Wald
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Waldorientierte Jagd wirksam stärken

Positionen der Präsidentenkonferenz zur Novelle des Bundesjagdgesetzes (BJagdG)

16.12.2020 | Die Verjüngung klimastabiler Wälder muss Vorrang vor hohen Schalenwildbeständen erhalten, betont die Präsidentenkonferenz des Bayerischen Bauernverbandes in ihrer Stellungnahme vom 14.12.2020.

Die Bundesregierung hat nach Abschluss der Verbändeanhörung am 04. November 2020 ihren Gesetzentwurf zur Novelle des Bundesjagdgesetzes (BJagdG) beschlossen. Der Bayerische Bauernverband (BBV) mit seiner Arbeitsgemeinschaft der Jagdgenossenschaften und Eigenjagdbesitzer (ARGE) hatte sich mit seiner Stellungnahme zum Referentenentwurf vom 21. August 2020 umfassend eingebracht.

Trotz gewisser Nachbesserungen sind aus der Sicht des BBV noch Ergänzungen notwendig, damit das zentrale Ziel des Waldumbaus mit klimastabilen Mischwäldern möglichst ohne Schutzmaßnahmen erreicht werden kann. Die Novelle des BJagdG sollte darüber hinaus für wenige weitere Änderungen genutzt werden, um das Jagdrecht an die heutigen praktischen Erfordernisse anzupassen.

Die Präsidentenkonferenz des BBV begrüßt, dass nach Änderung des Waffengesetzes jetzt auch im BJagdG das Verbot von Nachtzielgeräten einschließlich Infrarotaufhellern und künstlichen Lichtquellen zur Bejagung des Schwarzwildes und von invasiven Wildarten aufgehoben wird. Angesichts der Maßnahmen, die notwendig sind, um die Ausbreitung der Afrikanischen Schweinepest in Deutschland zu verhindern, ist diese moderne Technik ein wichtiger Baustein, das überwiegend nachtaktive Schwarzwild tierschutzgerecht und wirksam zu reduzieren.

Die Präsidentenkonferenz sieht angesichts der riesigen Kalamitäts- und Waldumbauflächen, die unsere Waldbesitzerfamilien mit klimastabilen Wäldern wieder aufforsten müssen, jedoch insbesondere in folgenden Punkten noch Nachbesserungsbedarf:

Aufbau klimastabiler Mischwälder im Wesentlichen ohne Schutzmaßnahmen
Ein Schritt in die richtige Richtung ist, dass die Verjüngung des Waldes - dies umfasst jetzt Naturverjüngung, Pflanzung und Saat - im Wesentlichen ohne Schutzmaßnahmen hoch-wachsen können muss. Allerdings ist eine ergänzende Klarstellung erforderlich, wonach damit eine gemischte Verjüngung mit klimastabilen, standortsgerechten Baumarten gemeint ist und nicht eine beliebige aus wenig verbissgefährdeten, aber instabilen Baumarten.

Schalenwildabschuss am Verbiss und der Situation der Waldverjüngung orientieren
Hinsichtlich der Abschussplanung für das Schalenwild enthält der Gesetzentwurf eine Unbe-rührtheitsklausel für strengere Länderregelungen. Im Falle dieser für die Zukunft des Waldes und die Waldbesitzer wegweisenden Novelle des BJagdG ist es jedoch unverzichtbar, dass Bundesregierung und Bundestag ein sichtbares Zeichen pro Wald und waldorientierter Jagd setzen und klare Ziele und Maßnahmen im BJagdG formulieren.

Regelmäßiges Monitoring von Wildverbiss und Waldverjüngung
Das vorgesehene regelmäßige Monitoring des Wildverbisses und der Situation der Waldver-jüngung als objektive Grundlage für die Abschussplanung wird begrüßt. In Bayern haben sich die Forstlichen Gutachten zur Situation der Waldverjüngung mit den Revierweisen Aussagen bewährt. Diese sind ein wichtiger Bestandteil in der Kommunikation der Betroffenen. Angesicht historisch hoher Schalenwildbestände lehnen wir zusätzliche Lebensraumgutach-ten als untaugliches Instrument, um einen Ausgleich in der Wald-Wild-Frage zu schaffen, ab.

Behördliche Abschussplanung in Revieren mit zu hohem Wildverbiss
Für Jagdreviere, die laut Monitoring zu hohen Wildverbiss an der Waldverjüngung aufweisen, muss die behördliche Abschussplanung beibehalten werden. Die Behörden haben dort den Vollzug zu kontrollieren und ggf. Maßnahmen für dessen Einhaltung zu ergreifen. Die Waldbesitzer müssen darauf vertrauen können, dass der Staat dafür sorgt, dass zum Schutz ihres Eigentums ihre Interessen bei der Abschussregelung besonders berücksichtigt werden. Die im Gesetzentwurf vorgesehenen Regelungen würden die Waldbesitzer zwingen, bei bestehenden Defiziten bei der Abschussregelung auf privatrechtlichem Weg Klage gegen die eigene Jagdgenossenschaft vor Gericht zu führen. Der Friede in den Dörfern wäre damit in Gefahr, da der Gesetzentwurf ein außergerichtliches Verfahren zum Interessensausgleich vor einer neutrale Behörde bislang nicht vorsieht.

Weitere wichtige Punkte, die der Gesetzentwurf nicht berücksichtigt, sind:

Die Trennung der Rechtskreise Naturschutz- und Jagdrecht muss beibehalten werden. Eine Unterordnung des Jagdrechts unter das Naturschutzrecht lehnen wir aufgrund der hohen Schutzwürdigkeit des Jagdrechts als Eigentumsrecht entschieden ab. Die Jagdge-setze sehen bereits heute vor, dass naturschutzfachliche Belange zu berücksichtigen sind. Diese Regelungen reichen völlig aus. Die geplante Einführung zum Erhaltungszustand leh-nen wir deshalb ab.

Einführung einer Duldungspflicht zu überjagenden Hunden bei Bewegungsjagden, wie dies auch zuletzt von den Ausschüssen des Bundesrates am 04.12.2020 (Drs.680/1/20) beschlossen wurde.
Es besteht ein breiter fachlicher und politischer Konsens, dass eine deutliche Reduktion der bestehenden hohen Schwarzwilddichten einen unverzichtbaren Beitrag zur Minderung der Übertragungswahrscheinlichkeit der Afrikanischen Schweinepest leistet.
Die jagdpraktische Erfahrung zeigt, dass der Einsatz von jagdlich brauchbaren Stöberhun-den bei Bewegungsjagden zur gezielten Beunruhigung des Wildes ein zentraler Faktor für den Erfolg solcher Jagden ist. Beim Einsatz von Stöberhunden ist jedoch nicht auszu-schließen, dass diese die Grenzen des Jagdreviers überschreiten und damit das Jagdaus-übungsrecht benachbarter Jagdausübungsberechtigter verletzen. Dies führt immer wieder zu Konflikten unter den Reviernachbarn bis hin zu Auseinandersetzungen vor Gericht. Die Folge ist, dass Bewegungsjagden entweder gar nicht mehr durchgeführt werden oder so ineffizient werden, dass sie einen deutlich geringeren Erfolg erzielen. Leider schließen in der Praxis die Reviernachbarn auch keine privatrechtlichen Vereinbarungen zur Zulässigkeit von über-jagenden Hunden ab. Der BBV erachtet deshalb eine Regelung im BJagdG im Sinne des Beschlusses der Ausschüsse des Bundesrates für notwendig und sinnvoll.

Reduktion der Dauer der Mindestjagdpachtzeiten bei Neuverpachtung nach § 11 Absatz 4 Satz 2 BJagdG. Eine Reduktion der Mindestpachtdauer würde das Recht auf Ver-tragsfreiheit und die Eigenverantwortung der beteiligten Vertragsparteien stärken. So wür-den auch individuelle Lösungen spürbar erleichtert.

Synchronisierung und Flexibilisierung der Jagd- und Schonzeiten nach § 22 BJagdG. So sollte insbesondere die Jagdzeit auf den Rehbock zeitgleich mit der Jagdzeit auf weib-liches Rehwild und Kitze enden.

Gelegebehandlung bei Federwild zulassen, EU-Richtlinien 1:1 umsetzen
Die wichtigste Maßnahme mit Wirkung auf die Reproduktion von Wildgänsen in Schadens-schwerpunktgebieten ist die Behandlung der Gelege. Angesichts der ständig wachsenden Populationen von Graugänsen und v.a. der invasiven Nilgänse sollte das BJagdG die Gelegebehandlung zur Bestandskontrolle künftig ermöglichen. Wissenschaftliche Projekte der Bayerischen Landesanstalt für Landwirtschat zeigen, dass sie gut durchführbar, wirk-sam und effizient ist (www.lfl.bayern.de/iab/kulturlandschaft/158621/index.php).
Eine Ausnahmegenehmigung zur Gelegebehandlung wird aktuell nur für Forschungs-zwecke erteilt. Damit sind die Regelungen des BJagdG strenger als die EU-Richtlinien.
Nachdem im Koalitionsvertrag die 1:1-Umsetzung von EU-Recht in deutsches Recht verankert ist, sollte hier eine Angleichung der Regelung zur Gelegebehandlung im § 22 Absatz 4 BJagdG erfolgen.

Aufnahme des Wolfes ins Jagdrecht
Der Schutz der Weidetiere vor dem Wolf ist notwendig, um die bisher übliche Weide- und Almwirtschaft, das damit verbundene Tierwohl sowie die Sicherheit der Bevölkerung und der zahlreichen Touristen in der Alpenregion zu erhalten. Der Status des Wolfes im EU-Artenschutz ist zu überprüfen und der Wolf künftig in das Jagdrecht einzubeziehen. Durch den aktuellen Schutzstatus in der EU kann sich der Wolf in Mitteleuropa ungehindert aus-breiten. Mit Reproduktionsraten von jährlich bis zu 30 Prozent und ohne natürliche Feinde schreitet die Ausbreitung in Deutschland rasant voran. Besonders in Regionen mit vielen Weidetieren und Almen bedroht der Wolf den Erhalt der von der Weidehaltung geprägten Kulturlandschaft und die außergewöhnliche Artenvielfalt.

Im Übrigen verweisen wir auf unsere Stellungnahme zum Referentenentwurf vom 21.08.2020.

Appell an die Vertreter der Jäger

Der BBV ruft die Vertreter der Jäger auf, Farbe zu bekennen und angesichts der dramatischen Schäden im Wald und der dringenden Notwendigkeit klimastabile Mischwälder aufzubauen, mit der Diffamierung waldorientierter Jagdpolitik endlich aufzuhören. Das Thünen-Institut und selbst der Deutsche Jagdverband haben immer wieder bestätigt, dass die Schalenwildbestände in Deutschland so hoch wie noch nie sind. Deswegen sind auch die von Jägerseite geforderten Lebensraumgutachten für diese Wildarten überflüssig.

 „Wald vor Wild“ heißt nicht „Wald ohne Wild“ sondern vielmehr „Wald ohne Zäune“. Eine Ausrottung des Rehwildes, wie manche Jägervertreter aus dem Gesetzentwurf herauslesen wollen, ist gar nicht möglich, da das Gesetz weiterhin verbindlich regelt, dass ein artenreicher, gesunder, an den landeskulturellen Verhältnissen angepasster Wildbestand zu erhalten ist. Um einen Ausgleich zwischen Jagd und Wald zu schaffen, formuliert die Bundesregierung das Ziel, dass der Aufbau gemischter klimastabiler Wälder ohne kostenintensive Schutzmaßnahmen bei angepassten Wildbeständen möglich sein muss. Damit steht der Wald auf Bundesebene erstmals auf Augenhöhe mit dem Wild. Übrigens: Dort, wo die verbissempfindlichen, heimischen Baum-arten, wie z.B. die Eiche, ohne Schutzmaßnahmen hochwachsen können, werden dies auch Douglasie, Esskastanie oder Libanonzeder schaffen.

Eine „Ja, aber“-Jagdpolitik, wie sie aktuell Vertreter der Jäger praktizieren, ist unglaubwürdig und schadet dem Ansehen der Jagd in der Öffentlichkeit. Denn dadurch entsteht der Eindruck, dass die Vertreter der Jäger nicht ernsthaft gewillt sind, den Walderhalt und den Aufbau klimastabiler Wälder mit einer waldorientierten Jagd zu unterstützen.

Der BBV dankt ausdrücklich all denjenigen Jägern, die den gesetzlichen Auftrag der Anpassung der Schalenwildbestände an die natürlichen Lebensgrundlagen ernst nehmen und tatkräftig anpacken. Vorbild können insbesondere die Reviere sein, die bereits über Jahre hinweg die Schalenwildbestände – selbstverständlich unter Beachtung des Tierschutzes - so regulieren, dass eine Verjüngung standortsgerechter Mischwälder im Wesentlichen ohne Schutzmaßnahmen hochwachsen kann. Solche Reviere gibt es übrigens auch in waldarmen Regionen.

Politisch Verantwortung übernehmen

Der Klimawandel bedroht die bayerischen Wälder zunehmend in ihrer Existenz. Vertraute und viel geschätzte Waldlandschaften drohen verloren zu gehen. Deshalb brauchen wir Soforthilfen für unsere Wälder und unsere Waldbesitzer und gesetzliche Regelungen zum Schutz der Wälder vor den Klimafolgen. Dazu zählt auch eine konsequente Jagd im Sinne der Waldbesitzer und Gesetze. Schließlich geht es um den Erhalt der vielen Funktionen, die der Wald für Mensch und Natur erfüllt. Es geht um den Wald als Klimaschützer, als Schutz vor Lawinen, Erosion und Hochwasser, als Wasserspeicher, als grüne Lunge, Erholungsort und Lebensraum für viele Pflanzen und Tiere.

Unsere Wälder sind systemrelevant und damit ist deren Schutz und Erhalt von hoher gesellschaftlicher Bedeutung. Der BBV appelliert deshalb an die politisch Verantwortlichen, insbesondere in der Bundesregierung und im Bundestag, mit der Novelle des BJagdG die notwendigen Weichen für eine zukunftsfähige, klimastabile Waldverjüngung bei angepassten Wildbeständen zu sorgen.

Die Position (pdf) können Sie hier herunterladen: