Der Frust der Landwirte ist groß
Podiumsdiskussion mit den Abgeordneten
Statement der Politiker
Emmi Zeulner, die seit 2013 im Bundestag sitzt und für die CSU wieder ins Rennen geht, betont in der Vorstellungsrunde, dass sie „als Kind des ländlichen Raums der Landwirtschaft verbunden“ sei, sprach verschiedene Ansatzmöglichkeiten zur Unterstützung und zur künftigen Ausrichtung der Branche an, für die sie sich als Abgeordnete einsetzen will, ebenso betreffend Bauvorhaben von Landwirten. So bedürften die Genehmigungsprozesse bei Güllebauprojekten dringend einer Vereinfachung.
Der Kulmbacher Dr. Martin Pfeiffer hob als Direktkandidat von Bündnis90/Die Grünen das seitens seiner Partei zentrale Ziel hervor, die Erderwärmung zur vorindustriellen Zeit auf 1,5 Grad zu begrenzen und unterstrich dabei, dass dieses Thema auch an diesem Abend Relevanz besitze: „Wir dürfen nicht so weiterwurschteln wie bisher, sonst geht es den Bach runter – und darunter leidet dann auch die Landwirtschaft“. Man müsse noch mehr den Fokus auf Qualität setzen und von der Ausrichtung auf die Menge wegkommen, so Pfeiffer.
Theo Taubmann - der gelernte Finanzfachwirt vertritt den Wahlkreis im September für die AfD - sprach von einem seit 20 Jahren zu beobachtenden „Kapitalentzug zu Lasten der Landwirtschaft.“ Er plädierte außerdem für eine Renationalisierung der Landwirtschaftspolitik und will auf politischem Wege auch dazu beitragen, dem Negativ-Marketing entgegen zu wirken, dem laut Taubmann die Landwirte seit geraumer Zeit ausgesetzt seien.
„Der Fleischpreis ist teilweise geringer als Hundefutter. Das ist doch eine Katastrophe“, sagte Claus Erhardt, der Kandidat der FDP. Er wolle „neuen Wind reinbringen“, sprach sich für eine Reduzierung des Fleischangebots aus, war sich aber auch bewusst, dass das nicht von heute auf morgen geschehen kann: „Das ist natürlich eine Aufgabe über Generationen“.
Tierschutz gehe ihm über alles, aber man müsse alles differenziert betrachten, hält SPD-Kandidat Simon Moritz aus Kulmbach Schwarzweiß-Denken für fehl am Platz. Die bürokratische Ebene werde nach seiner Auffassung zu wenig nach Betriebsgröße differenziert. Es herrsche derzeit „ein Missverhältnis der Förderung von kleinen und großen landwirtschaftlichen Betrieben“, so Moritz.
Da er selbst auf dem Dorf aufgewachsen sei, läge ihm die Landwirtschaft am Herzen, fand Jochen Bergmann als Direktkandidat der Freien Wähler – wie freilich auch die übrigen Kandidaten – Worte der Wertschätzung und des Respekts angesichts der Leistung und gesellschaftlichen Bedeutung der Landwirte. Die derzeitige EU-Politik sei ihm ein „Dorn im Auge“, in die dort beschlossenen Regularien passe die Landwirtschaft gar nicht mehr rein. „Die Hälfte des Tages verbringen die Bauern mit Papierkram, hier muss entschlackt werden“.
Anliegen der Landwirte
Am Thema Bürokratieabbau kam man in der von BBV-Kreisobmann Michael Bienlein engagiert, aber sachbetont moderierten Veranstaltung freilich nicht vorbei. „Da ist es kein Wunder, wenn mancher die Segel streicht“, meinte in einer Wortmeldung ein 45 Milchkühe haltender Landwirt aus dem Bärental bei Weismain. Rund 30 Gäste, darunter viele Landwirte, hatten die Gelegenheit genutzt, um per vorheriger Anmeldung der Podiumsdiskussion beizuwohnen und ihre Erfahrungen und Einschätzungen zu schildern.
Den Landwirten fehlt die Planungssicherheit
Viele Landwirte bemängeln auch die durch bürokratische Hürden und Auflagen nicht geringer werdende Perspektivlosigkeit. „Es muss wieder mehr Planungssicherheit hergestellt werden“, findet Bergmann. Ein Landwirt habe im Gespräch mit ihm gemeint, dass es ihm nichts bringe, etwas auf 30 Jahre festzuzurren, wenn er noch nicht einmal weiß, wo er in vier Jahren steht.
Einige Landwirte gewährten einen aufschlussreichen Einblick in ihre tägliche Arbeitswelt, so etwa der Schweinebauer Thomas Quinger aus Zilgendorf, der einen Ferkelaufzuchtbetrieb betreibt. Von der PC-gesteuerten Fütterung mit selbst zusammengestelltem Futter bis hin zu Tierarztbesuchen zwecks Schweinepest-Vorbeugung – wieviel da arbeitstechnisch dranhängt, wurde bei Schilderung wie dieser offenbar. Das Geschehen auf dem Markt bestimmten die Supermärkte und die Großschlächter, schätzte Quinger die derzeitige Situation kritisch ein. „Die Politik müsste hier den Rahmen vorgeben, tut sie aber nicht“.
Die Direktkandidaten mussten sich an diesem Montagabend einiges an Unmutsbekundungen anhören. „Wir haben Politiker, die nicht weiter denken als ein DIN-A4-Blatt“ - dieser Zuruf eines Gastes spiegelte die allgemeine Unzufriedenheit wider. Aber auch ganz konkret wurden getroffene Maßnahmen und Beschlüsse kritisiert, die – so der Grundtenor im Publikum – den Landwirten das Leben schwerer machen statt erleichtern. Ackerbaulandwirt Jochen Finkel ließ kein gutes Haar an der neuen Düngeverordnung, gemäß derer die Düngemenge auf den nitratsensiblen „roten Gebieten“ 20 Prozent unter dem durchschnittlichen Düngebedarf zu liegen hat. Das sei auf Dauer kontraproduktiv, so Finkel, der einen bildhaften Vergleich wählte: „Das wäre in etwa so, wenn Sie, Frau Zeulner, bisher 1800 Kalorien zu sich nahmen und ab sofort sind es nur noch 1600 – mal sehen, wie lange Sie das aushalten.“
Gut ausgebildet seien die Landwirte in der Tat, betonte Rudi Steuer vom Verband für landwirtschaftliche Fachbildung. Dennoch bekommt freilich auch er die verzwickte Lage mit. „Wenn die Leute von der Schule kommen, sagen sie: Vater, ich kann keinen neuen Stall bauen, das rechnet sich nicht.“ Hierüber müsse sich, so Steuer, die Politik Gedanken machen.
Das Themen Tierwohl und die unterschiedlichen unternehmerischen Sicht- beziehungsweise Herangehensweisen konventionell versus ökologisch kamen ebenso aufs Tableau. Die Kantinen dürften nicht länger auf Kosten der Fleischqualität „durchkalkuliert werden bis auf den letzten Cent“, nannte Pfeiffer von den Grünen ein Beispiel.
Konsumenten und Landwirte nicht gegeneinander ausspielen
Konkurrenz aus dem Ausland durch zu billigen Transport, Ernährungsberatung in Schulen, die so wichtige Digitalisierung – kein Brennpunkt wurde an diesem Abend ausgelassen. Vor allem wurde aber klar, was in den kommenden Jahren am Entscheidendsten ist: Dass Konsumenten und Landwirte nicht gegeneinander ausgespielt werden, sondern im Dialog bleiben, sich zuhören und die Politik das ihre dazu beiträgt, dass Landwirtschaft wieder Freude bereitet.
Quelle: Obermaintagblatt, 16.07.2021, Seite 3, "Der Frust der Landwirte ist groß"