Gemüse
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Position der Landfrauen im Bayerischen Bauernverband zu einer nachhaltigeren Ernährungsweise

Wie schmeckt die Zukunft?

21.05.2021 | Im Rahmen des Kreisbäuerinnenseminars 2021 haben sich die 72 Kreisbäuerinnen und ihre Stellvertreterinnen mit „Wie schmeckt die Zukunft? Ernährung und Nachhaltigkeit“ befasst. Der Landesvorstand der Landfrauen im Bayerischen Bauernverband hat aus den Diskussionsergebnissen folgende Position formuliert:

Nachhaltigere Ernährungsweise ist gesamtgesellschaftliche Aufgabe

Eine nachhaltigere Ernährungsweise weltweit für voraussichtlich 10 Milliarden Menschen im Jahr 2050 muss eingebettet sein in einen nachhaltigeren Lebensstil, zu dem jeder Einzelne einen Beitrag leisten kann und muss. Bei allen Überlegungen dazu muss im Vordergrund stehen, dass die Ernährung ein Grundbedürfnis jedes Menschen ist, wohingegen viele Non-Food-Produkte, die hohe Zahl an Fahrten und Reisen, ob privat oder beruflich weit über das wirklich Notwendige hinausgehen und in der Klimabilanz einen bedeutenden Anteil haben.

Laut Bundesumweltamt fallen nur 15 % der Pro-Kopf-Treibhausgasemissionen auf den Bereich Ernährung. Der sonstige Konsum schlägt mit 34 % zu Buche, die Mobilität mit 19 %, Heizung und Strom mit 24 % und die öffentlichen Emissionen mit 8 %. Bei der Diskussion um eine nachhaltige Ernährung darf nicht außer Acht gelassen werden, dass die Erzeugung von Lebensmitteln aufgrund natürlicher Prozesse immer mit Treibhausgasemissionen verbunden ist. Einen wichtigen Ansatz für Veränderungen in diesem Bereich sehen die Landfrauen in der besonderen Wertschätzung regionaler Lebensmittel und der Reduzierung von Lebensmittelabfällen. Das bedeutet aber auch: Die regionale Lebensmittelerzeugung durch die bayerische Landwirtschaft muss die gleiche Priorität wie die Trinkwasserversorgung haben, denn ohne eine ausreichende Wasserversorgung drohen Ernteeinbußen bis hin zu Totalverlusten. Eine Abhängigkeit von Lebensmittelimporten wäre die unvermeidliche Folge.

Basis für die Schonung der Ressourcen und eine nachhaltigere Ernährungsweise eines Jeden sind fundiertes Wissen, praxisorientierte Verbraucherbildung von klein auf und überlegtes, verantwortungsvolles Handeln. Die Landfrauen halten daher an ihrer Forderung fest, Alltagskompetenzen mit den Themen Lebensmittelerzeugung, Ernährung und Gesundheit sowie Haushaltsführung stärker in der Schulbildung zu verankern.

 

Stark pflanzenbetonte Ernährung wirft offene Fragen auf

Die Planetary Health Diet (PHD) – ein Speiseplan, der die Gesundheit des Menschen und des Planeten gleichermaßen schützt – ist derzeit in aller Munde. Demnach müsste der Konsum von Obst und Gemüse, Hülsenfrüchten und Nüssen ungefähr verdoppelt werden, der Verzehr von Fleisch und Zucker dagegen halbiert. Die Landfrauen begrüßen, dass alle Lebensmittelgruppen in der PHD berücksichtigt werden und damit auch weltweite Entwicklungen in den Blick genommen werden. Die drastische Verschiebung zugunsten der pflanzlichen Proteinquellen, Obst, Gemüse und Nüssen zum Schutz des Planeten und zur Gesunderhaltung der Menschheit sehen die Landfrauen als eine Herausforderung für die landwirtschaftlichen Betriebe mit vielen offenen Fragen wie der Verfügbarkeit von geeignetem Saatgut zur Sicherstellung der benötigten Proteinversorgung der Bevölkerung und dem Schwinden von Ackerfläche durch zunehmende Versiegelung fruchtbarer Ackerböden. Zudem weisen die Landfrauen darauf hin, dass Grünlandregionen für die menschliche Ernährung ausschließlich über die Milch- und Fleischerzeugung nutzbar gemacht werden können. Eine Umsetzung gelingt nicht in kurzer Zeit – weder bei den Konsumenten noch den Erzeugern.

Vor allem beim gesundheitlichen Aspekt des Fleischkonsums weisen die Landfrauen darauf hin, dass nicht nur die Quantität im Fokus stehen darf, sondern auch die Qualität, die Zubereitungsmethode und der Verarbeitungsgrad von Fleisch und Fleischwaren. Hier ist wieder land- und hauswirtschaftliches Wissen gefragt und die Bereitschaft der finanziellen Wertschätzung. Die Landfrauen geben auch zu bedenken, dass die Empfehlungen zum reduzierten Fleischkonsum auf Beobachtungsstudien beruhen, in denen der Fleischkonsum stark mit anderen Lebensstilfaktoren (z.B. Alkoholkonsum, Rauchen, Bewegungsverhalten) verbunden ist. Die Aussagekraft dieser Beobachtungsstudien zum Fleischkonsum in Bezug auf die Gesundheit ist deshalb durchaus fraglich. Zudem ist der Fleischkonsum für viele Menschen Ausdruck ihrer individuellen Lebensqualität und die Landfrauen akzeptieren hier die Entscheidungsfreiheit eines Jeden.

Bei einer nachhaltigeren Ernährung muss außerdem neben dem der Landwirtschaft vorgelagerten Bereich (z.B. Züchtung von klimaangepasstem Saatgut) auch die Weiterverarbeitung der landwirtschaftlichen Erzeugnisse mitberücksichtigt werden. Beispielsweise müssen Umwelt- oder Gesundheitsaspekte bei pflanzlichen Fleischersatzprodukten berücksichtigt werden. Wie gesund und klimafreundlich die Fleischersatzprodukte sind, hängt von den Inhaltsstoffen, dem
Verarbeitungsgrad und der Herkunft der Zutaten ab. Vegetarische oder vegane Ersatzprodukte enthalten häufig jede Menge Zusatzstoffe und sind hochverarbeitet. Wer beispielsweise ein vegetarisches Schnitzel aus Lupinen einem klassischen Wiener Schnitzel aus einer Handvoll Zutaten vorzieht, muss sich bewusst sein, dass Zusatzstoffe in der Regel kritisch zu bewerten sind und jeder Verarbeitungsschritt Ressourcen verbraucht.

 

Verbraucherbildung für den Durchblick im Siegel-Dschungel

Die Herkunft- und Haltungsformkennzeichnung bei Lebensmitteln bieten Verbrauchern die Chance für mehr Transparenz und bewusstere Kaufentscheidungen. Derzeit sind jedoch sehr viele unterschiedliche Siegel auf Lebensmitteln zu finden, deren Aussagekraft oftmals fraglich ist. Die Landfrauen weisen darauf hin, dass bereits jetzt in der Tierhaltung hohe Standards gesetzlich vorgeschrieben sind und umgesetzt werden. Dies ist bei ausländischer Ware oftmals nicht gegeben.

In dem auf freiwilliger Basis eingeführten Nutri-Score sehen die Landfrauen eine zu starke Vereinfachung bei der gesundheitlichen Bewertung von Lebensmitteln. Ob und in welchem Umfang sich dadurch das Ernährungsverhalten der Bevölkerung wirklich verbessern lässt, ist derzeit noch nicht abschließend geklärt. Die Landfrauen fordern eine verstärkte Verbraucheraufklärung in Schulen, damit künftige Verbraucher sich im derzeitigen „Siegel-Dschungel“ besser zurechtfinden.

 

Mehr Regionalität in der Außer-Haus-Verpflegung

Produkte aus der Region erfreuen sich großer Beliebtheit. Beim Ernährungsreport 2021 des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft gaben 82 % der befragten Verbraucher die „Regionale Herkunft“ bei Lebensmitteln als für sie wichtiges Einkaufskriterium an. Dieser Trend wird bereits im Lebensmitteleinzelhandel aufgegriffen. Die Landfrauen werben dafür, dass der Einsatz regionaler Produkte auch verstärkt Eingang in die Außer-Haus-Verpflegung findet. Neben Restaurants kann hier vor allem die Gemeinschaftsverpflegung in Mensen, Betrieben, Schulen und Kindergärten eine wichtige Vorreiterrolle übernehmen. Bayerische Produkte mit dem Siegel „Geprüfte Qualität Bayern“ oder dem „Bayerischen Bio-Siegel“ sollen hier künftig verstärkt zum Einsatz kommen. Die Landfrauen begrüßen deshalb den Ministerratsbeschluss vom 13.1.2020, der bis 2025 einen Wareneinsatz in allen staatlichen Kantinen von 50 % aus regionalen oder aus bayerischen biologischen Lebensmitteln bis 2030 in allen öffentlichen Kantinen vorsieht.

 

Mehr Tierwohl nicht zum Null-Tarif

Die vom Bundeslandwirtschaftsministerium eingesetzte Borchert-Kommission, die ein Konzept für den langfristigen Umbau der Tierhaltung zu mehr Tierwohl erarbeitet hat, fordert eine staatliche Finanzierung dieser Anstrengungen, da dies der Markt allein nicht regeln wird. Zur Gegenfinanzierung schlägt die Borchert Kommission eine erhöhte Mehrwertsteuer auf tierische Produkte, eine Verbrauchssteuer oder einen sogenannten Tierwohl-Soli vor.

Die Landfrauen unterstützen diese Ideen, solange die Mehreinnahmen auch wirklich unbürokratisch und langfristig verlässlich bei den tierhaltenden Betrieben ankommen, um deren Kosten für mehr Tierwohl auszugleichen. Sie appellieren auch an die Verbraucher, die in Umfragen als wichtig erachteten hohen Tierwohlstandards auch an der Ladentheke umzusetzen und nicht nach importiertem, billigerem Fleisch zu greifen.

 

Anreize schaffen ohne Manipulation

Nudging ist eine Maßnahme, bei der Menschen sanft und ohne Zwang zu einem gewünschten Verhalten bewegt werden. Dieses Verhalten soll für sie selbst oder die Gesellschaft als vorteilhaft anerkannt sein. Nudging beeinflusst das Entscheidungsverhalten von Verbrauchern dahin gehend, dass ihnen der Zugang z.B. zu bestimmten „unerwünschten“ Lebensmitteln erschwert wird und die „gewünschte“ Alternative leichter für sie erreichbar ist. Ein Beispiel ist die Platzierung von Produkten in der Kassen- oder Greifzone von Supermärkten, die eher zum Kauf animieren als Produkte in der Reck- oder Bückzone.

Die Landfrauen sehen in dieser Möglichkeit der Einflussnahme die Chance, eine abwechslungsreiche, gesunderhaltende und nachhaltigere Ernährung zu fördern, insbesondere wenn dies begleitend mit Ernährungsinformationen und -bildung verbunden wird. Es darf aber nicht manipulierend wirken und die Entscheidungsfreiheit des Verbrauchers muss unbedingt gewahrt bleiben.

 

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