Position: Verbraucherverhalten lenken
Möglichkeiten der Beeinflussung von Ernährungs- und Verbraucherverhalten
Die Landfrauen des Bayerischen Bauernverbandes nahmen die aktuelle Einführung der Besteuerung von zuckerhaltigen Lebensmitteln in Großbritannien zum Anlass, Lenkungsmöglichkeiten der Verbraucher hin zu einem gesundheitsförderlichen Verhalten zu bewerten.
Besteuerung bestimmter Nährstoffe wie Zucker oder Fett
Mit Verbrauchssteuern auf Güter, die Inhaltsstoffe enthalten, die als bedenklich oder gesundheitsschädlich eingestuft werden, versucht der Staat das Verbraucherverhalten zu lenken.
Großbritannien beispielsweise hat eine Steuer für Unternehmen eingeführt, die zuckerhaltige Softdrinks herstellen oder importieren. Diese Steuereinnahmen sollen für die Gesundheitsförderung durch Bewegungsprogramme eingesetzt werden.
Die Landfrauen sehen in einer Lenkungssteuer als staatliches Regelungselement eine drastische Maßnahme, die einen Eingriff in die persönliche Freiheit des Verbrauchers bedeutet und lehnen dies ab. Die Verhaltensänderung erfolgt nicht aus dem Verständnis des Zusammenhangs heraus. Höhere Preise können nicht alle Verbraucher in gleichem Maße aufbringen, wodurch der Kauf von sogenannten „unerwünschten Gütern“ vom Budget des Verbrauchers abhängig ist.
Ampelkennzeichnung
Die farbige Kennzeichnung von Inhaltsstoffen wie Zucker, Fett und Salz in Produkten mittels einer Ampel (rot, gelb, grün) soll dem Verbraucher die visuelle Erkennung der Bewertung eines Produktes auf der Verpackung ermöglichen. Sie impliziert, dass der Verbraucher sich gesund ernährt, wenn er Produkte mit der Farbe Grün bis Gelb bevorzugt. Insbesondere bei multiplen Nährstoffbeurteilungen ist eine eindeutige Entscheidung für den Verbraucher nicht einfach.
Die Landfrauen sehen bei der Ampelkennzeichnung von Produkten die Gefahr der starken Vereinfachung und lehnen diese ab. Sie kann eine sinnvolle Lebensmittelauswahl, wie sie für eine ausgewogene Ernährung nötig ist, nicht ersetzen. Denn dabei geht es auch um die Häufigkeit des Verzehrs von Lebensmitteln bestimmter Produktgruppen, was sich durch eine farbige Kennzeichnung nicht abbilden lässt. So würden mit der so genannten Ampelkennzeichnung wertvolle natürliche Lebensmittel wie Käse, Butter, Wurstprodukte und pflanzliche Öle zu Unrecht diskriminiert werden.
Nudging als Lenkungsmittel
Nudging ist eine Maßnahme, bei dem das Entscheidungsverhalten von Verbrauchern dahin gehend beeinflusst wird, dass ihm der Zugang zu bestimmten „unerwünschten“ Lebensmitteln erschwert wird und die „gewünschte“ Alternative leichter für ihn erreichbar ist.
Nudge bedeutet Anschubsen/ Anstoßen. „Unerwünschte“ Produkte werden etwas außerhalb der Reichweite positioniert, um den Zugang zu erschweren. Dem Nudging zugrunde liegt das Wissen, dass Gewohnheit, Trägheit und Automatismen das Entscheidungsverhalten relevant beeinflussen. Die Grenzziehung zur Manipulation des Verbrauchers ist fließend.
Diese Form der Lenkung wird im Marketing bereits genutzt, wenn in der Kassenzone von Supermärkten z.B. kleine Süßwarenartikel angeboten werden. Im Ernährungs- und Gesundheitsbereich kann Nudging eingesetzt werden, um durch die Waren- und Speisenpräsentation Entscheidungen in eine bestimmte Richtung zu lenken und eine ausgewogene Ernährung zu vereinfachen.
Die Landfrauen sehen in dieser Möglichkeit der Einflussnahme die Chance, eine abwechslungsreiche Ernährung zu fördern, insbesondere wenn dies begleitend mit Ernährungsinformationen verbunden wird. Es darf aber nicht manipulierend wirken und die Entscheidungsfreiheit des Verbrauchers muss gewahrt bleiben.
Verbraucherbildung
Verbraucheraufklärung und –bildung in Einrichtungen für Kinder und Jugendliche wie Kindertagesstätten, Kindergärten und Schulen sowie schulbegleitende Projekte legen den Grundstein zum mündigen Verbraucher. Ein interessanter Schulunterricht im Themenfeld Ernährung und Projekte im Bereich „Alltagskompetenz“, die fachliches Wissen mit hauswirtschaftlicher Praxis verknüpfen, setzen hier an. Insbesondere das selber Erleben und Herstellen von gesunden Speisen verbessert die eigene Handlungskompetenz. Zudem wirkt es dem dauerhaften Verzehr von Fertigprodukten entgegen, deren Zusammensetzung häufig nicht den Ernährungsempfehlungen entspricht. Auch erhöht die Verbindung zur Produktion landwirtschaftlicher Erzeugnisse die Wertschätzung für Lebensmittel. Junge Verbraucher zu bilden ist somit die weicheste Form der Lenkung des Verbraucherverhaltens, die auf kognitives Verhalten abzielt.
Die Landfrauen setzen sich klar für die Vermittlung von Alltagskompetenzen im Schulunterricht aller allgemeinbildenden Schulen ein, denn aus ihrer Sicht ist eine frühzeitige Ernährungsbildung die beste Grundlage, um bereits jungen Verbrauchern eine gesunde und ausgewogene Ernährung näher zu bringen.
Aus dieser Bewertung der Maßnahmen zur Lenkung von Verbraucherverhalten in der Ernährung ergeben sich für die Landfrauen folgende Forderungen:
- Hauswirtschaftliches Verständnis für Lehrkräfte, die „Alltagskompetenz und Lebensökonomie“ unterrichten, das bei der Lehreraus- und -fortbildung vermittelt werden soll.
- Einbindung externer Fachkräfte mit hauswirtschaftlichem und landwirtschaftlichem Hintergrund in die Ernährungsbildung im Schulunterricht.
- Weiterführung etablierter Programme, wie „Landfrauen machen Schule“, die Grundschulkindern die Wertschätzung für heimische Lebensmittel und deren Verarbeitung näher bringen.
- Unterstützung des Ansatzes des bayerischen Landwirtschaftsministers: Jedes Grundschulkind sollte in der Grundschulzeit einmal einen Bauernhof besuchen.
- Programme zur Ernährungsbildung sollten auch auf weiterführende Schulen ausgeweitet werde, um nachhaltig die Verbindung zur Ursprungsproduktion zu festigen.
- Keine zu stark vereinfachende Bewertung der Produkte durch die Ampelkennzeichnung, sondern begleitende Maßnahmen der Ernährungsbildung.
- Nudging könnte im Bereich der betrieblichen Außer-Haus-Verpflegung gezielt eingesetzt werden, um bei der wichtigen Mittagsmahlzeit und auch bei den Zwischenmahlzeiten das Verzehrsverhalten hin zu gesunden Speisen zu lenken.