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Zukünftige Proteinversorgung

Position der Präsidentenkonferenz zu Eiweißquellen in der Ernährung

18.11.2024 | Proteine sind lebensnotwendige Nährstoffe in der menschlichen Ernährung. Global wird zukünftig ein Proteindefizit vorausgesagt. Vor diesem Hintergrund nimmt die Diskussion um technisch erzeugte Proteinquellen Fahrt auf. Eine Position des Bayerischen Bauernverbands zur Frage der zukünftigen Proteinversorgung:

Proteine sind lebensnotwendige Nährstoffe in der menschlichen Ernährung. Global gesehen wird zukünftig ein Proteindefizit vorausgesagt1. Vor dem Hintergrund nimmt die Diskussion um technisch erzeugte Proteinquellen in der Ernährung, in der Entwicklung neuartiger Lebensmittel und in der Forschung weltweit an Fahrt auf. Der Bayerische Bauernverband erkennt die Notwendigkeit der Sicherstellung der globalen Eiweißversorgung mit Blick auf eine wachsende Weltbevölkerung und die damit verbundene Forschung an neuartigen Lebensmitteln an. 

Eine ausreichende Eiweißversorgung soll vorrangig über eine weiterhin gute Verfügbarkeit von tierischem und pflanzlichem Eiweiß sowie - wo nicht verfügbar - ergänzend über technisch erzeugte Eiweißquellen sichergestellt werden. Zu den hochwertigen tierischen Eiweißquellen gehören Fleisch, Milch, Eier, Fisch und in anderen Erdteilen auch Insekten, anderweitig sind hochwertige pflanzliche Eiweißquellen Leguminosen, Getreide und auch Ölsaaten – alles am besten aus regionaler Erzeugung. Unter die technisch erzeugten Proteinquellen fallen Laborfleisch sowie weitere Quellen wie Mikro- und Makroalgen, Pilze, Bakterien und Hefen.

Der Landesfachausschuss Ernährung und Verbraucherfragen im Bayerischen Bauernverband hat sich mit dem Thema befasst und Grundlagen für die nachfolgende Stellungnahme erarbeitet. Die Mitglieder der Präsidentenkonferenz des Bayerischen Bauernverbandes bekennen sich zu folgenden Positionen:

Regionale Proteinversorgung sicherstellen

Die regionalen Wertschöpfungsketten müssen mit Blick auf die Ernährungssicherung gestärkt werden. Die Selbstversorgungsgrade bei Fleisch, Milch und Eiern sind in Bayern und Deutschland gut. Aus Sicht der regionalen Ernährungssicherung sollte die Proteinversorgung bestmöglich durch regional erzeugte pflanzliche und tierische Lebensmittel sichergestellt werden. Sie haben beim Transport einen geringeren Ressourcenverbrauch. 

Eiweißversorgung optimieren

Heimische Nutztiere ermöglichen die Verwertung von pflanzlicher Biomasse für den Menschen nutzbar zu machen. So kann mit den vorhandenen Nutzflächen ein Maximum an Nahrung erzeugt werden. Die hiesigen Gegebenheiten mit Kreislaufwirtschaft und Pflege der Kulturlandschaft durch Viehhaltung stellen ein nachhaltiges Ernährungssystem dar und müssen gestärkt werden. Gleichzeitig leistet dieses System einen Beitrag für die Ernährungssicherung. Der Anbau heimischer Proteinpflanzen ist als Ergänzung zu tierischen Lebensmitteln zu forcieren und durch weitere Forschung zu stärken.

Proteinqualität im Blick behalten

Tierische Lebensmittel sind wichtige Proteinquellen für den Körper. Sie liefern Eiweiß mit einer hohen biologischen Wertigkeit, sprich Verfügbarkeit für den Organismus und außerdem wichtige Mineralstoffe, Spurenelemente und Vitamine für eine gute Nährstoffversorgung von Jung bis Alt. Die positiven gesundheitlichen Aspekte tierischer Lebensmittel müssen bei Fachdiskussionen, politischen Entscheidungen und in der Verbraucherkommunikation herausgestellt werden.

Praktische Ernährungsbildung stärken

Essen aus Bayern steht für hohe Qualität, Vielfalt und Tradition, was die Verbraucherinnen und Verbraucher auch aufgrund ihrer Essgewohnheiten schätzen. Die Wahlfreiheit muss erhalten bleiben. Um Verbraucherinnen und Verbrauchern die Vielfalt an pflanzlichen und tierischen Lebensmitteln noch näher zu bringen, ist die praktische Ernährungsbildung und die Vermittlung von Küchentechniken zu stärken (z.B. bei der Zubereitung von bisher weniger nachgefragten Fleischstücken oder der Verarbeitung von Hülsenfrüchten).

Auf klare Kennzeichnung achten

Eindeutige Produktbezeichnungen, Transparenz der Herstellungsverfahren, der Ressourcenverbrauch und die Herkunft der Rohstoffe müssen bei neuartigen Lebensmitteln sichergestellt werden. Die Einführung eines Logos für technisch erzeugte Proteinquellen soll geprüft werden. Auch für Fleisch und Fleischprodukte sollte ein Bezeichnungsschutz auf nationaler Ebene eingeführt werden wie er für Milch und Milchprodukte 2017 vom Europäischen Gerichtshof festgeschrieben wurde.

Hintergrundinformationen zu verschiedenen Proteinquellen

Fleisch und Fleischerzeugnisse sowie Milch und Milchprodukte spielen bei unseren hiesigen Ernährungsgewohnheiten eine bedeutende Rolle. Die vegetarische und vegane Ernährungsweise und der Konsum von Milch- und Fleischalternativen sind laut der 3. Bayerischen Ernährungsstudie kein Ernährungstrend in Bayern. Es ernähren sich circa 5 % vegetarisch und 1 % wählt eine vegane Ernährungsweise. Der Verzehr von Milchalternativen liegt sowohl bei Frauen als auch bei Männer bei durchschnittlich 11 g pro Tag. Fleischalternativen spielen mit 3 g pro Tag (Frauen) bzw. 2 g pro Tag (Männer) keine große Rolle. Allerdings ist ein bewussterer Fleisch- und Wurstkonsum zu verzeichnen: Dieser hat in den letzten 20 Jahren um 30 % abgenommen und liegt derzeit bei 490 g pro Woche bei Frauen und bei knapp 800 g pro Woche bei Männern. Frauen und Männer konsumieren täglich Milch und Milchprodukte, die einer durchschnittlichen Menge von 467 ml bzw. 492 ml Milch entsprechen³.

Für Laborfleisch werden Stammzellen aus dem Muskelgewebe von Tieren entnommen, die sich in einer Nährlösung teilen, vermehren und zu Muskelzellen und dann zu Muskelfasern entwickeln. Im Produktionsprozess werden Wachstumshormone und Antibiotika eingesetzt, die in der Tierhaltung verboten bzw. seit Jahren eines Monitorings und einer Reduktionsstrategie unterliegen. Die benötigten Nährstoffe müssen aufwendig aus veganen Lebensmitteln hergestellt werden. Laborfleisch ist dadurch ein „Nahrungskonkurrent“ um vegane Lebensmittel. Technische Herausforderungen sind die Herstellung großer Zellmengen, die Optimierung serumfreier Kulturmedien auch mit Blick auf ethische Aspekte, die strukturähnliche Herstellung verschiedener Fleischteile oder auch die Zugabe weiterer Inhaltsstoffe wie Eisen oder Fett sowie die hohe Energiebilanz. Im Vergleich zur konventionellen Tierhaltung ist Laborfleisch keinesfalls umweltfreundlicher oder nachhaltiger.4,5,6,7 Wie es mit der Akzeptanz bei Verbraucherinnen und Verbrauchern und der Zeitspanne bis zur Marktreife des künstlichen Fleischs aussehen wird, ist derzeit nicht abschätzbar.

In Deutschland ist Laborfleisch bisher nicht zugelassen. Im Herbst 2023 stellte das Heidelberger Unternehmen The Cultivated B einen Antrag auf Zulassung eines zellkulturbasierten Lebensmittels bei der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA). Eine Entscheidung steht noch aus.8 Im Januar 2024 forderten Delegationen aus Österreich, Frankreich und Italien die Europäische Kommission auf, eine öffentliche Konsultation zu Fleisch aus dem Labor durchzuführen aufgrund von ethischen, sozialen und wirtschaftlichen Bedenken, Fragen zur Nachhaltigkeit, zur gesundheitlichen Unbedenklichkeit und zur Transparenz von Fleischersatz aus Zellkultur.7

In der EU sind bisher vier Insektenarten als neuartige Lebensmittel in unterschiedlicher Form von der EFSA zugelassen: Mehlkäfer, Wanderheuschrecke, Hausgrille, Buffalowurm. Weitere acht Anträge auf Marktzulassung liegen vor. Insekten als Lebensmittel sind derzeit in der EU eine kleine Marktnische. Die Welternährungsorganisation sieht Insekten als nahrhafte und gesunde Nahrungsquelle mit geringem Ressourcenverbrauch in der Produktion und damit als wichtiges Lebensmittel im 21. Jahrhundert. Insektenbasierte Proteine gelten auch im Forschungsprogramm der EU als einer der Schlüsselbereiche der Forschung.6,9 Es besteht Forschungsbedarf z.B. zu gesundheitlichen Aspekten, Hygiene und Krankheiten, Umweltfaktoren und Tierschutz.10 

Mikro- und Makroalgen sind reich an Protein, allerdings ist noch unklar, wie gut dieses vom Körper aufgenommen werden kann. Potential könnten auch Algen als nachwachsende Rohstoffe und Biomassequellen haben, denn mit Licht, CO2 und wenigen Nährstoffen lassen sich zahlreiche Inhaltsstoffe unter anderem Proteine produzieren. Um dieses Potenzial für die Landwirtschaft erschließen zu können, bedarf es weiteren Forschungs- und Förderbedarf. 6

Bei der Fermentation werden durch Mikroorganismen (Hefen, Bakterien oder Pilze) gewünschte Inhaltsstoffe wie Proteine hergestellt. 

Mithilfe von veränderten Mikroorganismen und pflanzlichen Nährstoffen können bei der Präzisionsfermentation Proteine (z. B. Milchprotein) produziert werden, die bisher nur von tierischen Lebewesen erzeugt werden konnten. Viele Ansätze der neuen technologischen Verfahren befinden sich in einem frühen Stadium. Außerdem besteht derzeit weder ein verlässlicher Rechtsrahmen für die Regulierung noch eine klare Produktbezeichnung auf EU-Ebene. Die Verbraucherakzeptanz ist fraglich. Im Rahmen des Arbeitsprogramms 2024 des Europäischen Innovationsrats hat die Europäische Union 50 Millionen Euro bereitgestellt, um Unternehmen bei der Skalierung innovativer Proteinproduktion mit einem Schwerpunkt Präzisionsfermentation zu unterstützen.6,11

Die Fermentation von Biomasse nutzt das schnelle Wachstum einiger proteinreicher Mikroorganismen. Innerhalb weniger Stunden können spezifische Organismen ihr Gewicht verdoppeln und große Mengen an Protein (über 50% in der Trockenmasse) wie zum Beispiel das Mykoprotein herstellen - allerdings unter hohem Energiebedarf.12,13  QuornTM – ein aus Mykoprotein (Pilzprotein) produziertes Lebensmittel – kam 1985 in England auf den Markt. 2012 wurde es in Deutschland eingeführt.6

Quellenverweise

[1] www.mri.bund.de/de/themen/alternative-proteinquellen/ Stand: 28.8.2024

[2] https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:62016CJ0422 Stand 19.9.2024

[3] https://www.kern.bayern.de/mam/cms03/wissenschaft/dateien/bayerische_ernährungsstudie.pdf sowie Präsentation der Ergebnisse Stand 21.10.2024

[4] https://landschafftwerte.de/interviews/keine-kokurrenz-zwischen-teller-und-trog/ Stand 23.10.2024

[5] file:///C:/Users/BV1139/Downloads/Plant-basedandcell-basedapproachestomeatproduction.pdf Stand: 19.09.2024

[6] www.kern.bayern.de/recherche/312473/index.php Stand: 28.8.2024

[7] www.bundestag.de/resource/blob/1003058/2571d7f671db0811dd52b3367709d7b3/WD-8-021-24-pdf.pdf Stand: 28.8.2024

[8] www.thecultivatedb.com/the-cultivated-b-initiated-pre-submission-process-towards-efsa-certification-for-cultivated-sausage/ Stand: 28.8.2024

[9] https://germany.representation.ec.europa.eu/insekten-lebensmitteln-die-fakten_de Stand: 28.8.2024

[10] https://www.verbraucherzentrale.de/wissen/lebensmittel/auswaehlen-zubereiten-aufbewahren/insekten-essen-eine-alternative-zu-herkoemmlichem-fleisch-33101 Stand: 23.10.2024

[11] www.bve-online.de/themen/nachhaltigkeit/nachhaltigkeit-uebersichtsseite/praezisionsfermentation-ein-neues-standbein-der-ernaehrungswirtschaft Stand: 28.8.2024

[12] file:///C:/Users/BV1139/Downloads/Plant-basedandcell-basedapproachestomeatproduction.pdf Stand: 19.09.2024

[13] https://www.eufic.org/de/lebensmittelproduktion/artikel/fuenf-alternative-proteinquellen-die-in-europa-immer-beliebter-werden/ Stand: 28.8.2024