Schlagartige Erhöhung des Mindestlohns vermeiden
Position: Anpassungen bei der kurzfristigen Beschäftigung nötig
Die Präsidentenkonferenz des Bayerischen Bauernverbandes hat sich in ihrer Sitzung vom 10. Februar 2022 mit dem Entwurf eines Mindestlohnerhöhungsgesetzes auseinandergesetzt.
Die vorgesehene Erhöhung des gesetzlichen Mindestlohns auf 12 Euro zum 1. Oktober 2022 ist ein Eingriff in die Tarifautonomie und grundsätzlich abzulehnen. Das Eingreifen des Gesetzgebers schwächt die Sozialpartner und entwertet die Arbeit der Tarifkommission.
Landwirtschaftliche und gartenbauliche Betriebe mit personalintensiven Produktionen stehen bereits heute wegen im europäischen und außereuropäischen Ausland zu deutlich geringeren Mindestlöhnen erzeugter Ware unter enormen Wettbewerbsdruck. Der Handel dürfte gewiss nicht bereit sein, die mit der Mindestlohnerhöhung verbundenen steigenden Kosten für in Deutschland erzeugte Landesmittel den Landwirten zu bezahlen und auf die Lebensmittelpreise für die Verbraucher umzulegen. Der Wettbewerbsdruck für die Landwirte mit personalintensiven Kulturen wird durch die geplante Mindestlohnerhöhung auf 12 Euro noch einmal verschärft.
Die vergangenen Jahre seit Einführung des gesetzlichen Mindestlohns haben bereits gezeigt, dass besonders handarbeitsintensive Kulturen in Deutschland im Anbau abnehmen (z.B. Einlegegurken), da sie im Wettbewerb mit Importware nicht bestehen können. Ein überproportional steigender Mindestlohn wird diese Entwicklung verstärken und beschleunigen. Damit steht die geplante Mindestlohnerhöhung diametral im Gegensatz zu den weiteren Zielen der Bundesregierung und dem Wunsch der Verbraucher nach regional erzeugten Lebensmitteln. Zudem werden neben den Arbeitsplätzen für viele ausländische Helfer auch zahlreiche Arbeitsplätze deutscher Mitarbeiter in der Landwirtschaft sowie im vor- und nachgelagerten Bereich gefährdet.
Eine Anhebung des Mindestlohns per Gesetz zum 1. Oktober 2022 würde viele Betriebe in wirtschaftliche, zum Teil existenzielle Bedrängnis bringen. Aus diesem Grund ist es dringend geboten, die Erhöhung des Mindestlohns auf 12 Euro für die grüne Branche gesetzlich zu verschieben und die Anhebung stufenweise über einen längeren Zeitraum vorzunehmen, wobei der früheste Beginn der Anhebung zum 1. Januar 2023 erfolgen sollte.
Bereits bei Einführung des gesetzlichen Mindestlohns von 8,50 Euro zum 1. Januar 2015 konnten durch einen vorübergehenden geringeren Branchenmindestlohn, der über einen Zeitraum von drei Jahren an den gesetzlichen Mindestlohn herangeführt wurde, größere Verwerfungen verhindert werden. Dies gilt es auch bei der nun geplanten Erhöhung des Mindestlohns sicherzustellen.
Um die Erzeugung von regionalen Produkten wie insbesondere Obst und Gemüse in der bisherigen Vielfalt in Deutschland dauerhaft zu erhalten und eine weitere Zunahme klimaschädlicher Importe aus anderen Staaten zu vermeiden, müssen die Betriebe wettbewerbsfähig bleiben. Der Gesetzgeber muss Maßnahmen entwickeln, wie die zusätzlichen Kosten ausgeglichen werden können, z.B. durch Erhöhung der Bundesmittel für die Landwirtschaftliche Berufsgenossenschaft, steuerliche Entlastungen etc.
Zudem sollten vor dem Hintergrund des anhaltenden Corona-Infektionsgeschehens bewährte Pandemie-Maßnahmen bei der Beschäftigung weitergeführt werden. Um die Verfügbarkeit von Saisonarbeitskräften in den ersten beiden Pandemiejahren sicherzustellen und dadurch Produktions- und Lieferschwierigkeiten insbesondere für den Sonderkulturbereich zu vermeiden, waren die Zeitgrenzen für eine versicherungsfreie kurzfristige Beschäftigung vorübergehend und zeitlich befristet ausgeweitet worden. Durch diese Regelung konnten auch Personalwechsel reduziert und damit verbundene Infektionsgefahren reduziert werden, was dem Gesundheitsschutz der Saisonarbeitskräfte, aller in den Betrieben Tätigen und der gesamten Bevölkerung diente. Vor diesem Hintergrund sind die Zeitgrenzen für eine kurzfristige Beschäftigung auch im Jahr 2022 wiederum entsprechend auszuweiten.
Die Prüfung der neben der Einhaltung einer Zeitgrenze von drei Monaten bzw. 70 Arbeitstagen erforderlichen Voraussetzung der fehlenden Berufsmäßigkeit, vor allem beim Personenkreis der Hausfrauen und Hausmänner, erfordert in der Praxis bei Arbeitgebern und Prüfern der Deutschen Rentenversicherung einen deutlichen zeitlichen Aufwand, verursacht eine erhebliche Rechtsunsicherheit und birgt das Risiko von hohen Beitragsnachforderungen bei den Arbeitgebern. Deshalb sollte das Merkmal der fehlenden Berufsmäßigkeit durch eine einfach handhabbare Regelung, beispielsweise eine Entgeltgrenze in Anlehnung an bereits bestehende lohnsteuerrechtliche Grenzen, ergänzt werden.
Die Präsidentenkonferenz des Bayerischen Bauernverbandes fordert daher die Bundesregierung auf, die genannten Änderungen, wie eine stufenweise Anhebung des Mindestlohnes, flankierende Maßnahmen zum Ausgleich der zusätzlichen Kosten durch die Mindestlohnerhöhung und Änderungen bei der sozialversicherungsfreien kurzfristigen Beschäftigung, umgehend umzusetzen.