MdB Bernd Rützel
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Bauernverband führt einen Parteiencheck durch

Im Gespräch mit dem Bundestagsabgeordneten Bernd Rützel (SPD)

15.07.2021 | Landwirte wollen vor den Bundestagswahlen wissen welche Parteien Zukunftskonzepte bieten

Antworten auf unsere 5 von der Kreisvorstandschaft ausgearbeiteten Fragen

  1. In Deutschland sind die Lebensmittel-, Tier- und Umweltstandards am höchsten. Wie wollen Sie sicherstellen, dass die eingeführten Lebensmittel auch diesen hohen Standards entsprechen?

    Dass die Standards bei uns in Deutschland und in ganz Europa am höchsten sind und diese auch erbracht werden, ist doch zu allererst einmal eine klasse Sache. Darauf kann jede Landwirtin und jeder Landwirt stolz sein. Und auch für die Verbraucher ist es ein klares und deutliches Zeichen, zumal gerade die gesellschaftlichen Forderungen vermehrt in diese Richtung gehen.
    Der gemeinsame Binnenmarkt in Europa und die Gemeinsame Agrarpolitik in Europa (GAP) sind Dreh- und Angelpunkt für einheitliche Standards und die vergleichsweise hohen Anforderungen in der Europäischen Union (EU), die viele Importländer nicht haben. Um diese auszugleichen, leisten die so genannten Direktzahlungen aus der Gemeinsamen Agrarpolitik in Europa (GAP) einen wesentlichen Beitrag.
    Was Einfuhren aus Drittländern angeht, müssten meines Erachtens nach in EU-Handelsabkommen mit den betreffenden Regionen und Staaten die Achtung und Erfüllung gleich hoher Tier- und Umweltstand-Standards festgehalten sein oder festgehalten werden. Konkret auf die Lebensmittelsicherheit von landwirtschaftlichen Produkten bezogen, müssen Einfuhren (z. B. Fleisch) aus Drittländern derweil schon seit geraumer Zeit den gleichen Standards genügen und werden den gleichen Prüfungen unterzogen wie in der EU hergestellte Lebensmittel.

  2. Regionale Landwirtschaft hat den Vorteil kürzerer Lieferketten, Wertschöpfung, Nutzung und Pflege der Natur. Mit der Bewirtschaftung der Felder / Tierhaltung müssen auch negative Auswirkungen (z. B. Methangas- oder Ammoniakemissionen) in Kauf genommen werden. Wünschen Sie sich noch eine regionale Landwirtschaft / Tierhaltung?

    Absolut. Als SPD-Bundestagsfraktion haben wir uns übrigens auch erst Ende vergangenen Jahres eindeutig für eine stärker regionalisierte Landwirtschaft ausgesprochen und dies auch in einem Positionspapier und Fraktionsbeschluss festgehalten.
    In der Frage sind schon einige Vorteile vorweggenommen: Wertschöpfung vor Ort, kürzere und dadurch stabilere Lieferketten, Nutzung und Pflege der Natur. Hinzu kommt, dass die Corona-Pandemie – genauso wie zuvor schon global grassierende Tierseuchen, wie BSE, Vogelgrippe H5N1 oder die afrikanische Schweinepest – gezeigt hat, wie störungsanfällig unser globalisiertes Agrarsystem ist und dass es oftmals selbst für Störungen verantwortlich ist. Eine Übernutzung natürlicher Ressourcen, unzureichende Achtung und Einhaltung sozialer Standards und die Verstärkung des Klimawandels sind weitere negative Einflüsse dieses Systems.
    Und auch die Verbraucher legen ja vermehrt Wert auf regionale Herkunft, auf umweltfreundlich, tierwohl-gerecht und sozial verantwortbar hergestellte gesunde Lebensmittel von hoher Qualität.
    Deshalb ein klares Ja zu einer stärker regionalisierten Landwirtschaft, auch wenn damit nicht alle Probleme auf einen Schlag gelöst sind. Ich denke aber, dass wir vieles regional besser unter Kontrolle bekommen können, wie wir auch am Beispiel der schlecht bezahlten Werkvertragsarbeitnehmer*innen in den Schlachthöfen gesehen haben.
    Eine stärkere Regionalisierung der Wertschöpfungsketten muss aber auch politisch gewollt, begleitet und finanziell unterstützt werden. Das gelingt nur in einem großen gemeinsamen Kraftakt. Denn sind regionale Strukturen erst einmal ab- oder zurückgebaut, ist es nur sehr schwer sie wieder aufzubauen.
    Gleichzeitig brauchen wir zudem einen guten und vor allem praktikablen Ausgleich zwischen den Interessen von Anwohnern und Landwirten: Immissionen und landwirtschaftliche Geräusche und Gerüche sind häufig Streitpunkte.

  3. Im Rahmen der Gemeinsamen Agrarpolitik in Europa (GAP) wird ein Ausgleich zwischen dem Produktionsaufwand in Europa und den unter deutlich günstigeren Bedingungen produzierten Lebensmittel aus dem außereuropäischen Ausland geschaffen. Wie stehen Sie zu diesen Zahlungen und welche Anpassungen halten Sie für nötig?

    Ursprüngliches Ziel der GAP-Zahlungen war bei Gründung in der Nachkriegszeit, die Menschen mit genügend Nahrungsmitteln zu angemessenen Preisen zu versorgen. Daher sollten die Produktivität in der Landwirtschaft gefördert, die Märkte stabilisiert und der landwirtschaftlichen Bevölkerung eine angemessene Lebenshaltung gesichert werden.  Das gilt auch heute noch und wurde im Laufe der Jahre ergänzt um das Ziel, die höheren gesellschaftlich geforderten Anforderungen in Sachen Klima-, Umwelt- und Tierschutz finanziell auszugleichen. Die Zahlungen entgelten also gesellschaftliche Leistungen der Landwirtschaft, die nicht über den Markt entgolten werden. Insofern sind die Zahlungen richtig und wichtig.
    Erst vor wenigen Wochen wurden die Rahmenbedingungen der künftigen EU-Agrarpolitik neu festgelegt – inklusive der Verteilung der Gelder. Insgesamt sprechen wir von 387 Milliarden Euro für die kommenden sieben Jahre – für Deutschland wird es wohl wieder um die 6 Milliarden Euro jährlich.
    Der Kompromiss sieht vor, dass Umwelt- und Klimaleistungen der Landwirtschaft in der neuen Förderperiode ab 2023 deutlich umfassender gefördert werden als bisher. Das war lange überfällig und von Gesellschaft, Wissenschaft und auch aus  der Landwirtschaft gefordert. Denn für eine nachhaltige Land- und Ernährungswirtschaft ist eine gerechtere Verwendung der Finanzmittel, die nicht nahezu ausschließlich an der Größe der Höfe (Flächenprämie) orientiert ist, nötig. Letzteres hat ja gerade die kleinteilige Landwirtschaft und mittelständische bäuerliche Familienbetriebe, wie wir sie in Bayern haben, benachteiligt. Großbetriebe mit viel Fläche haben hingegen profitiert.
    Insofern ist der neue Rahmen ein guter Kompromiss, an den die nationale Umsetzungsstrategie angelehnt ist, die nun noch weiter mit Leben gefüllt werden muss.

  4. Im Laufe der Zeit ist viel Wissen um die Landwirtschaft verloren gegangen. Wie setzen Sie sich dafür ein, dass zeitgemäßes Wissen auch in Städten vermittelt werden kann?

    Um über Landwirtschaft heute zu informieren gibt es zahlreiche Initiativen, als bekannteste ist vielleicht die Grüne Woche zu nennen, die als größte Agrarmesse der Welt direkt in Berlin informiert.
    Es gibt das Bundesinformationszentrum Landwirtschaft (BZL) als neue Kommunikationsplattform für den gesamten Agrarbereich. Die landwirtschaftlichen Verbände – wie der Bauernverband – spielen eine ganz wesentliche Rolle in der Wissensvermittlung und landwirtschaftlichen Öffentlichkeitsarbeit. Und auch Schule ist hier natürlich gefragt.

    Besonders wichtig ist in meinen Augen aber das erfahr- und erlebbar machen von landwirtschaftlichem Wissen, der Arbeit und Tätigkeiten in landwirtschaftlichen Betrieben. In Bayern sind hier die Ämter für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten aktiv in Kooperation mit Landwirten bei Landbautagen, mit Demobetrieben und –Flächen, dem Programm „Erlebnis Bauernhof“ und vielen weiteren Aktivitäten.

  5. Wie sieht die Landwirtschaft der Zukunft für Ihre Partei aus? Welche Auswirkungen hat dies auf den ländlichen Raum?

    Für die SPD sieht die Landwirtschaft der Zukunft idealerweise so aus, dass sie zukunftsfähig, umweltschonend und gesellschaftlich akzeptiert ist. Das beinhaltet, was oben bereits thematisiert ist:
    Eine stärker regionalisierte Landwirtschaft, die auf geschlossenen Nährstoffkreisläufen und gegenseitiger Wertschätzung beruht. Eine Landwirtschaft, die durch die Produktion hochwertiger Agrarprodukte und eine tierwohlgerechte Nutztierhaltung eine gesunde und ausgewogene Ernährung ermöglicht. Eine Landwirtschaft, die multifunktional und nachhaltig wirtschaftet und zugleich Gemeinwohlleistungen für die Gesellschaft erbringt (Erhalt fruchtbarer Böden, sauberen Wassers, biologischer Vielfalt und einem aktiven Beitrag zu Klimaschutz und Luftreinhaltung). Und eine Landwirtschaft in der die vielen Beschäftigten u.a. durch faire Preise von ihrer Arbeit gut leben können, mit fairen Arbeitsbedingungen, guten Löhnen und angemessene Lebensbedingungen für sich und ihre Familien.
    All das kann nur eine Stärkung ländlicher Räume bedeuten, mit bspw. gezielten Förderungen für die erbrachten Gemeinwohlleistungen, für eine Neubelebung dezentraler Produktions- und Veredelungsstrukturen, Direktvermarktung und vielem mehr.