10-Punkte-Forderungskatalog für ein flächendeckendes Internet- und Mobilfunknetz im ländlichen Raum
Position des BBV-Präsidiums zum Ausbau der digitalen Infrastruktur in Bayern
Die Landwirtschaft gehört zu denjenigen Branchen, in der digitale Anwendungen in einzelnen Prozessen und Produktionsverfahren schon seit Jahren etabliert sind – von Melkrobotern und automatisierten Fütterungssystemen in den Ställen bis hin zur zentimetergenauen Präzisionslandwirtschaft auf den Äckern. Und die Entwicklung geht rasant in Richtung Landwirtschaft 4.0 weiter und wird angetrieben von der immer effizienter werdenden Datenerfassung über Sensortechnik sowie von der Verarbeitung dieser Daten über Algorithmen und verschiedene Formen der künstlichen Intelligenz. Dadurch entstehen große Chancen für noch mehr Ressourcen- und Klimaeffizienz, für die Förderung der Biodiversität und für die Steigerung des Tierwohls.
Land- und Forstwirtschaft 4.0 schließt alle Formen und Strukturen land- und forstwirtschaftlicher Betriebe ein, vom Ackerbauern über Kuh- und Schweinehalter, Sonderkultur- und Gemüsebauern, Bergbauern und Ökolandwirt, Spezialbetrieb und diversifizierten Nebenerwerbslandwirt bis hin zum Winzer und Waldbauern. Grundsätzlich können alle Betriebe Nutzen aus der neuen Technikentwicklung ziehen und damit oftmals einfacher ökonomische, soziale und ökologische Anforderungen erfüllen.
Absolute Grundvoraussetzung für die Nutzung dieser Potenziale ist eine flächendeckende leistungsfähige digitale Infrastruktur im ländlichen Raum auf der Basis von Glasfaseranschlüssen und 5G-Mobilfunktechnik. Nur über eine flächendeckende Versorgung mit schnellem, sicherem und leistungsfähigem Internet lässt sich der ländliche Raum als Wirtschaft-, Arbeits- und Wohnstandort attraktiv halten. Der Bayerische Bauernverband erwartet daher von der Bundesregierung und der Bayerischen Staatsregierung im Sinne der Daseinsvorsorge umgehend konkrete Maßnahmen, die eine flächendeckende digitale Infrastruktur zeitnah sicherstellen. Das ist ein wichtiger Schritt bei der Umsetzung des in der Bayerischen Verfassung verankerten Staatsziels von gleichwertigen Lebensverhältnissen und Arbeitsbedingungen in Stadt und Land.
Die Bayerische Staatsregierung hat im Masterplan Bayern Digital II vom Mai 2017 eine Glasfaserinitiative für gigabitfähige Infrastruktur in ganz Bayern beschlossen, für deren Umsetzung seit Ende Juni 2019 der Entwurf einer Gigabitrichtlinie vorliegt. Die Bundesregierung hat für Mitte 2019 eine Gesamtstrategie für den flächendeckenden Mobilfunkausbau angekündigt, in dem operationelle Maßnahmen zur Schließung noch vorhandener Versorgungslücken und Weichenstellungen für den 5G-Ausbau mit einem Fahrplan für Umsetzungsschritte festgelegt werden sollen.
Die Mitglieder des Präsidiums des Bayerischen Bauernverbandes richten vor diesem Hintergrund folgende Anliegen an die Vertreter aus Politik und Wirtschaft:
1. Leistungsstarker und flächendeckender Breitbandausbau auf Glasfaserbasis
Um die großen Potenziale der Digitalisierung in der Land- und Forstwirtschaft und im ländlichen Raum nutzen zu können, braucht es eine echte Flächendeckung mit schnellem Internet in Gigabitgeschwindigkeiten. Dies kann im Festnetzbereich nur mit der Verlegung von zukunftsfähigen Glasfaseranschlüssen bis in die Gebäude und Häuser erreicht werden. So ist z. B. das Programm „Höfebonus“ der Bayerischen Staatsregierung vom 1. Juli 2017 ein wichtiger Baustein zur Beseitigung von weißen Flecken und zur Erschließung von Streusiedlungen, Weilern und Einzelgehöften mit zukunftsträchtigen Glasfaseranschlüssen. Dieses Programm muss konsequent fortgeführt und ausgebaut werden.
2. Bereitstellung von digitaler Infrastruktur als Politik der öffentlichen Daseinsvorsorge
Gerade im ländlichen Raum ist der Ausbau einer flächendeckenden Versorgung mit leistungsfähiger und schneller digitaler Infrastruktur oft nicht wirtschaftlich. Hier sind die Bundesregierung und die Bayerische Staatsregierung gefordert, zielführende staatliche Förderprogramme aufzulegen. Denn eine flächendeckende Bereitstellung von digitaler Infrastruktur gehört aus Sicht des Bayerischen Bauernverbandes zur öffentlichen Daseinsvorsorge und muss so selbstverständlich sein wie die Wasser- und Stromversorgung.
Aber auch die Telekommunikationsunternehmen sind stärker in die Pflicht zu nehmen. Rosinenpickerei durch die Optimierung von Erschließungsgebieten müssen der Vergangenheit angehören. Entscheidungen von Telekommunikationsunternehmen, sich nur noch an Ausschreibungen ab einer bestimmten Anzahl von zu erschließenden Haushalten zu beteiligen, müssen unterbunden werden.
3. Anhebung der Aufgreifschwelle und Einführung eines Upgrade
Die Aufgreifschwelle zur Förderung von digitalen Infrastrukturprojekten von derzeit 30 Mbit/s ist nicht mehr zeitgemäß und muss deutlich erhöht werden. Bei bereits genehmigten Projekten, wo der Ausbau im Bereich niedrigerer Bandbreiten angesetzt wurde, muss es möglich sein, die Ausschreibung zu korrigieren, damit ein nachträgliches Upgrade der ursprünglich angesetzten Bandbreite möglich ist. Es darf nicht in überholte Technik investiert werden.
4. Entbürokratisierung und Beschleunigung von Genehmigungsprozessen
Die Antragstellung für Fördergelder zum Breitbandausbau muss für die Kommunen unbürokratisch, mach- und leistbar sein. Genehmigungsprozesse sind zu vereinfachen und zu beschleunigen.
5. Optimierung der Bauabläufe
Die Verlegung von Glasfaserkabeln macht derzeit etwa 80 Prozent der Kosten des Glasfaserausbaus aus. Zur Versorgung mit schnellem Internet sind daher Kostensenkungsmöglichkeiten (z. B. die Prüfung von oberirdischen Verlegungen) konsequent anzugehen. Es ist auf pragmatische und ausreichend sichere Verlegungsmethoden und -techniken abzustellen. Dazu braucht es einen hinreichenden Wettbewerb unter den Anbietern schneller Internetdienste und zielorientiertes Verwaltungshandeln. Wichtig ist, dass auf die Qualität der durchgeführten Netzausbauarbeiten geachtet wird.
6. Schaffung eines flächendeckendes Mobilfunknetzes ohne Löcher
Die im Juni 2019 abgeschlossene Frequenz-Versteigerung hat nicht die gewünschte Flächendeckung beim 5G-Ausbau vorgesehen. Stattdessen sollen nur Wohngebiete und wichtige Verkehrswege versorgt werden. Selbst im 3G- und 4G-Bereich ist man im ländlichen Raum noch sehr weit von einem flächendeckenden Mobilfunknetz ohne Funklöcher entfernt.'
Die politischen Entscheidungsträger auf Bundes- und Länderebene sind dazu angehalten, einen vorausschauenden und aufeinander abgestimmten Ausbau gigabitfähiger Infrastrukturen noch einmal ernsthaft anzugehen. Es braucht einen Masterplan basierend auf Glasfaser und Mobilfunk (4G und künftig 5G) unter Einbeziehung des gesamten Frequenzspektrums, der zu wirklich flächendeckenden Gigabit-Netzen führt. Um das große Potenzial, das in der Digitalisierung der Landwirtschaft liegt, nutzen zu können, brauchen wir die Gigabit-Cloud über dem Acker.
7. Nutzung niedriger Frequenzbänder
Die Mobilfunkbetreiber müssen auch die ihnen bereits zugeteilten Frequenzbänder in niedrigeren Frequenzbereichen unter 1 GHz zum Ausbau einer 5G-Grundversorung nutzen. Derartige Frequenzen zeichnen sich durch hohe Reichweiten aus.
8. Verpflichtung zu lokalem Roaming
Versorgungsauflagen, die erfüllt sein sollen, wenn auch nur ein Anbieter ein Netz errichtet hat, sind nicht zielführend. Um Mobilfunk- und Internetlöcher für Kunden anderer Anbieter zu vermeiden, müssen die Mobilfunkbetreiber zu lokalem Roaming verpflichtet werden können.
9. Neuregelung des Frequenzvergabeverfahrens
Für die Frequenzversteigerungen, die erst in den nächsten Jahren anstehen, schlägt der Bayerische Bauernverband in Anlehnung an die vom 5G Lab Germany in Dresden ausgearbeiteten Vorschläge eine Neuregelung der Frequenzvergabeverfahren vor, in denen in einer ersten Stufe unrentable Gebiete im Wege einer Negativauktion veräußert werden, bevor in der zweiten Stufe wirtschaftlich lukrative Gebiete zur Auktion gelangen. Dadurch ließen sich die Kosten für wirtschaftlich schwer zu versorgende Gebiete deutlich senken. Konservative Kostenschätzungen des 5G Lab lassen eine flächendeckende 5G-Mindestversorgung bereits im einstelligen Milliardenbereich möglich erscheinen.
10. Nutzung wissenschaftlicher Erkenntnisse
Der Staat hat dafür Sorge zu tragen, dass beim Netzausbau nach den neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen alle gesundheitsbezogenen Vorkehrungen gegenüber Mensch, Tier und Umwelt getroffen werden, sodass keine Beeinträchtigungen vorliegen.
Weiterführender Dokumenten-Link:
Flächendeckende Versorgung mit 5G-Mobilfunk in Deutschland, Diskussionspapier des 5G Lab Germany Dresden – initiiert durch die Verbände DIHK, DLT, ZDH und DBV.