Ein Rehkitz versteckt sich im Gras
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Effektive Wildtierrettung

Die Frühjahrsmahd steht an

02.04.2019 | Vermeidung des Mähtodes (Ausmähen von Rehkitzen) bei Durchführung der Frühjahrsmahd

Unter vielen Landwirten ist die Meinung verbreitet, dass es ausschließlich die Aufgabe der Jäger bzw. des Jagdpächters sei, durch Maßnahmen zu verhindern, dass Kitze todgemäht werden. Diese Ansicht trifft nicht zu. Zwar sind die Jäger unstreitig verpflichtet, an Maßnahmen zur Kitzrettung grundsätzlich mitzuwirken; dies ergibt sich aus der Hegeverpflichtung gemäß § 1 BJagdG.

 

Die gleiche Pflicht trifft jedoch den Landwirt und zwar aus folgenden Gründen:

 

Zum einen ist der Landwirt für die Betriebsgefahr seiner landwirtschaftlichen Maschinen verantwortlich und muss deshalb dafür Sorge tragen, dass keine Personen- oder Sachschäden entstehen. Zum anderen trifft den Landwirt genauso wie den Jäger eine Hegeverpflichtung, da die Hege eines gesunden und artenreichen Wildbestandes eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe ist.

 

Vor diesem Hintergrund macht sich ein Landwirt strafbar, der ohne geeignete eigene Schutzmaßnahmen den Mähtod von Kitzen billigend in Kauf nimmt. Die rechtliche Grundlage dafür ist das Tierschutzgesetz. In § 17 Abs. 1 TierSchG heißt es: „Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer ein Wirbeltier ohne vernünftigen Grund tötet.“

 

Das bedeutet: Wer ein Tier vorsätzlich tötet (ohne vernünftigen Grund – Jagd ist ein vernünftiger Grund) begeht eine Straftat, die von Amts wegen verfolgt wird.

 

In Einzelfällen kann es dennoch in Bezug auf § 17 Abs. 1 TierSchG zu strafrechtlichen Problemen kommen. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn sich die Behörden mit der Frage auseinander setzen müssen (z. B. aufgrund einer Anzeige), ob ein strafbares vorsätzliches Verhalten (Verstoß) gegen § 17 Abs. 1 TierSchG gegeben ist.  Der Jurist spricht vom sogenannten „Eventualvorsatz“. Das heißt im rechtlichen Sprachgebrauch, dass der Betroffene zwar nicht absichtlich handelt, er aber ein Ausmähen von Kitzen billigend in Kauf nimmt. Obwohl der Landwirt um das Problem weiß, unternimmt er nichts, um ein Ausmähen zu verhindern.

 

Liegt ein solcher Fall vor, so ist bei Kenntnis der Behörden diese von Amts wegen zur strafrechtlichen Ermittlung des Sachverhaltes verpflichtet.

 

Welche Maßnahmen nun vom Landwirt zu ergreifen, damit ein solcher Fall vermieden werden kann?

 

Gesetzlich ist dies nicht geregelt. Die Rechtsprechung spricht ganz allgemein davon, dass der Landwirt die möglichen und zumutbaren Vorsorgemaßnahmen zu treffen hat.

 

Möglichkeiten zumutbarer und geeigneter Vorsorgemaßen sind:

 

1.) Durchführung von Maßnahmen zur Vergrämung des Rehwildes aus der (zu mähenden) Fläche, wobei diese Maßnahmen spätestens am Vorabend der Mahd durchgeführt werden sollten. Sollte dies nicht möglich sein, dann müssen geeignete Maßnahmen vor Durchführung der Mahd getroffen werden.

Geeignete Maßnahmen wären z. B. das Aufstellen von Vogelscheuchen oder knisternde Papier- oder Plastiksäcke, welche die Rehgeißen veranlassen, über Nacht ihre Kitze aus dem Bestand zu führen. Oder es werden übelriechende Verstänkerungsmittel ausgebracht, um das Wild fernzuhalten.

 

2.) Eine sehr effektive Methode ist es angeblich auch, die Flächen kurz vor dem Mähen mit einem brauchbaren Jagdhund abzusuchen. Die Hunde finden zwar die witterungsarmen Rehkitze nur selten, hinterlassen aber ihrerseits so viel Witterung im hohen Bestand, dass die Geißen ihre Kitze über Nacht in Sicherheit bringen. Das Auffinden von Kitzen oder Gelegen mit bloßem Auge um sie zu bergen oder zu umfahren, ist schwer und gelingt nur zufällig.

 

3.) Eine Kontrollpflicht des Landwirts bezüglich der zu mähenden Flächen am Vortag ist gesetzlich nicht vorgeschrieben, aber natürlich sinnvoll, wenngleich natürlich auch mit hohem Aufwand verbunden. Jedenfalls ist es in der Praxis auf alle Fälle empfehlenswert, vor der Mahd der Flächen, in denen Rehwild vermutet wird, rechtzeitig den Jagdpächter zu verständigen, um die Flächen abzusuchen oder Vergrämungsmaßnahmen durchzuführen. Auch hier ist es so, dass der Begriff „rechtzeitig“ nicht gesetzlich definiert ist. Aus Literatur und Rechtsprechung kann aber entnommen werden, dass 2 Tage vor der Mahd empfehlenswert sind, spätestens aber 24 Stunden.

 

4.) Ob der Jagdpächter verpflichtet ist, Flächen zu durchsuchen, kann auch nicht pauschal mit „Ja“ oder „Nein“ beantwortet werden. Wenn aber der Landwirt dem Jäger schon Mitteilung macht, dann kann natürlich erwartet werden, dass dieser in irgendeiner Form tätig wird, um ein Ausmähen von Rehkitzen zu verhindern.

 

5.) Mit den hier dargestellten Beispielen oder auch, wenn der Landwirt vor Beginn der Durchführung von Mäharbeiten zu den diesseits oben geschilderten Maßnahmen greift, kommt der Landwirt jedenfalls seiner Sorgfaltspflicht und Verkehrssicherungspflicht nach, so dass ihm im Falle einer strafrechtlichen Verfolgung nicht ein Verstoß gegen das Tierschutzgesetz vorgehalten werden kann. Denn selbst, wenn der Landwirt entsprechende geeignete Maßnahmen als „mögliche und zumutbare Vorsorgemaßnahmen“ ergreift, kann selbst bei größtmöglicher Vorsicht nicht verhindert werden, dass es trotzdem zum Ausmähen eines Rehkitzes kommt. In diesem Fall hat der Landwirt alles in seiner Macht stehende getan, um den Mähtod eines Kitzes abzuwenden. Eine strafrechtliche Verfolgung wird es daher in den Fällen, in denen der Landwirt vor Durchführung der Mahd entsprechende Vorsichtsmaßnahmen zur Vermeidung des Mähtodes von Rehkitzen ergriffen hat (sofern solche Maßnahmen geeignet sind!) nicht mit § 17 Abs. 1 des Tierschutzgesetzes in Konflikt kommen, da nach dieser Vorschrift nur derjenige bestraft wird, der vorsätzlich ein Wirbeltier ohne vernünftigen Grund tötet.

 

Weiter taucht des Öfteren die Frage auf, ob die ergriffenen Maßnahmen von Zeugen oder durch Bilder dokumentiert sein sollten. Alleine aus Gründen der Beweissicherung und für eine entsprechende Entlastung bei einem strafrechtlichen Ermittlungsverfahren ist dies sinnvoll. Eine bildhafte Dokumentation entsprechender ergriffener Maßnahmen, wie das Aufhängen von Scheuchen oder CD’s oder ähnliches sollte daher dokumentiert werden.

Das Gleiche gilt auch für die Dokumentation solcher Maßnahmen durch Zeugen. Dann sollte aber der Zeuge schriftlich und mit tagesgenauer Datums- und Zeitangabe sowie – wenn möglich unter Angabe des Feldstücks (Flurstücks-Nummer) – dem Landwirt bestätigen, welche Vorsorgemaßnahmen dieser ergriffen hat. Denn dann kann nicht nur eine solche Bestätigung als Urkundsbeweis in ein Ermittlungsverfahren eingebracht werden, sondern es stünde auch in einem Ermittlungsverfahren derjenige, der dem Landwirt eine solche Bestätigung schriftlich ausstellt, als Zeuge zur Verfügung.