Das Erntejahr 2023 – wieder ein Jahr der Extreme
Am diesjährigen Erntepressegespräch ging es nicht nur um Erträge und Erzeugerpreise
Die Erntemengen liegen bei den Frühjahrskulturen weit unter dem Durchschnitt
Das oberfränkische Ernte-Pressegespräch fand dieses Jahr auf dem Betrieb von Johannes und Andrea Angermüller in Buch am Forst (Stadt Lichtenfels) mit BBV-Präsident Hermann Greif und Direktor Dr. Wilhelm Böhmer statt. Gemeinsam mit Geschäftsführer Gabriel Lieb und dem BBV- Kreisehrenamtlichen aus Lichtenfels, Marion Warmuth und Michael Bienlein, zeigten Sie der Presse die Ernteerwartungen für Oberfranken und den Witterungsverlauf seit Herbst 2022 auf.
Laut Präsident Greif „waren die Bedingungen für die Aussaat und das Wachstum der Pflanzen im Herbst 2022 noch relativ vielversprechend. Die Monate März und April waren stattdessen viel zu nass und kühl. Die Pflanzen litten in dieser Zeit unter dem vielen Regen und die Böden waren für die vorbereitenden Arbeiten zur Frühjahrsaussaat kaum befahrbar, teilweise sogar wassergesättigt.“ Das andere Extremum begann mit dem Wonnemonat Mai. Seither herrschte weit über Oberfranken hinaus eine Trockenheit vor, die zwar Wintergerste und Raps noch gut weggesteckt haben, in den Sommerfrüchten wie Zuckerrüben, Sommergerste, Kartoffeln, Mais und Körnerleguminosen allerdings Ertrag kostet.
„Auch der später reif werdende Weizen hat, aufgrund der Sommertrockenheit, Ertragseinbußen zu verzeichnen und kann – genau wie die Sommerbraugerste - nicht in allen Regionen des Bezirks die für die menschliche Ernährung erforderlichen Qualitätsparameter einhalten“, ergänzte Kreisobmann Michael Bienlein.
Die Futterbaubetriebe werden nach einem ertragsschwachen 2022 auch in diesem Jahr keine Reserven anlegen können, da der Silomais erneut unterdurchschnittliche Erträge liefern wird. Auf dem Grünland hat gerade einmal der erste Schnitt passable Qualitäten und Mengen eingebracht. „Für einen guten zweiten oder gar einem dritten Schnitt fehlte bislang schlicht und einfach das Wasser“, merkte Direktor Dr. Böhmer an.
Ein Blick in die langjährige Datenreihe der nahegelegenen Wetterstation zeigt, dass es in diesem Jahr von Mai bis Mitte Juli im Raum Bad Staffelstein gerade einmal 60 l/m² geregnet hat. Im langjährigen Durchschnitt liegt der Wert für den Zeitraum bei 217 l/m² Niederschlag.
Auch das Waldsterben steigt mit zunehmender Hitze und Trockenheit sowie der dadurch hervorgerufenen hohen Schädlingsausbreitung weiter an. „Jahrzehnte alte Fichten- und Kiefernbestände – sogar manche Laubbäume wie etwa die Buche - halten diesen Extrembedingungen nicht mehr stand und sterben in weiten Teilen Frankens hektarweise ab“, fügte Bezirkspräsident Greif hinzu.
Neue Kulturen werden entdeckt – alte Kulturen erleben eine Renaissance
Aufgrund zunehmender Sommertrockenheiten probiert Johannes Angermüller auch seit einigen Jahren den Anbau eher seltener Kulturpflanzen aus wie etwa Zuckerhirse und Durchwachsene Silphie. Erstmals in diesem Jahr hat der Landwirt zudem 4 ha Nutzhanf angebaut. Die Bastfasern der Pflanze können als Industriewerkstoff, in der Zellstoff- und Papierindustrie sowie als Dämm- und Baumaterial genutzt werden. Die ernährungsphysiologisch wertvollen Samen (geschält oder ungeschält, gepresst als Hanföl und Presskuchen bzw. Hanfmehl) werden hauptsächlich im Lebensmittel- und Futtermittelbereich vermarktet. „Nutzhanf ist relativ trockenresistent und liefert aufgrund seiner tiefen Durchwurzelung einen hohen Vorfruchtwert“, erhofft sich Angermüller von seinem Anbauversuch.
Ukrainekrieg und Inflation beeinflussen Wirtschaft und Konsum
Zwar sind die Einkaufspreise für Dünger und Diesel wieder auf einem erträglichen Niveau, doch viele andere Betriebsmittel wie Saatgut, Pflanzenschutzmittel sowie die Kosten für Reparaturen, Ersatzteile und Neuanschaffungen sind inflationsbedingt sehr hoch. In Kombination mit den unterdurchschnittlichen Erträgen in den Frühjahrskulturen und den gesunkenen Erzeugerpreisen für Getreide, Raps und Rindfleisch, haben die Betriebe in Oberfranken merklich zu kämpfen. Auch die Importe aus dem Osten haben seit dem Ukrainekrieg massiv zugenommen. Zwar sind diese Getreidelieferungen in erster Linie für die Weiterleitung in Drittweltstaaten vorgesehen, doch bleiben etliche Partien davon in Europa hängen und verstärken damit den Preisdruck auf heimische Ware. Hinzu kommt, dass die Verbraucher preisbewusster einkaufen und eher zu günstigen Schnäppchen greifen, als zum hochpreisigen regionalen Produkt. Vor allem in der Biobranche macht sich dies bemerkbar, wo es nach jahrelangen Steigerungsraten in 2022 erstmals zu einem bundesweiten Umsatzrückgang von rund kam 3,5 % kam.
Agrarpolitische Themen bereiten den Landwirten zusehends Sorgen
Neben den sinkenden Erlösen und Preisen für ihre Ernten in diesem Jahr, den hohen Tierwohlauflagen, der Flut an Aufzeichnungspflichten und der neuen Dimension an Kontrollwahn in Form der FallBy-App, sorgen sich viele Betriebe wahrlich um ihre Zukunft, wenn sie noch dazu an die großflächigen Pläne der EU hinsichtlich Pflanzenschutzreduzierung (SUR) und den Naturwiederherstellungszielen (NRL) denken.
„Wie können wir Landwirte angesichts dieser Szenarien überhaupt noch unsere Erträge sichern und somit Einkünfte erzielen“, fragt Kreisbäuerin Warmuth berechtigterweise in die Runde.
Auch angesichts der angespannten weltweiten Lage auf dem Ernährungssektor in Kombination mit den europaweiten Dürreereignissen bringen viele Praktiker kein Verständnis dafür auf, dass man Ernteflächen und Erntemengen mit derartigen Vorhaben zusätzlich verknappen will - noch dazu ab 2024 die europaweite Stilllegungspflicht von Ackerflächen fordert. Dr. Böhmer präsentiert dazu ein anschauliches Rechenbeispiel: „Wenn zukünftig 4 % der rund 200.000 ha Ackerflächen in Oberfranken stillzulegen sind, verzichtet man allein in unserem Bezirk bewusst auf jährlich rund 50.000 Tonnen Getreideertrag. Bei einem Pro-Kopf-Verbrauch von 85 kg würde diese Menge aber ausreichen, um ganz Nürnberg ein Jahr lang mit Getreide zu versorgen!“