Porträt Georg Wimmer, stellvertretender Generalsekretär des Bayerischen Bauernverbandes
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Georg Wimmer: Bösartige Irreführung

Verendete Tiere: Kommentar und Fakten zu Aussagen des Abgeordneten Knoblach

08.06.2022 | „Willkürlich kombinierte Statistiken ohne Fachwissen einfach für schockierende Schlussfolgerungen zu verdrehen – Glaubwürdigkeit sieht anders aus!"

So ärgert sich BBV-Generalsekretär Wimmer über die reißerischen und völlig aus dem Zusammenhang gerissenen Aussagen des Grünen-Abgeordneten Paul Knoblach zur Zahl der Falltiere in Bayern. „Was bitte hat die Anzahl tot geborener Ferkel oder Kälber mit der Art des Haltungssystems und Tierwohl zu tun? Schon von daher sind die 20 Prozent falsch! Die bayerischen Tierhalter sind entsetzt: 365 Tage im Jahr kümmern sie sich mit Herzblut um das Wohlergehen ihrer Tiere, und nun stellt der Grünen-Abgeordnete mit seinen hetzerischen und offenbar vollkommen unkundigen Aussagen die Tierhalter als ignorante Tierverwalter dar. Dabei stellt jedes erst aufgezogene, dann aus individuellen Gründen verendete Tier einen Verlust dar, nicht nur in wirtschaftlicher Hinsicht, sondern auch emotional. Knoblachs Verbindung zu etablierten, angeblich verletzungsträchtigen Haltungsformen ist widersinnig. Gerade freiere Haltungsformen bedingen mehr Verluste: ob der Verzicht auf den Ferkelschutzkorb oder von Greifvögeln geschlagenes Freilandgeflügel. Und sollte die Tötung eines schwerst erkrankten Tieres ohne Aussicht auf Heilung nötig sein, so ist dies Erlösung und damit gelebter Tierschutz.
Hier Fakten falsch darzustellen, um Schockzahlen zu erzeugen, ist bösartige Irreführung der Bevölkerung, und diese weisen die bayerischen Bäuerinnen und Bauern mit Deutlichkeit zurück."

 

 

20 % in den Ställen verendete Tiere sind FALSCH! Welche Zahl ist richtig?

... ehrlich und zum Mitdenken ...

Dass nicht alle Tiere das Schlachtalter erreichen, ist Fakt. In der Ferkelaufzucht sterben ca. 2 % der Tiere, im Milchkuhbestand sind es rund 1 % der Kühe. Aber es gibt auch kritischere Zeiträume: rund um die Geburt der winzigen Ferkel sterben bis zu 15 % (deutlich weniger als in der Natur!), und hier gilt: Je freier und dem gewünschten Tierwohl angenäherter die Sau abferkelt, desto höher sind die Ferkelverluste durch Erdrücken.
Bei Legehennen im Stall erreichen möglicherweise 4 % den Schlachttermin nicht, bei Freilandhaltung (Tierwohl) können dies u. a. durch z. B. Beutegreifer durchaus bis zu 25 % sein.
Hier zeigt sich: Todesrate und Tierwohl in Zusammenhang zu bringen, macht keinen Sinn!

Aber nun zu den 20 % im Lauf des Lebens verendeten Tiere: Wo kommt die Zahl her und warum ist sie falsch?
Ein tot geborenes Tier ist per se kein im Lauf des Lebens verendetes Tier. Und tot geborene Tiere lassen sich nun mal nicht verhindern.
In den Zahlen der Tierkörperbeseitigungsanstalten sind allerdings alle tot geborenen Tiere enthalten. Im Bereich der Rinder kommen durchschnittlich 4 % der Kälber tot auf die Welt, bei den Schweinen sind dies ca. 8 % der Ferkel - ohne dass der Tierhalter darauf Einfluss hätte.
Genaue Statistiken zu tot geborenen Tieren gibt es allerdings nicht, so dass es nicht möglich ist, diesen Prozentsatz von den 20 % einfach abzuziehen.

Dazu kommt, dass auch die Zahlen der Tierkörperbeseitigungsanstalten „so richtig wie möglich und trotzdem falsch“ sind: während der Landwirt jedes tote Ferkel einzeln registriert, rechnet die Tierkörperbeseitigungsanstalt mit der Tierseuchenkasse nur nach Gewicht ab. In der Tierkörperbeseitigungsanstalt werden die toten Ferkel nicht gezählt, sondern die Zahl der entleerten Kadavertonnen erfasst. Die Zahl der Tonnen wird mit deren maximal möglichem Inhalt berechnet – egal ob vielleicht nur ein Ferkel oder eine Legehenne darin lag. Daraus ergibt sich, dass die Gewichtsangaben der Tierkörperbeseitigungsanstalten exakt sind, die Anzahl der Tiere aber falsch: in Wahrheit sind es bei den kleineren Tieren wie Ferkeln und Geflügel eklatant viel weniger – denn Kadavertonnen sind für einzelne Vorkommnisse da und so gut wie nie voll. Jede Abholung beschert der „Statistik“ aber eine maximale Anzahl angeblicher Falltiere. In der Antwort des Ministeriums werden also „Fakten“ präsentiert, die keine sind.

Dazu bezieht Paul Knoblach, der die Thematik mit einer Anfrage an den Bayerischen Landtag ins Rollen gebracht hat, die Zahl der Falltiere auf die Zahl der in Bayern geschlachteten Nutztiere. Allerdings: in Bayern werden nicht nur bayerische Tiere geschlachtet, und umgekehrt werden bayerische Tiere auch in anderen Bundesländern geschlachtet. Auch diese Zahl ist daher äußerst schwammig.

In Summe: eine Zahl, die erstens definitiv nicht stimmt (s. o.) und zweitens Totgeborene enthält und dadurch viel zu hoch ist, wird auf eine Zahl (Schlachttiere) bezogen, die absolut keinen Sinn macht. Dass das Ergebnis nur falsch sein kann, ist offensichtlich.

Aber die falsche Zahl sitzt. Sie wird aufgegriffen. Sie macht Stimmung. Gegen die Tierhaltung. Und das ärgert. Gewaltig.

Warum gibt es keine korrekte, andere, niedrigere Zahl?
Wie oben erklärt, erfassen die Tierkörperbeseitigungsanstalten keine korrekten Tierstückzahlen. Zudem werden totgeborene Tiere nicht von verendeten Tieren unterschieden. Daher: für eine so pauschale Aussage gibt es keine Datengrundlage. Und die Verlustraten bei den einzelnen Nutztierarten sind ohnehin bekannt, siehe oben. Daran hat sich nichts geändert, nur weil ein Politiker Unsinn behauptet!