Schaufenster
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Schaufenster in Geisenhausen

14.07.2021 | Mit dem Schaufenster am Marktplatz in Geisenhausen will der Bayerische Bauernverband die Öffentlichkeit auf die Probleme der Landwirtschaft aufmerksam machen.

75 Jahre alt wurde der Bayerische Bauernverband (BBV) im Jahr 2020 also hätte er sein 75-jähriges Jubiläum feiern können. Im Ortsverband Geisenhausen sind von 131 Höfen immerhin 109 landwirtschaftliche Betriebe Mitglied beim BBV. Im Gespräch mit Kreisbäuerin Angelika Graf und Ortsobmann Andreas Strasser sollen die Aufgaben des Verbands deutlich gemacht werden.

 

Anlass des Gesprächs ist das dekorierte Schaufenster in der ehemaligen Mariahilf-Apotheke am Marktplatz, mit dem sich der BBV der Öffentlichkeit vorstellen möchte. Dort ist ein altes Dokument aus dem Jahr 1945 zu sehen, dem Gründungsjahr des Verbands, nämlich die „Proklamation an das bayerische Landvolk.“ Kurz nach den Schrecken des Zweiten Weltkriegs beginnt sie mit den Worten: „Die nationalsozialistische Herrschaft ist zu Ende. Wir sind durch Lüge und Terror, durch ein Meer von Blut und Tränen hindurch gegangen.“

Nach einer ausführlich begründeten Trennung vom Nationalsozialismus hatte sich am 7. September 1945 der BBV mit diesen Sätzen gegründet: „Einig und geschlossen wollen wir im Landvolk an die Arbeit gehen. … Der neu gegründete Bayerische Bauernverband umfasst das ganze Landvolk ohne Unterschied der Religion und Rasse und ohne Unterschied ihrer Arbeit im Einzelnen.“ Weiter werden Bauern, Dienstboten und Landarbeiter aufgefordert, dem Verband beizutreten. Ziel sei es, dass der Bauer wieder ein freier Mensch auf eigener Scholle werde.

 

Heute, 75 Jahre später, unterscheidet sich der BBV vom kürzlich in der Vilsbiburger Zeitung vorgestellten Christlichen Bauernverein in seinen Aufgaben, wie Graf und Strasser hervorhoben: Der Verband sei Interessensvertreter der Landwirtschaft im politischen und wirtschaftlichen Bereich. Man wolle zusammenhelfen, die Schlagkraft erhöhen und „hart, aber fair und sachlich“ an die große Politik herangehen. „Miteinander, füreinander und für den Erfolg der landwirtschaftlichen Betriebe“ seien die Bestrebungen des BBV. Deshalb würden auch die meisten Eigentümer von Bauernhöfen die Mitgliedschaft beantragen.

Je nach Betriebsgröße müssen sie dafür ihren Beitrag entrichten, erhalten aber Beratung in Rechtsfragen, bei sozialen Problemen und bei fachlichen Fragen der Landwirtschaft. Feldführungen und Betriebsbesichtigungen seien dabei unterstützende Elemente. Als wichtiges Standbein des BBV benannten die beiden Gesprächspartner die Öffentlichkeitsarbeit. So werde beispielsweise bei einem Tag des offenen Hofs der Bevölkerung gezeigt, wie Lebensmittel hergestellt werden, „denn wir haben nichts zu verbergen“, wie Graf betont. In diesem Sinne wird auch mit Schulklassen erfolgreich gearbeitet.

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Importiertes Fleisch fragwürdig

Bevor sich das Gespräch um die Entwicklung der Landwirtschaft drehte, betonten Graf und Strasser, sie wollten auf keinen Fall jammern und klagen. Aufgabe des BBV sei es vielmehr, Probleme zu lösen und die jungen Landwirte zu unterstützen, die leidenschaftlich für ihren Beruf eintreten. „Die Betriebe werden immer weniger, der Viehbestand reduziert sich, denn die Auflagen und Vorschriften werden immer mehr“, mit dieser kurzen Feststellung skizzieren sie die Problematik der Landwirtschaft. Die Bevölkerung erwarte einerseits Lebensmittel auf höchstem Niveau, kaufe aber häufig möglichst billig, denn „für den Urlaub wird mehr Geld ausgegeben.“ So zitiert Strasser aus einer deutschlandweiten Umfrage: 38 Prozent der Menschen wollten ökologische Landwirtschaft, doch nur sechs Prozent von ihnen würden entsprechend einkaufen. Der Preis an der Supermarktkasse sei für viele Verbraucher letztlich entscheidend.

 

Wer aber regional Fleisch einkaufen wolle, müsse zum hiesigen Metzger gehen oder am Supermarkt genau die Verpackung lesen. Die 3-D-Regelung solle beachtet werden: geboren in Deutschland, gemästet in Deutschland, geschlachtet in Deutschland. Während bei uns der Tierwohl-Standard immer höher gesetzt werde, frage beim importierten Fleisch niemand nach den Haltungsbedingungen. Und hier ist aus Sicht der Landwirte einiges unklar. Bei den Milchkühen soll die Anbinde-Haltung beendet werden. Doch sagen Graf und Strasser: „Ein Stallplatz für eine Kuh kostet aktuell mit den Anforderungen für mehr Tierwohl bis zu 15.000 Euro.“ Ähnlich sei es bei der Bullenmast. „Der Stallplatz pro Kalb oder Bulle liegt bei etwa 4000 Euro.“ Während von der Bauernschaft immer nur gefordert werde, müsse der Landwirt in finanzielle Vorleistung für die Umbaumaßnahmen gehen. Doch schon wenig später sei die nächste gesetzliche Änderung vorprogrammiert. Dies könne der einzelne Bauer nicht leisten. Ziel des BBV seien aber gut situierte Familienbetriebe, die von ihrem Einkommen leben könnten.

 

Am Schluss des Gesprächs ging es um einen Supermarkt-Riesen, der aktuell damit wirbt, die anspruchsvollere Haltungsform drei und vier für Tiere erreichen zu wollen. Man müsse genauer hinschauen, sagen Graf und Strasser: Das Hinweissternchen weise auf das Kleingedruckte hin. Dort heißt es, die Forderung nach „tiergerechter Haltungsform“ bezieht sich nur auf Frischfleisch. Bei verarbeiteten Fleischprodukten jedoch könne aus Sicht der beiden Gesprächspartner getrickst und auf Importe mit weniger strengen Auflagen zurückgegriffen werden.

Von Peter Köppen

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