Vom "Leben Anno dazumal"
Tag der Austragsbäuerin mit Gustl Lex
Zugpferde der ganzen Veranstaltung waren einerseits ein köstliches Frühstück aus der Michlwirtsküche und andererseits der angekündigte Vortrag von Gustl Lex zum „Leben Anno dazumal – das Leben vor hundert Jahren“.
Die Kreisbäuerin Irina Esterbauer aus Kienberg hieß ihre Berufskolleginnen im Austragerlstand willkommen und wünschte ihnen einen geselligen Tag. BBV-Kreisgeschäftsführer Matthäus Michlbauer gab einige Informationen aus der Geschäftsstelle bekannt. Zum Thema „Schutz der Artenvielfalt – Rettet die Bienen“ hob er hervor, dass die Bauern eh schon viel tun, um die Kleintier- und Insektenwelt zu schützen durch Angebot von Blühflächen und sensiblen Umgang mit der Natur. Darauf werde viel zu wenig eingegangen von jenen, die an populären Schalthebeln und Informationsquellen sitzen. So sei beim Volksbegehren Artenschutz nur einseitig informiert worden; die meisten, die es unterschrieben haben, kennen den Text gar nicht und glauben, sie retten mit einer Unterschrift die Bienen. Vielmehr könne oder sollte jeder seinen aktiven Anteil leisten. Der hohe Anteil an biologisch erzeugten Nahrungsmitteln könne schon organisatorisch gar nicht gehandelt werden. Doch auch konventionell erzeugte Nahrungsmittel brauchen den Verbrauch mit biologischen nicht zu scheuen. Im Übrigen kümmere sich der BBV um die Landwirte, helfe bei den verschiedensten Fragen im landwirtschaftlichen Alltag, biete Schulungen und Kurse, mache Erholungsangebote und sei Anlaufstelle für die bäuerlichen Familien in allen Lebensaltern.
Gustl Lex, profunder Geschichtskenner aus Grabenstätt, sprach zu den Austraglerinnen von der Zeit vor hundert und mehr Jahren. Dabei zeigte er auf, dass es die „gute alte Zeit“ gar nicht gegeben habe im Vergleich dazu, wie gut es uns heute geht. Sicher sei heute vieles hektisch und wegen der Geschwindigkeit, mit der wir leben, auch nicht alles gut, „aber wir leben in einer Friedenszeit von noch nie da gewesener Dauer, das ist nicht selbstverständlich!“ Man hat früher einfach anders gelebt, die Zeit zwischen Geburt und Tod wurde anders verbracht, aber man vergleiche allein unsere heutige soziale Sicherheit mit jener von damals. Gustl Lex ging ein auf die vielen Feiertage, die man damals hatte, neben den Sonntagen gab es viele Heilige, deren Namen gefeiert wurden. Diese Flut von Feiertagen wurde dann eingeschränkt. Heute haben die Menschen ihren Urlaub, den sie zusammenhängend genießen können. Viel Brauchtum und Redewendungen ranken sich um die Feiertage, teils noch bekannt, wenn auch nicht mehr aktiviert. Der Sprecher erzählte über den Lichtmeßtag, an dem im Bauernstand die Stelle gewechselt werden konnte. Ein anderes Thema waren Handel, Handwerk und Bauernstand im Dorf. Lehrer hatten es nicht leicht, sie waren nicht angesehen, hielten sie doch die Kinder davon ab, auf dem Bauernhof zu arbeiten. Frauen hatten es nicht leicht, Lehrerin zu werden, und wenn, dann war ihnen ein gewisses Zölibat auferlegt, sie durften nicht heiraten oder gar selber Kinder haben. Aus dieser Zeit stammte der Begriff vom Fräulein Lehrerin. Gesetzlich wurde das Zölibat der Lehrerinnen erst 1957 offiziell aufgehoben. Die Hausnamen der Bauernhöfe waren Zeichen von Beständigkeit, der Schreibname konnte sich ändern, aber der Hausname blieb.
Lustige und nachdenkliche Sachen erzählte Gustl Lex vom Essen und von der Kost – „wer d‘ Erdäpfe und d‘ Arbeit gern mog, konn si a scheene Zeit macha“. Er erklärte die einzelnen Namen, wann gegessen wurde: vormittags gabs um neun Uhr den „Neuner“ mit Milli und Brot, „Mittag“ Rüben, Sauerkraut und Milli, zum „Untern“ (Nachmittgs-Brotzeit) wieder Milli und Brot, und zum Nachtmahl Dampfnudeln. Einseitig, und auch nahrhaft, solange man genug erwischt hatte, bevor der Bauer das Signal gab, dass das Essen zu Ende ist. Denn sobald der Bauer aufhörte zu essen, mußten alle anderen, Familie und Ehalten auch aufhören. Die Ehalten waren das Gesinde, die Knechte und Mägde. Wenn dann Kirchweih war, wurde allerdings groß aufgetischt, und so mancher Knecht betete insgeheim zu Gott „Unser heutiges Brot gib uns täglich“. Geizige Bauern lamentierten sogar „s‘ Maul is a Lucka, kann Haus und Hof verschlucka“.
Viel zum Lachen bot Gustl Lex auch bei den Themen „Hygiene“ und „Heiraten“. Es gab für das Gesinde eine Kernseife, einen Spiegel und einen Kamm – für alle. Man mag sich heute gar nicht mehr ausdenken, wie selten die Leute Gelegenheit hatten, sich zu waschen oder gar ein Bad zu nehmen. Der Hofbrunnen war das ganze Jahr kalt, und das Schamgefühl hatte einen hohen Stellenwert. Heute hat jeder zu jeder Zeit Zugang zu Bad und Toilette in der Wohnung. Damals mußte man bei Dunkelheit, Nässe und Kälte über den Hof zum Plumpsklo gehen, da war es schon einfacher, wenn man ein Potschamperl unter dem Bett hatte. Ein gewisser Paragraph hatte das Fensterln verboten, aber er wurde nicht sehr konsequent angewandt. Sonst konnte es gut sein, dass einer für ein Mal Fensterln sechs Jahre Militär aufgebrummt bekam.
Der Viehhändler war als sogenannter „Schmuser“ unterwegs, wußte wo es saubere und „gut eingenähte“ Burschen und Dirndl – „heiratsfähiges Material“ - gab. Wenn er meinte, er hätte ein Paar füreinander gefunden, dann wurde eine „Bschau“ ausgemacht, das Anschauen, wobei es aber mehr um das Sach‘ ging, die Liebe zwischen den beiden hatte eher untergeordneten Wert. Wenn es zwischen beiden paßte, wurde schnell geheiratet, denn s‘ Heiratn und s‘ Schlittnfahrn muaß schnell gehn“ , andernfalls wurde halt nichts draus, ohne dass man großen Wind davon machte.
So manche der Austragsbäuerinnen hatte vielleicht einen Teil der hier gehörten Bräuche und Riten teils noch selber erlebt oder von nahen Verwandten aus dem Hörensagen erfahren. Jedenfalls bewahrheitet sich der Spruch von der guadn oidn Zeit nicht und man ist froh, heute in sozial gesicherter Zeit leben zu dürfen, wo einem die Welt offen steht und jeder tun kann, was ihn freut.
Die Kreisbäuerin Irina Esterbauer und ihre Stellvertreterin Christine Schuhegger bedankten sich bei Gustl Lex für seinen hörenswerten Vortrag vom Leben anno dazumal. Das dankbare und aufmerksame Publikum spendete dem Sprecher den verdienten Applaus.
Bericht und Bild: Christa Waldherr