Kühe
© Teresa Göb

Wutbauer Willi will Wissen vermitteln

Buchautor Willi Kremer-Schillings spricht beim Kreisbauernverband

14.09.2018 | Wenn Landwirt Willi Kremer-Schillings die Entfremdung zwischen Bauern und Verbrauchern verdeutlichen will, nennt er Beispiele, die aus einem Kabarettprogramm stammen könnten:

Ein Kollege sei bei einer Bauernhofbesichtigung einmal gefragt worden, wann er eigentlich die

1,5-prozentige Milch und wann die mit 3,5 Prozent melken würde, erzählt der 64-Jährige in Urspringen.
 
Der Blogger und Buchautor aus der Nähe von Köln hat es als Bauer Willi zu etlichen Auftritten im Fernsehen und im Radio gebracht, nachdem er einen Wutbrief an die Verbraucher im Internet veröffentlicht hatte. Am Mittwoch sprach er vor knapp 100 Gästen des Bauerntags, der vom Kreisbauernverband Main-Spessart in der Urspringener Festhalle gefeiert wurde. Die Botschaft seines mit »Das Dilemma der Essensmacher - mehr Mut zur kreativen Kommunikation« betitelten Vortrags an die Landwirte lautet: »Hintern hoch und Zähne auseinander!«
»Mit dem Gejammer aufhören«
Kremer-Schillings verklausuliert in seinem rund anderthalbstündigen Referat nichts, spart aber auch nicht mit Kritik am eigenen Berufsstand. Er fordert, mit dem Gejammer aufzuhören und stattdessen etwas gegen das falsche Bild der Mitbürger von den deutschen Landwirten zu tun. Im Endeffekt rät der 64-Jährige den Bauern auf unterhaltsame Art zu Marketing in eigener Sache, zum Dialog mit den Mitbürgern, die ja immer auch Verbraucher sind.
Kreisobmann Reinhard Wolz gab nach einem beschwingten Auftritt des Landfrauenchors Main-Spessart in seiner Eröffnungsrede den Ton vor: »Wir wollen heute nicht viel jammern und schimpfen, sondern einen schönen Abend haben.« Der Landwirt aus Marienbrunn führte mit der stellvertretenden Kreisbäuerin Simone Krug auch einen Sketch auf, der in einer düsteren Zukunft ohne Bauern spielte.
Da alle Landwirte ihre Höfe aufgeben mussten, sind die beiden gezwungen, ihre Lebensmittel online bei der Apotheke zu bestellen. Die Lieferung besteht dann auch aus Vitamintabletten und Nahrungsergänzungsmitteln, die Fleisch, Obst und Gemüse ganz ersetzen müssen. Das Resultat: Ein karges Mahl, bei dem keine Freude aufkommt.
Danach legt sich Bauer Willi ins Zeug, damit es nicht soweit kommt. Dem Verbraucher bescheinigt er die Sorge, ob das Essen noch gesund ist. »Das sind Gefühle, dagegen helfen keine Fakten«, betont der Referent. Er verdeutlicht mit einem Beispiel, was die Landwirte gegen die Angst des Verbrauchers tun können: »Als Kind hatte ich immer Angst im dunklen Keller. Dagegen hilft nur, das Licht anzumachen.« Kremer-Schillings sieht Öffentlichkeitsarbeit als Scheinwerfer, der erhellen soll, wie Lebensmittel auf deutschen Bauernhöfen hergestellt werden.
Er bemängelt den persönlichen Kontakt zwischen Essensmacher und Esser, bei dem Wissen vermittelt werden kann. In einem Beispiel dazu berichtet er von »einer Frau, die im Laden Kartoffelsamen kaufen wollte«. Als der Verkäufer ihr einen Sack Pflanzkartoffeln gegeben habe, sei die Frau »richtig fuchsig« geworden, weil sie keine Kartoffeln, sondern Kartoffelsamen verlangt habe. »Als der Verkäufer es ihr dann erklärt hat, antwortete sie: Das hört sich sehr interessant an, das probiere ich aus«, erzählt der 64-Jährige.
80 Millionen Agrarexperten
In Deutschland gibt es laut Willi Kremer-Schillings 80 Millionen Agrarexperten, so wie es auch 80 Millionen Bundestrainer gibt. »Jeder hat das Recht, beim Essen mitzureden«, betont er. Der Landwirt plädiert dafür, den Verbraucher ernst zu nehmen und auf Augenhöhe mit ihm zu diskutieren. Er weist aber auch darauf hin, dass dieser einerseits nicht will, dass Insekten sterben, er andererseits aber auch keine Blattläuse im Salat haben will. »Das ist schon etwas schizophren.«
Unter kreativer Kommunikation versteht der 64-Jährige etwa, die Nachbarn mal auf den Hof einzuladen. Er erzählt davon, wie er genau das mit den neu aus der Stadt zugezogenen Leuten aus seinem Heimatdorf gemacht hat. Einen Vater und dessen Töchter ließ er seinen Trecker fahren und erfüllte damit den Kindheitstraum des Mannes. »Denen könnte ich Gülle ins Wohnzimmer kippen und die würden mich immer noch mögen«, sagt Bauer Willi.
Und auch zur Einbindung der sozialen Medien hat er Tipps parat: Per WhatsApp könne man die Nachbarn vorwarnen, dass es in den kommenden Stunden stauben könnte, weil geerntet wird. »Unser wichtigstes Werkzeug ist unser Mundwerk«, betont der Referent.
Quelle Main Echo MSP – Autor: Boris Dauber