Ferkel auf dem Artm
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Ferkelkastration: Fachleute unterstützen örtliche Betäubung durch den Landwirt

Lokalanästhesie sollte wirksame Schmerzausschaltung gewährleisten

26.04.2018 | Ab 1.1.2019 dürfen in Deutschland auch unter acht Tage alte Ferkel nicht mehr betäubungslos kastriert werden. Wie geht es weiter?

Der Dekan der Tierärztlichen Fakultät der Ludwig-Maximilians-Universität München, Prof. Dr. Reinhard Straubinger, hatte Ende Januar ein Fachgespräch zur örtlichen Betäubung bei der Ferkelkastration veranstaltet. Teilgenommen haben rund 40 Fachleute aus Veterinär- und Humanmedizin, Deutschem und Bayerischem Bauernverband, ISN, Ringgemeinschaft Bayern, Erzeugerorganisationen, Fleischwirtschaft, sowie Vertreter des Bundeslandwirtschaftsministeriums und der bayerischen Ministerien.

Aus der konstruktiven Fachdiskussion ist nunmehr ein Positionspapier mit folgendem Inhalt entstanden:
„Nach dem deutschen Tierschutzgesetz endet zum 31.12.2018 die Ausnahme der betäubungslosen Ferkelkastration ohne die gesetzliche Notwendigkeit der Anwendung eines Tierarzneimittels, das nach arzneimittelrechtlichen Vorschriften für die Schmerzausschaltung bei diesem Eingriff zugelassen ist.

Neben der bisher meist durchgeführten Methode der betäubungslosen Ferkelkastration mit begleitender Schmerzmittelverabreichung (z.B. die einmalige intramuskuläre Injektion von Meloxicam) stehen deutschen Schweinehaltern momentan vier weitere Methoden der Mast von männlichen Schweinen zur Verfügung, die darauf abzielen, den typischen und von vielen Verbrauchern als unangenehm empfundenen Ebergeruch zu vermeiden. Die vier Methoden sind:

  • Jungebermast
  • Jungebermast mit vorübergehender Hodenfunktionshemmung mittels Impfung
  • Ferkelkastration unter Vollnarkose mit begleitender Schmerzmittelverabreichung (Applikation durch den Tierarzt, Injektionsnarkose mit Ketamin und Azaperon; Isofluran mit Isofluran nach Umwidmung)
  • Ferkelkastration unter Lokalanästhesie mit begleitender Schmerzmittelverabreichung (derzeit in Deutschland beim Schwein zugelassener und erhältlicher Wirkstoff: Procain)
     

Lokalanästhesie praxistauglich diskutieren

Auf Grund vielfältiger praktischer und handelstechnischer Rahmenbedingungen (u.a. Absatzhemmnisse auf dem nationalen und internationalen Markt, Verbraucherakzeptanz, unerwünschter Ebergeruch) sehen die Unterzeichner dieser Stellungnahme die Notwendigkeit, die Methode der Lokalanästhesie mit begleitender Schmerzmittelverabreichung praxistauglich zu diskutieren.

Auf Einladung und unter der Leitung des Dekans der Tierärztlichen Fakultät der Ludwig-Maximilians-Universität in München, Herrn Prof. Dr. Straubinger, fand am 30. Januar 2018 ein wissenschaftlicher Austausch unter den teilnehmenden Wissenschaftlern, Vertretern von Bundes- und Landesbehörden sowie Vertretern der Wirtschaft und der berufsständigen Organisationen statt.

Nach derzeitigem Kenntnisstand sollte die Lokalanästhesie eine wirksame Schmerzausschaltung im Operationsgebiet gewährleisten können. Dies legen sowohl Studien aus der Tiermedizin als auch der Humanmedizin nahe.


Um dies zu gewährleisten, halten die unterzeichnenden Teilnehmer fest, dass folgende Schritte und Maßnahmen zeitnah umzusetzen sind:

  • Procain ist ein in Deutschland für die Spezies Schwein zugelassener Wirkstoff und kann bei dieser Tierart zur Lokalanästhesie durch den Tierarzt eingesetzt werden. Es wird dennoch empfohlen, zeitnah den Einsatz alternativer Präparate (z.B. Lidocain, Mepivacain, Bupivacain und Ropivacain) für die Lokalanästhesie beim Ferkel in der ersten Lebenswoche zu erwirken, da im Vergleich zu Procain mit diesen Wirkstoffen eine bessere Anästhesie und Verträglichkeit zu erwarten sind.
     
  • Als zielführend wird es erachtet, bei der Beurteilung der zu prüfenden Wirkstoffe und Methoden für die Lokalanästhesie den Vergleich mit bereits etablierten und bekannten Verfahren anzuwenden. Auf Basis des wissenschaftlichen Vergleichs muss demnach die Anwendung dieser Methode bezüglich Schmerzausschaltung und Verträglichkeit im Vergleich zu bereits etablierten und bekannten Verfahren zu vergleichbaren, idealerweise zu besseren Ergebnissen führen.
     
  • Die Indikationserweiterung zur Anwendung von Procain ist eine Maßnahme, die der Anwendung der Lokalanästhesie bei der Ferkelkastration bei der Umsetzung in die Praxis entgegenkommt. Die Vertreter der tierärztlichen Standesvertretung und Verbände sehen Möglichkeiten, diese Maßnahme zukünftig mitzutragen.
     
  • Ziel ist es, für das Verfahren der Lokalanästhesie mit begleitender Schmerzmittelverabreichung beim Ferkel eine in der Praxis umsetzbare Lösung bis Ende 2018 zu realisieren, die eine bestmögliche, wirksame Schmerzausschaltung nach guter tierärztlicher Praxis bei der Durchführung der Ferkelkastration ab 1. Januar 2019 gewährleistet. Sollte dies aus unterschiedlichen Gründen in den aufgezeigten Schritten nicht gelingen, sind rechtzeitig einzuleitende Schritte zur Schaffung von Übergangslösungen unumgänglich.