"Informeller Austausch zur Jagd“ im Porzellanikon in Selb
Dr. Oliver Keuling gab einen tiefen Einblick in das heimische Schwarzwild
Der Klimawandel verändert die Umwelt unserer Wildtiere. Umso bedeutsamer ist die wissenschaftliche Erforschung deren Lebensgewohnheiten. Die Herausforderungen an die Jagd werden dabei auch nicht geringer. Einer der renommiertesten Wildbiologen Deutschlands kam auf Einladung der Projektwerkstatt „Informeller Austausch zur Jagd“ nach Selb in das Porzellanikon und hatte eine Vielzahl von wissenschaftlichen Erkenntnissen zu Schwarzwild im Gepäck
Während Schwarzwild früher Gebiete mit Schneehöhen über 50 cm gemieden hatte, kommt es heute fast flächendeckend in ganz Deutschland in immer noch steigender Stückzahldichte vor. Abgesehen von den Schäden auf den landwirtschaftlichen Flächen steigt auch das Risiko eines Seuchenausbruchs wie z.B. der Afrikanischen Schweinepest. Durch Besenderung zahlreicher Schwarzkittel und anschließender radiotelemetrischer Verfolgung konnten deren Tagesablauf, Nahrungsgewohnheiten, Stoffwechselvorgänge, Reaktion auf Störungen und Jagd sowie Vermehrungspotential im Klimawandel sehr gut untersucht werden. So ist das tägliche Streifgebiet einer Wildschweinfamilie mit durchschnittlich vier bis fünf Kilometern doch unerwartet überschaubar. Die Flächengröße des jährlichen Streifgebietes liegt auch bei Störungen stabil bei ungefähr bei 4 bis 8 km², wobei es durchaus zu einem Wechsel der bevorzugten Einstände zwischen Sommer – und Winterhalbjahr kommen kann. Das Wildschwein als sogenannter Allesfresser ist hinsichtlich der Nahrungswahl sehr flexibel und anpassungsfähig. Von der Wurzel und Regenwürmern bis hin zu Nagetieren wird alles gerne genommen. Erstaunlich war das Ergebnis der Höhe des Stresshormons Cortisol: Während innerhalb der Wildschweinrotten der Stresshormonpegel der Tiere sehr hoch war, konnte man bei einzeln lebenden Tieren nur einen sehr niedrigen Stresshormonwert feststellen. Die Stresshormonwerte haben sich dann auch während einer Treibjagd nicht besonders verändert. Damit leitete Dr. Keuling auch zur Bejagung der Wildschweine über. Wildschweine haben ein hohes Vermehrungspotential. Bereits 25 kg leichte Jungtiere, Frischlinge genannt, können bereits schon geschlechtsreif werden. Um die Bestandszahlen der Wildschweine einigermaßen im Griff zu halten, müssten mindestens 80% aller Frischlinge erlegt werden. Das gelinge am besten durch gezielte und jagdrevierübergreifende Treibjagden und die Nachtpirsch mit der Wärmebildkamera oder den Saufang. Ein Saufang ist im Prinzip eine mehrere Quadratmeter und mit Lockfutter ausgestattete große Kastenfalle, mit der im Optimalfall ganze Wildschweinrotten gefangen und anschließend erlegt werden können. Abschließend widmete sich Dr. Keuling der Frage, warum die Erlegungszahlen des Schwarzwildes in den letzten beiden Jahren stark zurückgegangen sind. Den Wolf, Krankheiten oder die intensive Bejagung konnte er als Ursachen ausschließen. Höchstwahrscheinlich hat aber die lange nasskalte Frühjahrsperiode 2022 sowie anschließend die Hitze im August vielen Frischlingen, die gegen Witterungsextreme sehr empfindlich sind, das Leben gekostet. Er gab als Empfehlung, auch wenn die Schwarzwildbestände zur Zeit etwas niedriger sind, mit der Bejagung nicht nachzulassen und in strengen Wintern mit Futtergaben sehr vorsichtig zu sein.