Neue Alternative bei Ferkelkastration hilft kleineren Betrieben
Rechtsgutachten zeigt gangbaren Weg auf, Forschungsprojekte nötig
„Gesetzlich ist nicht unbedingt eine Vollnarkose gefordert. Auch eine örtliche Schmerzausschaltung ist ausreichend. Dafür ist die Zulassung moderner Lokalanästhetika nötig. Unter diesen Voraussetzungen ist eine örtliche Schmerzausschaltung durch den Landwirt möglich“, sagte Dr. Wolfgang Hansen, Rechtsanwalt und Experte für Veterinärrecht bei der Präsentation seines Gutachtens am Freitag in München. „Damit wird neben den drei vom Bundeslandwirtschaftsministerium favorisierten, aber für süddeutsche Verhältnisse völlig unpassenden Methoden ein tierschutzkonformer, praktikabler und wirtschaftlich tragfähiger Weg der Ferkelkastration eröffnet“, sagte der bayerische Bauernpräsident Walter Heidl.
Das Bundeslandwirtschaftsministerium hatte erst Mitte Dezember einen Zwischenbericht über den Stand alternativer Verfahren und Methoden zur betäubungslosen Ferkelkastration veröffentlicht. Darin heißt es: „Sollten sich Ansätze abzeichnen, die den Erfordernissen des Tierschutzes, der Arzneimittelsicherheit und des Verbraucherschutzes Rechnung tragen, ist die Bundesregierung bereit, die Entwicklung solcher Verfahren zu unterstützen.“ Heidl sieht deshalb nun Landwirtschaftsminister Christian Schmidt gefordert: „Nach der Änderung des Tierschutzgesetzes wurden insgesamt 21 Mio. Euro bereitgestellt, um Forschungsprojekte zu fördern und praxistaugliche Alternativen zu finden. Von diesen Mitteln sind noch mehr als 60 Prozent übrig. Was wir jetzt brauchen, sind eine Weiterentwicklung der Verfahren zur örtlichen Betäubung durch den Landwirt und eine Zulassung von wirkungsvollen und bewährten Lokalanästhetika für den Nutztierbereich.“
Örtliche Betäubung bringt Vorteile beim Tierschutz
Für diesen Zweck ist in Deutschland derzeit der Wirkstoff Procain zugelassen. Das wesentlich wirksamere und vielen vom Zahnarztbesuch bekannte Lidocain ist derzeit nur für die Anwendung bei Hunden, Katzen und Pferden zugelassen. In Schweden dagegen wird der Wirkstoff bereits erfolgreich bei der Ferkelkastration eingesetzt. „Aus tierärztlicher Sicht könnte mit einer örtlichen Betäubung ein deutlicher Vorteil in Sachen Tierschutz verbunden sein – auch und gerade im Vergleich zu einer Vollnarkose“, sagte Dr. Andreas Randt, tierärztlicher Leiter beim Tiergesundheitsdienst Bayern. „Außerdem ist diese Methode auch für kleinere und mittlere Betriebe umsetzbar und damit weniger problematisch für die regionalen Strukturen.“
Gravierende Folgen in Bayern und Baden-Württemberg
Das ist gerade in Bayern und Baden-Württemberg entscheidend: 90 Prozent der Ferkelerzeuger in Süddeutschland halten 250 Sauen oder weniger. Wenn bis Ende 2018 keine brauchbare Alternative gefunden werde, stehen gerade diese Betriebe vor schier unüberwindbaren Problemen. In einer aktuellen Studie, die unter anderem von der Bayerischen Landesanstalt für Landwirtschaft durchgeführt wurde, ist von gravierenden Folgen die Rede: Wegen der speziellen Vermarktungswege in Süddeutschland werde der Anteil an Eberfleisch auch langfristig kaum über 10 bis 20 Prozent hinausgehen. Gleichzeitig gebe es bei Verbrauchern und Handelspartnern nahezu keine Akzeptanz für Fleisch von Tieren, die mit in den Hormonhaushalt eingreifenden Substanzen geimpft werden.
Das bedeutet, dass in Süddeutschland die große Mehrheit der männlichen Ferkel auch nach 2019 tierschutzgerecht kastriert werden müssen, um zu verhindern, dass das Fleisch einen unangenehmen Geruch annimmt und ungenießbar wird. Wenn dafür eine Vollnarkose und damit ein Tierarzt nötig würden, kommen Zusatzkosten von jährlich 13 Mio. Euro auf die Schweinehalter in Süddeutschland zu. „Diese Wettbewerbsbelastung werden die Ferkelerzeuger nicht aus eigener Kraft ausgleichen können“, heißt es. Folglich müssten insbesondere kleine und mittlere Ferkelerzeuger mit bis zu 250 Zuchtsauen verstärkt aufgeben.
„Die Konsequenz wäre, dass die für die Mast erforderlichen Ferkel dann aus anderen Staaten eingeführt würden, wo die Ferkel nach niedrigeren Standards kastriert werden“, sagt Bauernpräsident Heidl. „Ohne Alternativen für kleinere Strukturen droht die durch das Verbot der betäubungslosen Kastration beabsichtigte Verbesserung des Tierschutzes zu einem Schuss nach hinten zu werden. Jetzt ist es am Bundeslandwirtschaftsministerium, diesen vielversprechenden Weg auch zu ermöglichen, Geld für entsprechende Forschungsprojekte bereitzustellen und so noch rechtzeitig ein tiergerechtes, praktikables und wirtschaftlich tragfähiges Verfahren zu etablieren.“