Fachtagung Diversifizierung 2018: Stärke durch Vielfalt
Auf (mindestens) zwei Standbeinen steht´s sich besser
Sechs von zehn bayerischen Bauernhöfen setzen bereits auf ein zweites Standbein. Der Großteil gewinnt zusätzlich Festbrennstoffe, es folgen Arbeiten für Kommunen und andere Landwirte. Zunehmend mehr Betriebe investieren aber auch in die Verarbeitung und Direktvermarktung von landwirtschaftlichen Produkten oder sind im ländlichen Tourismus aktiv.
Über die Chancen und Möglichkeiten von Diversifizierung, wo Betriebe Unterstützung finden und wie man es angehen sollte, dazu informierte der Bayerische Bauernverband mit einer Fachtagung in Herrsching. Fast 70 Bäuerinnen und Bauern waren der Einladung gefolgt. „Wir wollen mit der Veranstaltung Impulse geben, die den Gründergeist wecken und Kreativität anregen“, sagte Alfred Enderle, Vorsitzender des Fachausschusses für Nebenerwerb und Diversifizierung. In diesem Fachausschuss bündelt der BBV die Interessen der Betriebe mit Einkommenskombination und der Nebenerwerbsbetriebe und trägt sie aktiv an die Politik heran. Er leistet aber auch gezielt Unterstützung, zum Beispiel über die Vereine „Einkaufen auf dem Bauernhof“, „Soziale Landwirtschaft“, über die Arbeitsgemeinschaft Pensionspferdehaltung oder über Projekte wie die Bauernmarktmeile. Zudem sind die Dienstleistungsunternehmen wie Steuergruppe, bbv LandSiedlung, bbv Computerdienst oder bbv Service wichtige Partner der Betriebe.
Von anderen Lernen
Die Fachtagung zeigte das Spektrum der Unterstützung durch die Politik und die BBV-Gruppe auf. Am „Marktplatz der Ideen“ kamen die Teilnehmer mit Vertretern von Diversifizierungsorganisationen ins Gespräch und konnten sich so konkret über die Möglichkeiten der betrieblichen Entwicklung informieren.
Im Plenum selbst stellten Bäuerinnen und Bauern ihre Erfolgsgeschichten vor:
- der Mitmach-Bauernhof bei Lucia Bradl in Hollenbach
- der Straußenhof Wiedemann in Memming
- die Garten- und Landschaftspflege des Kratzhofes von Karlheinz Kilian in Harburg
- soziale Projekte bei Anni Hindelang aus Schöffbau
- die Pensionspferderhaltung bei Renate Höchtl in Kleinberghofen
- deie Bauernhofgastronominnen Maria Voglrieder aus Baiern und Julia Esterl aus Glonn
Sie alle haben klein angefangen, sind mit Beharrlichkeit am Ball geblieben und haben über die Jahre hin neue Angebote an ihren Höfen Hof etabliert.
Was macht mir Spaß?
„Wer ein weiteres Standbein aufbauen will, sollte sich zuerst fragen, was ihm Spaß macht und was er besonders gut kann“, sagte Lucia Bradl. Doch manchmal geht´s auch anders: Über einen Bekannten kamen Klaus und Barbara Wiedemann zum Vogel Strauß. „Wir waren damals auf der Suche nach einem weiteren Standbein neben der Milchviehhaltung, weil der Milchpreis niedrig war. Ein Bekannter gab uns den Tipp mit den Straußen. Da wir genügend Futter- und Weideflächen hatten, konnten wir uns mit der Idee schnell anfreunden und besuchten ein Sachkundeseminar“, sagte Klaus Wiedemann. 2010 starteten sie mit dem Bau der Straußenhalle, danach ging es Schritt für Schritt weiter. Heute hält die Familie 60 bis 90 Strauße, davon 12 Zuchttiere. Vermarktet wird über den eigenen Hofladen und über Märkte. „Mein Mann kam immer wieder mit neuen Ideen und Lösungen – Improvisationstalent und Kreativität sind sehr wichtig, wenn man in neue Bereiche vordringt“, so Barbara Wiedemann.
Authentisch bleiben
Diversifizierung bereichert auch persönlich, findet Bäuerin Maria Voglrieder, die auf dem Summererhof in Baiern ein gastronomisches Angebot aufgebaut hat. „Ich habe dabei neue Talente an mir entdeckt, zum Beispiel die Zubereitung von kalten Platten. Eine Entwicklung auf dem Hof ist immer verbunden mit einer persönlichen Weiterentwicklung.“ Voglrieder kooperiert immer wieder mit Julia Esterl vom Reisenthalerhof in Glonn – die Angebote ergänzen sich bestens. Esterl: „Wenn ich eine Anfrage für Frühstücksgäste bekomme, schicke ich sie zum Summererhof weiter, denn Frühstück bieten wir nicht an.“ Beide Frauen sind sich einig, dass man „sich nicht verbiegen“ sollte – sonst bleibe man nicht authentisch. Die Bäuerinnen vermarkten ihre Angebote auch über die BBV-Website www.Qualität-vom-Hof.de – die Seite richtet sich an Verbraucher und bündelt diverse Angebote von Bäuerinnen. Über eine Suche können Nutzer einen passenden Hof in ihrer Region finden. Mittlerweile sind mehr als 40 Frauen gelistet. Darüber hinaus vernetzt das Internetportal auch die Teilnehmerinnen und bietet ihnen eine Plattform zum Austausch und zur Weiterbildung.
„Der Kunde ist immer König“, machte Renate Höchtl vom Pferdehof Eckhof im Landkreis Dachau deutlich, „allerdings nur solange er sich königlich benimmt.“ Höchtl ist zugleich die erste Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft der Pensionspferdehalter im BBV. Dieses Gremium diskutiert die aktuellen Frage- und Problemstellungen des Betriebszweiges „Pensionspferdehaltung“ und bringt sie in die Verbandsarbeit des BBV ein. Auf der anderen Seite bietet die Arge Pensionspferdehaltern und solchen, die es werden wollen, Unterstützung an. Jährlich organisiert sie eine Tagung für Pensionspferdehalter mit intensiven Workshops, Fachvorträgen und Exkursionen.
Aus der persönlichen Betroffenheit heraus startete Anni Hindelang aus Schöffau ein soziales Projekt für Inklusion und Pflege. Unterstützung erfährt sie von „Soziale Landwirtschaft“, ein gemeinnütziger Verein, den der Bauernverband mit Sozialorganisationen und einzelnen landwirtschaftlichen Betrieben gegründet hat.
Erzähl´ deine Geschichte
Weil jede Erfolgsstory ein gutes Marketing braucht, hatte der BBV eine Expertin zu diesem Thema eingeladen. Petra Sammer, PR-Beraterin und Buchautorin aus Grafing, stellte das Storytelling als neuen Ansatz für Marketing und Kommunikation vor. Darunter versteht sie die Vermittlung von Information über einen emotionalen Ansatz, nämlich über Geschichten. „Gute Geschichten ziehen uns in ihren Bann, bewegen uns und bleiben uns in Erinnerung. Wer etwas zu sagen hat, tut deshalb gut daran, Geschichten zu erzählen“, sagte sie.
Weil wir täglich permanent vielen äußeren Einflussfaktoren ausgesetzt sind, gehen Experten davon aus, dass unsere Zeitspanne für Konzentration und Aufmerksamkeit schwindet. Einer Studie von Microsoft zufolge liegt die Aufmerksamkeitsspanne des Menschen gerade eimal bei 8 Sekunden. Werbe- und PR-Fachleute suchen daher nach Wegen, wie man den Menschen länger aufnahmebereit halten könne. Für Sammer liegt der Schlüssel hierbei im Storytelling. „Geschichten schaffen es, dass wir länger zuhören oder zuschauen“, sagte sie. Der Grund dafür: Geschichten wirken auf emotionaler Ebene. Die Großhirnrinde werde aktiviert, was dazu beitrage, dass wir die Geschichte in allen Bereichen des Gehirns regelrecht miterleben. Dadurch könne man sie sich auch so gut merken. Außerdem ließe sich durch Geschichten eine gewisse Skepsis gegenüber Daten und Fakten minimieren. „Wenn man jemanden ausschließlich mit Daten und Fakten konfrontiert, so spricht man das systematische Denken beim Zuhörer an. Und in der Regel antwortet der Zuhörer dann auch systematisch. Das heißt wenn er den Zahlen misstraut, wird der Zuhörer sofort analytisch denkend hinterfragen und sich Gegenargumente überlegen.“ Bei Geschichten sei das anders.
Fünf Aspekte nennt Sammer, die zum Erfolg einer guten Geschichte beitragen:
- Es gibt ein Grund, erzählt zu werden. („Über meine Liebe zu Pferden“)
- Eine Hauptfigur steht im Mittelpunkt. (ein Mitarbeiter, der erste Kunde, ein Partner)
- Konflikte sind das Salz in der Suppe. („Zeigen Sie ruhig auch Probleme und Schwierigkeiten!“)
- Werden Sie emotional! (Tränen und Lachen)
- Gute Geschichten sind viral. (Gute Geschichten werden weitererzählt – nicht erst seit der Erfindung des Internets.)
Sammer riet den Teilnehmern, das Storytelling einmal für sich auszuprobieren: „Auf jedem Hof gibt es eine Geschichte, die erzählt werden will“, sagte sei. „Die Zeit für den einfachen Flyer mit Öffnungszeiten und Telefonnummer ist vorbei. Tragen Sie dick auf. Rühren Sie zu Tränen, bringen Sie zum Lachen und bewegen Sie mit einer Geschichte ihre Zielgruppe emotional!“
In Zukunft auch ein Männerthema!
Diversifizierung geht heute meist von den Frauen auf den Höfen auf. Dass dies nicht so bleibt, wünschte sich Anton Dippold vom Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten. „Ich wünsche mir, dass Diversifizierung auch ein Männerthema wird“, sagte er. Sein Haus unterstütze Betriebe mittels verschiedener Maßnahmen auf den Gebieten...
- Bildung: Beratung an den 47 ÄELF, 9 Fachzentren in Planung, Lfl-Deckungsbeitragsrechner
- Forschung: Forum Diversifizierung
- Förderung: im Rahmen der Investitionsförderung
Künftig soll auch ein Spezialisten-Team im Zentrum Diversifizierung an der LfL in Ruhstorf seine Arbeit aufnehmen.
Chancen der Diversifizierung:
- Nutzen Sie vorhandende Ressourcen
- Koppeln Sie sich vom Marktgeschehen ab
- Stärken Sie die Resilienz Ihres Betriebs und kümmern Sie sich so um Ihre Risikovorsorge
- Arbeiten Sie vor Ort auf Ihrem Betrieb
- Stärken Sie den ländlichen Raum
- Profitieren Sie von der Unterstützung durch den Staat
Hemnisse der Diversifizierung:
- Konkurrenz zum Hauptgewerbe
- Drohende Arbeitsfalle
- Bürokratischer Aufwand
- Zweifel und Ängste vor Veränderung ("Schaffen wir das?")
- Fehlende Gründerberatung