Erntegut-Urteil: Bauernverband und Agrarhandel einigen sich
Gemeinsame Erklärung der Verbände zum „Erntegut-Urteil“
Die Ernte hat begonnen und mit ihr steigt die Verunsicherung unter den Landwirten. Grund dafür sind Forderungen des Landhandels, die teilweise mit Regressverpflichtungen einhergehen. Bereits vor Wochen hat der Bayerische Bauernverband im Bayerischen Landwirtschaftlichen Wochenblatt darauf hingewiesen und den Landwirten empfohlen, weder die Plattform der Saatgut-Treuhandverwaltung (STV) noch regressbehaftete Erklärungen des Landhandels zu unterschreiben.
Nach intensiven Diskussionen auf Bundesebene haben sich der Deutsche Bauernverband (DBV), der Deutsche Raiffeisenverband (DRV) und der Bundesverband Agrarhandel (DAH) nun auf eine gemeinsame Position in einer Erklärung vom 25.6.2024 geeinigt, die im Wesentlichen auch die Position des Bayerischen Bauernverbands widerspiegelt:
1. Einhaltung sortenschutzrechtlicher Verpflichtungen:
Die Grundvoraussetzung für die Nutzung von Saatgut ist die Einhaltung sortenschutzrechtlicher Verpflichtungen. Der Nachbau muss ordnungsgemäß und fristgerecht erklärt werden.
2. Ablehnung unverhältnismäßiger Bürokratie:
Bürokratische Maßnahmen, die nicht durch das sogenannte Ernteguturteil (BGH-Urteil vom 28.11.2023 Az.: XZR 70/22) gedeckt sind, werden abgelehnt. Dies soll den administrativen Aufwand für die Landwirte reduzieren.
3. Verpflichtung des Handels zur Erkundigung:
Der Handel ist gemäß dem Ernteguturteil verpflichtet, sich bei der Landwirtschaft zu erkundigen, ob die sortenschutzrechtlichen Verpflichtungen eingehalten werden. Die Landwirte geben im Gegenzug eine entsprechende Erklärung ab.
4. Finanzielle Konsequenzen bei falschen Erklärungen:
Es wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass falsch abgegebene Erklärungen zu finanziellen Konsequenzen führen können. Landwirte müssen daher sorgfältig und wahrheitsgemäß ihre Angaben machen.
5. Ablehnung der geplanten STV-Plattform:
Die aktuell vorgestellte Form der STV-Plattform wird abgelehnt. Die Verbände sehen in der Plattform keine praktikable Lösung für die bestehenden Probleme.
6. Keine vorab unterschriebenen Regressverpflichtungen:
Landwirte sollen im Voraus keine Regressverpflichtungen unterschreiben. Bei Streitfällen wird stattdessen eine partnerschaftliche Lösung im Gespräch gesucht.
Diese gemeinsame Position der Verbände ist eine Richtschnur, an der sich der Landhandel und die Landwirte für die anstehende Ernte orientieren können.
Grundsatzurteil des BGH vom 28.11.2023
Die Saatguttreuhandverwaltung (STV) prozessiert gegen mehrere große Landhändler in Deutschland
Annahme der STV:
Vom Landhandel angenommene Konsumware aus illegalem Nachbau ist ebenfalls illegal. Landhandel muss die Legalität der erfassten Ware prüfen.
BGH entscheidet am 28.11.2023 im Sinne der Züchter
Landhandel muss „geeignete Maßnahmen“ ergreifen, um die Einhaltung der Rechte der Züchter sicher zu stellen (Nachbauerklärung abgegeben? Z Saatgut bezogen?) Sortenschutzverletzungen bleiben nicht auf Ebene des Landwirts, Ware bleibt illegal, auch wenn sie verkauft wurde.
Konkret bedeutet dieses Urteil für
• die aufnehmende Hand (und die gesamte Lieferkette), dass sie „geeignete Maßnahmen“ ergreifen muss, die die Rechte der Züchter sicherstellen. Für Ware, die nicht nachweislich legal ist, könnte der Landhandel die Annahme verweigern.
• die Landwirte, dass Ware aus nicht gemeldetem Nachbau schwerer abgesetzt werden kann und die Legalität der Ware nachgewiesen werden muss. Das Risiko und Strafmaß, auch bei Fehlern, steigt.
• die Züchter, dass illegaler Nachbau weiter erschwert wird und mehr Nachbaugebühren fließen.
Unsere Einschätzung
Grundsätzlich sind die Regelungen zum Nachbau einzuhalten. Das sogenannte Ernteguturteil des BGH ist aber grundlegend falsch!
GRUND: Sortenschutz ≠ Markenschutz
Sortenschutzverletzung ist ein rechtlicher Mangel, der nach Verarbeitung und Vermischung durch einen Endabnehmer geheilt sein sollte. In Bayern läuft noch ein Parallelverfahren an einem Oberlandesgericht. Die aktuelle Situation ist aber sehr schlecht, da Landwirte verklagt werden können. Fehler und Versäumnisse können hohe finanzielle Strafen nach sich ziehen.
Gemeinsame Verbändeerklärung und Mustererklärung für Landwirte
DBV, DAH und DRV folgen in ihrer gemeinsamen Erklärung vom 25.6.2024 (siehe oben!) unserer Einschätzung weitgehend.
Eine Mustererklärung für Landwirte zur Einhaltung der sortenschutzrechtlichen Verpflichtungen beim Landhandel finden Sie nachfolgend. Dies sollte nach unserer Lesart des Urteils der Erkundigungspflicht des Landhandels genügen. Wir warnen weiterhin ausdrücklich, eine regressbehaftete Erklärung des Landhandels zu akzeptieren. Die Erstellung einer „Erntegut-Bescheinigung“ auf der Website der Saatgut-Treuhandverwaltung GmbH (STV) können wir ebenfalls nicht empfehlen.
Kleinerzeuger im Sinne der Nachbauregelung
Betriebe mit einer Ackerfläche von weniger als 20,07 ha (inklusive Stilllegung) sind nur verpflichtet, sich nach Aufforderung durch die STV als Kleinerzeuger zu erklären. Sie müssen also keine Sorten und Saatgutmengen benennen und sind grundsätzlich von der Zahlung von Nachbaugebühren befreit. Sie können somit ohne weiteres bestätigen, dass sie die sortenschutzrechtlichen Bestimmungen einhalten. Kleinerzeuger, die der STV das aktuelle Betriebsdatenblatt zur Verfügung stellen, werden nur alle drei Jahre von der STV um Auskunft gebeten.
„Aushelfen“ mit Nachbau-Saatgut ist illegal
Deutlich gewarnt werden muss davor, Nachbau-Saatgut mit anderen Landwirten zu tauschen oder anderweitig mit Nachbau-Saatgut auszuhelfen. Die Weitergabe von Erntegut zu Saatzwecken an Dritte ist nicht durch das sog. „Landwirteprivileg“ gedeckt und verstößt daher gegen das Sortenschutzrecht sowie gegen das Saatgutverkehrsrecht. Die betrifft alle Landwirte.
Verjährungsfristen bezüglich Auskunftspflicht und Zahlungspflicht
Sollten größere Betriebe (die keine Kleinlandwirte im Sinne der STV sind) noch immer keine Nachbauerklärung abgegeben haben, so wird die STV in der Regel die Nachbauerklärung für vier Jahre rückwirkend verlangen und statt der Nachbaugebühr (Faktor 0,5) die volle Lizenzgebühr (Faktor 1,0) verlangen, meist verbunden mit Unterlassungserklärungen. Wer in diesem Zusammenhang Unterlassungserklärungen für bestimmte Sorten unterschreibt, weil er sich durch die STV dazu genötigt sieht, darf die entsprechende Sorte zwar weiterhin nachbauen, muss aber peinlichst genau darauf achten bis 30.06. die entsprechende Nachbauerklärung bei der STV eingereicht zu haben. Oder er darf eben diese Sorte nicht mehr anbauen. Die STV macht derzeit keinen Unterschied, ob sie jemanden "erwischt" oder ob sich ein Landwirt freiwillig meldet.
Die vierjährige Verjährungsfrist gilt nur für die Auskunftspflicht, während die Zahlungspflicht bei national geschützten Sorten 10 Jahre und bei EU-geschützten Sorten 30 Jahre (das sind die allermeisten Sorten) beträgt. Trotzdem ist uns kein Fall bekannt, bei dem die STV mehr als 4 Jahre rückwirkend Erklärungen und ggfs. damit verbundene Zahlungen verlangt hat.