Wertschätzen statt Wegwerfen!
Position gegen Lebensmittelverschwendung
Dabei geht es nicht nur um die Verschwendung von Lebensmitteln, sondern auch um die für die Herstellung benötigten Ressourcen und Betriebsmittel wie zum Beispiel Saatgut, Dünger und Energie. Die Landfrauen im Bayerischen Bauernverband setzen sich aktiv gegen Lebensmittelverschwendung ein, weisen auf die Fakten hin und setzen sich mit Lösungen auseinander.
Im Juni 2022 wurden vom Statistischen Bundesamt für 2020 Lebensmittelabfälle im Umfang von 10,9 Mio. Tonnen an die EU-Kommission gemeldet.
Vom Acker bis zum Teller verteilen sich hierbei die Lebensmittelverluste wie folgt:
- 2 % in der landwirtschaftlichen Erzeugung (0,2 Mio. Tonnen),
- 15 % in der Verarbeitung (1,6 Mio. Tonnen),
- 7 % im Handel (0,8 Mio. Tonnen),
- 17 % in der Außer-Haus-Verpflegung (1,9 Mio. Tonnen) und
- 59 % in privaten Haushalten (6,5 Mio. Tonnen).
Im Bereich der landwirtschaftlichen Erzeugung können Lebensmittel z. B. durch falsche Lagerung, Schädlingsbefall, Unwetter oder durch sich kurzfristig verändernde Absatzmärkte verloren gehen.
Die zunehmende Digitalisierung in der Landwirtschaft trägt dazu bei, Lagertechnik und Logistik zu verbessern und ermöglicht es, Fehler bei der Lagerung nahezu auszuschließen. Der gezielte Einsatz von Pflanzenschutzmitteln hilft, Ernte- und Lagerverluste deutlich zu reduzieren. Nebenprodukte und Reststoffe bei der Verarbeitung von Getreide, Milch und Fleisch können als Futtermittel oder für die Erzeugung von Energie über Biogasanlagen sinnvoll verwertet werden.
Herausfordernd ist es für landwirtschaftliche Betriebe auch, wenn Absatzmärkte kurzfristig wegbrechen. Aktuell ersetzt der Handel teilweise seine regionalen Produkte durch billigere Importware, führt bei der Anlieferung insbesondere von Obst und Gemüse sehr strenge Waren-Eingangskontrollen durch oder setzt Erzeuger massiv unter Druck, ihre Ware zu Preisen abzugeben, die die Kosten der Erzeugung nicht decken, um seine Kunden zu halten. Erzeuger können ihre Produkte dann nicht wie geplant vermarkten. Auch dies trägt zur Lebensmittelverschwendung bei.
Durch Bildung und Aufklärung muss es deshalb gelingen, Verbraucherinnen und Verbraucher vom Mehrwert heimischer Produkte zu überzeugen. Durch regionale Vermarktung, wie den Verkauf ab Hof, auf Bauernmärkten oder über das Qualitäts- und Herkunftssicherungssystem „Geprüfte Qualität Bayern“ werden Wirtschaftskreisläufe in der Erzeugung und Verarbeitung unterstützt, die Wertschöpfung kann in der Region gesichert werden und die Erzeuger erhalten höhere Preise für ihre Produkte.
Dieses im Lebensmitteleinzelhandel gut etablierte Qualitäts- und Herkunftssicherungssystem sollte künftig auch Eingang in die Außer-Haus-Verpflegung finden, da sich damit die Wertschätzung für regionale Lebensmittel auch bei den Gästen von Kantinen, Mensen oder Restaurants steigern lässt.
Neben der fehlenden Wertschätzung von Lebensmitteln sind in der Außer-Haus-Verpflegung eine fehlerhafte Mengenplanung, überladene Buffets und zu große Portionsgrößen oftmals eine Ursache für Lebensmittelverschwendung.
Aus hygienischen Gründen dürfen Lebensmittelreste, die Kontakt zum Kunden hatten, wie z.B. an Selbstbedienungsbuffets, nicht weitergegeben werden und müssen entsorgt werden. Eine verbesserte Mengenplanung, bedarfsgerechtes Nachfüllen von Gerichten an Buffets sowie das Angebot kleiner Portionen evtl. mit der Möglichkeit eines „Nachschlags“ kann hier Abhilfe schaffen.
Aber auch die persönliche Haltung der Verpflegungseinrichtung und der Gäste, dass Gerichte „auch einmal aus sein dürfen“ und nicht zu jeder Zeit verfügbar sein müssen, wird langfristig dazu führen, dass weniger Lebensmittel weggeworfen werden.
Der größte Anteil an Lebensmitteln wird in privaten Haushalten (ca. 160 kg pro Haushalt und Jahr) verschwendet. Mangelnde Wertschätzung und fehlendes Wissen sind die Hauptgründe dafür. Hier können Landwirtinnen und Landwirte ansetzen. Bauernfamilien können durch ihre enge Verbindung zur Lebensmittelproduktion Vorbild für private Haushalte sein. Sie wissen genau, wie viel Arbeit und Ressourcen in der Lebensmittelerzeugung stecken. Dieses Wissen gilt es weiterzugeben.
Bei Aktionen wie „Frühstück auf dem Bauernhof“ oder „Tag des offenen Hofes“ sowie Projekten wie „Landfrauen machen Schule“ oder den Projektwochen „Schule fürs Leben“ bekommen Verbraucherinnen und Verbraucher einen stärkeren Bezug zur Herkunft ihrer Lebensmittel und lernen deren Wert besser schätzen. Landwirtinnen und Landwirte gehen in den aktiven Dialog mit Verbraucherinnen und Verbrauchern und vermitteln, dass regionale und saisonale landwirtschaftliche Produkte durch die kurzen Transportwege und die optimale Erntezeit ein hohes Maß an gesundheitsfördernden Inhaltsstoffen, Frische und damit eine hohe Qualität aufweisen und ein Genuss sind.
Auch das fehlende hauswirtschaftliche Wissen über Mengen- und Einkaufsplanung, die richtige Lagerung, die sinnvolle Vorratshaltung und die Resteverwertung ist oftmals ein Auslöser für den großen Anteil an weggeworfenen Lebensmitteln in Privathaushalten.
Dieses Wissen muss zukünftig noch stärker als bisher durch die Schule, durch Aufklärungskampagnen oder im Rahmen der Erwachsenenbildung vermittelt werden, da es in den Familien immer mehr verloren geht.
Überschüssige und noch genießbare Lebensmittel an soziale Einrichtungen, wie z. B. an die Tafeln weiterzugeben, ist ökologisch, ökonomisch und sozial sinnvoll. Dabei gelten soziale Einrichtungen, die z.B. vom Handel zur Verfügung gestellte Lebensmittel kostenlos oder gegen eine geringe Gebühr an ihre „Kunden“ abgeben, als Lebensmittelunternehmer. Damit sind sie für die Lebensmittelsicherheit, deren Dokumentation und Lebensmittelkennzeichnung verantwortlich.
Wenn noch verwertbare Lebensmittel aus Müllcontainern geholt werden (containern), ist das in Deutschland strafbar. Deshalb sollten legale Wege gefunden werden, damit noch genießbare Lebensmittel aus dem Handel und der Gastronomie an interessierte Menschen verteilt werden können.
Die BBV-Landfrauen fordern folgende Schritte, um der Lebensmittelverschwendung entgegenzuwirken:
- Der Einsatz und die passgenaue Dosierung von Pflanzenschutz- und Düngemitteln trägt zur Sicherung der Ernte bei und darf nicht pauschal verurteilt werden.
- Der Lebensmitteleinzelhandel muss seinen Beitrag zu mehr Wertschätzung regionaler Lebensmittel leisten.
- Stichprobenartige Lebensmittelkontrollen müssen stets mit Augenmaß durchgeführt und die Verwertung zurückgewiesener Ware im Blick behalten werden.
- Der Kontakt zwischen Handel und Gastronomie mit caritativen Einrichtungen, die überschüssige, aber noch genießbare Lebensmittel weitervermitteln, muss ausgebaut werden. Damit können auch Wege gefunden werden, um das illegale Containern zu unterbinden und Lebensmittel an interessierte Verbraucherinnen und Verbraucher abzugeben.
- Eine höhere Wertschätzung für (regionale) Lebensmittel in der Gesellschaft durch:
o eine veränderte Anspruchshaltung bezüglich der Verfügbarkeit von Lebensmitteln
o die Stärkung von Bedientheken und deren Einführung im Bereich Obst und Gemüse
o innovatives Restemanagement in Privat-, Großhaushalten und der Gastronomie, ggf. auch mit digitaler Unterstützung durch Apps.
o die Bereitstellung von staatlichen Finanzmitteln für den Erzeuger-Verbraucher-Dialog.
o den Ausbau des Qualitäts- und Herkunftssicherungssystems „Geprüfte Qualität Bayern“ in der Außer-Haus-Verpflegung. - Eine breit angelegte Vermittlung von hauswirtschaftlichem Wissen in der Schule und der Erwachsenenbildung bei entsprechender Bereitstellung von dafür geschulten Lehrkräften sowie Multiplikatorinnen und Multiplikatoren.
- Schulung bzw. Sensibilisierung von Personal in der Außer-Haus-Verpflegung hinsichtlich Mengenplanung, Buffetgestaltung und Portionsgrößen.