begrüßt, da der individuelle Nutzen die Notwendigkeit der Neuerungen zu bedingen scheint.
 
Für Landwirte ist es schwierig, mit den aktuellen gesellschaftlichen Wünschen und der Kritik der Medien an der Nahrungsmittelproduktion und dem Berufsstand umzugehen. Die Agrarwirtschaft wird in Berichten im Internet und in der Presse oftmals kritisch dargestellt, insbesondere wenn es um Produktivitätssteigerung, Intensivierung und Technisierung geht. In einer Gesellschaft mit geringem Bezug zur Landwirtschaft kann die Wahrnehmung der Verbraucher einseitig beeinflusst werden. Eine unausgewogene Berichterstattung, die vorhandene Ängste bedient, leistet einen nicht unerheblichen Vorschub für Vorurteile und schadet dem Image der Landwirtschaft.

Die Arbeitsgemeinschaft der Landjugend im Bayerischen Bauernverband beobachtet die Auseinanderentwicklung der gesellschaftlichen Ansprüche an die landwirtschaftliche Erzeugung und Vermarktung und den notwendigen Rahmenbedingungen und der Realität auf den Betrieben mit Besorgnis.

Als Jugend- und Nachwuchsorganisation des bäuerlichen Berufsstandes liegt es uns besonders am Herzen, die aktuellen Herausforderungen im Umgang und der Kommunikation mit der Gesellschaft gemeinsam anzugehen. Für die Zukunft fordern wir eine faire und an Sachfragen orientierte Form des Dialoges, der zu konstruktiven Ergebnissen führt.
Die Arbeitsgemeinschaft der Landjugend richtet daher folgenden Appell an die Verantwortlichen aus Politik, Medien, Verbraucherschaft, Tierschutzverbänden, Berufsstand und Verbandswesen:

  • Die Agrarbranche muss sich stärker um Akzeptanz bemühen. Deshalb ist ein offener gesellschaftlicher Dialog unabdingbar. „Augen zu und durch“ ist keine sinnvolle Reaktion auf veränderte gesellschaftliche Anforderungen, eine Abschottung nützt niemandem. Die Erlangung und der Erhalt des laufenden Dialoges muss oberste Priorität haben! 

    Informationen müssen ausgetauscht werden, bloße Werbung wird nicht weiterhelfen. Wir brauchen einen gesellschaftlich breiten Dialog.   
     
  • Die Wahrnehmung und ein Verständnis der gesellschaftlichen Entwicklungen ist Grundvoraussetzung für konstruktive Diskussionen. Dabei ist es für alle Beteiligten notwendig die Anliegen der Gesprächspartner aktiv wahrzunehmen.
     
  • Die Nahrungsmittelproduktion ist Teil eines Wirtschaftskreislaufes, in dem auch der Verbraucher und seine Einstellung zu Preisen und Qualität von heimischen Lebensmitteln eine wichtige Rolle spielt! Alle Akteure in der Lebensmittelkette sind gefordert!
     
  • Landwirtschaft ist eine vielschichtige und anspruchsvolle Aufgabe. Deshalb ist es wichtig, Informationen aus objektiven Quellen zu nutzen bzw. diese dem Informationspool beizufügen, damit eine Aussprache auf Augenhöhe möglich wird!

Wir stehen für einen konstruktiven Dialog über die zukünftige Ausrichtung der
Landwirtschaft in Bayern!

Reden wir miteinander und nicht übereinander!
Andreas Deutinger
Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft der Landjugend