Das Land ist besser als sein Ruf
Studie „Stadt. Land. Wo? Was die Jugend treibt“ liefert überraschende Ergebnisse
Die Abwanderung junger Menschen aus ländlichen Gegenden lässt sich in unterschiedlichem Ausmaß im gesamten Bundesgebiet feststellen. Auch in Bayern wird immer wieder von Entleerung und Landflucht gesprochen. Was aber bewegt junge Menschen ihren ländlichen Wohnort zu verlassen oder gegebenenfalls auch dorthin zurückzukehren und zu bleiben? Dieser Frage ging die KLJB Bayern in ihrer Studie nach.
Für die Studie wurden insgesamt 15 Kommunen in verschiedenen Regionen in den Blick genommen, rund 600 junge Menschen im Alter zwischen 16 und 27 Jahren wurden befragt. Das vom bayerischen Umweltministerium unterstützte Projekt der KLJB Bayern wurde gemeinsam mit dem isr (Institut für Stadt- und Regionalmanagement in München) durchgeführt.
„Wir sind überrascht: Die emotionale und persönliche Bindung an das eigene Heimatdorf mit starken sozialen Strukturen ist für junge Leute bis heute die größte Stärke beim Leben auf dem Land und damit ihr Grund, auch in peripheren Regionen zu bleiben oder zurückzukehren. Eine der größten Schwächen ist für sie dagegen die mangelnde Beteiligung an für sie wichtigen Zukunftsfragen vor Ort. Hier muss die Politik ansetzen, wenn sie die Jugend nicht verlieren will!“, bilanziert Landesgeschäftsführerin Maria Stöckl nach drei Jahren Forschung.
Weiche, soziale Faktoren entscheiden über Gehen oder Bleiben
Die neue Jugendstudie kann dabei viele in Jugendarbeit und Politik oft gestellten Fragen beantworten: Was bewegt junge Leute, auf dem Land in Bayern zu bleiben? Was bewegt andere, vom Land in die Stadt zu ziehen? Und was bewegt, aus der Stadt wieder zurück aufs Land zu ziehen?
„Es sind ganz offensichtlich die sogenannten weichen, sozialen Faktoren wie Bindungen an die Familie, Freundschaften und eine regionale Sozialkultur wie Arbeitsplätze und Infrastruktur, die wirklich für viele junge Leute entscheidend sind, wenn sie im Heimatort bleiben oder dahin zurückkehren. Sie wurden in den Fachgesprächen, Workshops und Befragungen immer wieder als größte Stärke auf dem Land betont. Mit den in der Politik oft diskutierten Schwächen bei Mobilität, digitaler Infrastruktur und Vielfalt der Wohnungen und Arbeitsplätze können sich viele dagegen arrangieren, auch wenn sie hier Kritik haben“, sagt KLJB-Landesvorsitzende Kristina Ducke aus Pegnitz. „Dazu kommen als positive Faktoren die Nähe zur Natur und kulturelle Bindungen, die dazu führen, dass die Jugend wirklich noch sehr gerne auf dem Land lebt. Kritisch wird dagegen neben zu wenig Jugendbeteiligung die mangelnde Toleranz und Akzeptanz für Vielfalt in den Lebensentwürfen vieler junger Leute gesehen. Hier muss die Politik ansetzen und kulturelle und soziale Einrichtungen fördern, die zur Jugend passen und eine eigenständige und vielfältige Jugendarbeit möglich machen. Ohne das ist jede reine Regional- und Wirtschaftsförderung auch in peripheren Regionen für uns nur eine halbe Sache.“
Für Landesgeschäftsführerin Maria Stöckl ist noch etwas auffällig: „Aus den Ergebnissen zeigt sich, dass die Kategorien Land und Stadt bis heute starke Identitäten bilden und für das eigene Leben junger Leute sehr wichtig sind. Es gibt gerade in peripheren Regionen eine starke Abgrenzung zur Stadt, die mit dem Betonen der starken Bindung an den Heimatort zusammen geht. Die allermeisten jungen Leute leben einfach sehr gerne in ihrem Dorf auf dem Land und wollen hier ihre Zukunft selbst gestalten und erleben! Wichtig ist auch, dass es nicht abstrakt um Leben irgendwo auf dem Land geht, sondern fast ausschließlich die eigene ländliche Heimatumgebung als weiteres Wohn- und Lebensumfeld gewünscht ist. ‚Da Woid, der is mei Himmelreich‘, fasste ein junger Workshopteilnehmer das passend zusammen.
Studienergebnisse im Fokus einer Fachtagung
Abgeschlossen wird das Projekt am 24. April 2020 mit dem Erscheinen einer ausführlichen, wissenschaftlichen Publikation der Ergebnisse und Bewertungen von bereits an der Studie beteiligten Fachleuten aus Sozialgeographie, Jugendarbeit und Politikberatung.
Eine Fachtagung am 24./25. April 2020 in Niederalteich wird dann mit Expertinnen und Experten wie Prof. Dr. Manfred Miosga (Präsident Akademie Ländlicher Raum Bayern) und dem wissenschaftlichen Leiter der Studie, Prof. Dr. Joachim Vossen vom isr in München über Impulse für Jugendarbeit, Regionalmanagement und Kommunalpolitik diskutieren.
Theresa Schäfer, Referentin für Ländliche Räume der KLJB-Landesstelle und für den Abschluss der großen Studie zuständig, erklärt, worauf es dem größten Jugendverband in Bayern bei der Fachtagung in Niederalteich ankommt: „Wir wollen nach intensiver Forschung Impulse für Kirche, Politik und Gesellschaft geben, was die Jugend auf dem Land wirklich braucht. Nur mit starker Jugendbeteiligung und Jugendpolitik kann auch im demographischen Wandel erreicht werden, dass die jungen Generationen nicht völlig abwandern und auf dem Land fehlen werden, wie es in einigen Regionen außerhalb Bayerns schon der Fall ist. Dazu freuen wir uns auf den Austausch mit einigen sehr guten Beispielen für aktive Jugendprojekte auf dem Land, die wir in Niederalteich in einer Ideenbörse vorstellen wollen wie den Jugendrat in Viechtach, die digitale Vernetzung von Silicon Vilstal oder die weltweiten Kontakte von Abgewanderten beim Netzwerk world-wide-woid.“