"Eingriff ins Eigentum und Planwirtschaft"
Interview BBV-Bezirkspräsident Stefan Köhler
Unterfrankens Bezirkspräsident Stefan Köhler erklärt warum
Die zweiwöchige Einschreibungsfrist für das Volksbegehren Artenschutz läuft - und der heftigste Gegenwindkommt vom Bayerischen Bauernverband (BBV). Besonders in der Kritik: die geforderten Mindestflächen für den ökologischen Anbau. Die Schlagworte des Volksbegehrens seien so plakativ und positiv formuliert, dass jeder dafür sein müsse - auch alle Landwirte. Schaue man den Gesetzentwurf aber genau an, kämen zahlreiche Probleme ans Licht, so der BBV. Stefan Köhler, der Bezirkspräsident Unterfranken im BBV, erklärt, warum er gegen das Volksbegehren ist. Der 51-Jährige ist studierter Agrarwirt und betreibt in Aschaffenburg einen Betrieb für Mutterkuhhaltung.
Herr Köhler, aus Sicht der Landwirte: Wie groß ist das Problem des Artensterbens? Und braucht es (besseren) Artenschutz?
Stefan Köhler: Ihr Interview mit Professor Jörg Müller hat die Komplexität des Themas Veränderung der Arten gut aufgezeigt. Die Art und das Ausmaß der Veränderung der Arten sollte vertieft wissenschaftlich untersucht werden. Die Jahreszeiten haben sich in den letzten hundert Jahren massiv verschoben, Deutschland hat sich nach dem Zweiten Weltkrieg sehr stark entwickelt, mit Siedlungsbau, Gewerbe, Straßen. Es sind nicht nur Arten verloren gegangen, nicht nur die Populationsdichte hat abgenommen. Sondern es sind auch neue Arten dazu gekommen. Das ist teils erfreulich wie bei der Wiesenweihe, die Kirschessigfliege ist aber beispielsweise für alle Obst- und Weinbauern ein Risiko.
Die Initiatoren sagen, die Ziele des Volksbegehrens werden nur gemeinsam mit den Bauern erreicht. Es geht bei dem Volksbegehren auch um die Zukunft der Bauern. Warum haben Sie trotzdem etwas dagegen?
Köhler: Wenn es um die Bauern geht, hätte man vor Einreichung des Volksbegehrens über die Ziele und Wege reden können. Aber ständig der Schuldige zu sein und sich nur bevormunden zu lassen, haben unsere Bauern satt. Warum haben die Initiatoren ausschließlich Maßnahmen, außer Lichtverschmutzung, nur gegen die Landwirt gerichtet? Wir kooperieren vor Ort mit verschiedenen Naturschutzverbänden zusammen. Zum Beispiel wurde in Unterfranken die Wiesenweihe als größte Population Mitteleuropas etabliert. Und wir arbeiten mit Behörden und Bund Naturschutz an blühenden Alternativen zur Verwertung in Biogasanlagen. Dennoch machen diese Verbände beim Volksbegehren mit. Das ist den Landwirten kaum mehr vermittelbar.
Kommt ein Artenschutzgesetz, wird es wird von der Staatsregierung neue Förderprogramme, Ausgleichszahlungen und neue Verkehrswege geben müssen. Das ist doch in Ihrem Sinne, oder?
Köhler: In aller Regel wird Förderrecht durch Verpflichtung per Gesetz ausgehebelt. Wir haben gemeinsam mit Naturschutzverbänden für mehr Mittel im Bayerischen Staatshaushalt, für mehr Kulturlandschaftsprogramm (Kulap) und mehr Vertragsnaturschutz (VNP) gekämpft - und das wird wieder kaputt gemacht.
Beim Volksbegehren geht es beispielsweise um Blühwiesen. Was spricht dagegen, dass auf zehn Prozent des Grünlandes erst nach dem 15. Juni gemäht wird?
Köhler: Heute schon werden viele Grünlandflächen über den Vertragsnaturschutz später gemäht. Eine gesetzliche Vorgabe schließt künftig die Förderung über Umweltprogramme aus. Zudem haben wir einen klassischen Zielkonflikt: vom Grünland kommt gutes heimisches Gentechnik-freies Grund- und Eiweißfutter für die Kühe. Die späte Mahd ist energieärmer und enthält wesentlich weniger Eiweiß. Sollen wir dann wieder mehr Eiweiß importieren?
Brauchen Landwirte nicht gerade auch Artenvielfalt? Wenn man an die Bestäubungsleistung der Insekten
denkt . . .
Köhler: Für Bestäubung brauchen wir selbstverständlich Insekten, insbesondere im Obstbau, aber auch bei Raps und anderen blühenden Ackerfrüchten. 80.000 von 100.000 Arten Deutschland sind in Bayern daheim. Jeder Landwirt freut sich über Biodiversität.
Beharren Sie auf Freiwilligkeit beim Naturschutz?
Köhler: Ja, alles andere ist Eingriff ins Eigentum und Planwirtschaft.
Das Volksbegehren soll doch für einen gesetzlichen Rahmen sorgen, von dem auch die Landwirtschaft profitiert. Es sei gerade für kleine und mittelgroße Betriebe eine Chance, so zumindest die Initiatoren. Was spricht dagegen?
Köhler: Das Volksbegehren legt nur Auflagen fest, die letztlich alle Betriebe unabhängig von der Größe treffen. Es finden sich keine Regelungen zum finanziellen Ausgleich und wie gesagt gesetzliche Verpflichtung verhindert die weitere Förderung mit öffentlichen Geldern.
Was sind Ihre Hauptargumente gegen die geforderten Gesetzesänderungen?
Köhler: Artenschutz geht alle an. Es ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Deswegen verbieten wir aber nicht den Urlaubsflug, auch wenn man im Flieger seinen Öko-Tomatensaft trinkt. Mögliche Maßnahmen müssen allen Ursachen begegnen, dafür braucht es eine wissenschaftliche Basis. Nur die Landwirtschaft einzuschränken, greift zu kurz, Kooperation statt Ordnungsrecht demotiviert die Landwirte, statt sie zu überzeugen und mitzunehmen.
Der Bauernverband sagt, es geht um die Existenz. Warum wären viele Betriebe gefährdet? Wie viele bei uns wären wirklich betroffen?
Köhler: Wir sprechen nicht von Existenzgefährdung, aber von unangemessenen Eingriffen ins Eigentum und damit verbunden auch wirtschaftlichen Nachteilen, und zwar für Bewirtschafter und Grundeigentümer.
Was wären für die Bauern die Hauptprobleme, wenn das Naturschutzgesetz geändert wird?
Köhler: Die vorgeschlagenen Eingriffe ins Eigentum schränken die Entscheidungsfreiheit über die eigene Fläche für die Landwirte und Grundeigentümer erheblich ein, sie riskieren den Wegfall von Förderung und die Störung des Marktes für Ökoprodukte, außer das Volksbegehren schreibt auch noch eine Einkaufsverpflichtung für Ökoprodukte im gleichen Umfang vor.
Meinen Sie wirklich, dass die Ausweitung der Ökolandwirtschaft den Markt „überschwemmen“ würden. Kann es „zu viel Bio“ geben?
Köhler: Der BBV unterstützt ein organisches Wachsen des Ökomarktes, sprich ein Wachsen mit der Nachfrage. Das ist in den letzten zehn Jahren passiert und führte zu mehr als einer Verdoppelung der Betriebe und Fläche in Unterfranken. Mit 42.000 Hektar sind schon mehr als zehn Prozent ökologisch bewirtschaftet. Dann wäre Angebot und Nachfrage auch zukünftig ausgeglichen und es würden keine Preisverwerfungen eintreten. Ein wesentliches Produkt ist derzeit Milch, und da ist der Absatz aktuell schon begrenzt.
Zum Kern: Was leisten Bauern jetzt schon für Artenschutz?
Köhler: Sie nehmen mit über 40 Prozent der Fläche am Kulturlandschaftsprogramm KuLap und am Bayerischen Vertragsnaturschutzprogramm VNP, die dem Artenschutz dienen, teil. Sie bewirtschaften bis zu fünf Prozent der Ackerfläche als ökologische Vorrangfläche, davon ein großer Anteil als Brache, Blühflächen und oder mit Zwischenfrüchten. Seit 2011 machen wir mit Saatgutfirmen und Imkern zusammen die „Blühenden Rahmen“ schwerpunktmäßig um Maisfelder. Dafür haben wir den Europäischen Bienenpreis erhalten.
Was ist Ihr Wunsch, Ihr Vorschlag für den Artenschutz?
Köhler: Alle gesellschaftlichen Gruppen ziehen an einem Strang, jeder trägt seinen Teil bei und fordert nicht nur wie jetzt von der Landwirtschaft ein. Der Landwirt nutzt die gemeinsam weiterentwickeltenAgrarumweltmaßnahmen und kann sie sinnvoll in seinem Betrieb integrieren ohne Einkommen zu verlieren.