Die Landfrauen-Vorsitzenden Daphne Muchai aus Kenia und Anneliese Göller aus Bayern.
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Wie ist die Situation der Landfrauen in Bayern und in Kenia?

Interview mit Landesbäuerin und der Vorsitzenden der kenianischen Landfrauen

04.03.2021 | Aus Anlass des Weltfrauentags am 8. März haben wir vier Fragen an die Vorsitzende der Landfrauen in Bayern, Landesbäuerin Anneliese Göller und die Vorsitzende der Landfrauen in Kenia, Daphne Muchai gestellt.

Welche Bedeutung haben die Frauen für den landwirtschaftlichen Betrieb im Jahr 2021 in Bayern und Kenia?

Anneliese Göller:
Die Frauen tragen weit über die klassischen Arbeitsbereiche für Frauen hinaus Verantwortung. Sie übernehmen meistens die Hauptverantwortung für die hauswirtschaftlichen Tätigkeiten und teilen sich mit ihrem Partner oft die Stallarbeit. Wenn es auf dem Betrieb Erwerbskombinationen gibt wie Erlebnisangebote, Urlaub auf dem Bauernhof oder Direktvermarktung und Bauernhofgastronomie spielen die Frauen auch hier eine zentrale Rolle. Sowohl die Mitarbeit als auch der finanzielle Beitrag der Frauen sind für den Betrieb erheblich. Kurzum: Die Bäuerinnen sind das Herzstück des landwirtschaftlichen Betriebes.

Daphne Muchai:
Ja, bei uns ist das genauso. Frauen sind das Rückgrat der landwirtschaftlichen Produktion in Kenia, denn sie stellen den Großteil der landwirtschaftlichen Arbeitskräfte und versorgen Haus, Familie und Hof. Bei uns bedeutet das noch sehr, sehr viel körperliche Arbeit.

 

Wie sind Frauen in Bayern und Kenia sozial abgesichert?

Anneliese Göller:
Die meisten Frauen sind als mitarbeitende Familienangehörige auf dem Betrieb tätig. Die landwirtschaftliche Alterskasse stellt zwar nur eine Teilabsicherung dar, ist aber trotzdem eine große Errungenschaft für die Frauen. Ein Großteil der Frauen kann zusätzlich auf Einkünfte aus einer privaten Altersvorsorge hoffen. Schwierig wird für viele Frauen die Situation im Falle einer Trennung. Insgesamt bewerten weniger als die Hälfte der Frauen ihre Absicherung im Falle von Krankheit oder Unfall als gut, im Falle von Alter und Pflegebedürftigkeit sogar nur ein Drittel. Als Landfrauengruppe im Bayerischen Bauernverband sind wir hier seit vielen Jahren aktiv, um Frauen für eine zusätzliche private Absicherung zu motivieren. Die Studienergebnisse zeigen, dass wir an diesem Thema dranbleiben müssen.

Daphne Muchai:
Eine Altersabsicherung für Bäuerinnen wie bei euch in Deutschland gibt es bei uns nicht. Wir sind froh, dass unsere Regierung zumindest Programme zum Schutz von Frauen eingerichtet hat. Es gibt Frauenschutzinitiativen in verschiedenen gesellschaftlichen Bereichen. Unsere Regierung hat z. B. den 2. nationalen Aktionsplan von 2020 bis 2024 zur Förderung und zum Schutz der Frauen eingerichtet. Wir haben die "nyuma kumi"-Initiative –  das sind Frauenhäuser. Außerdem werden Frauen ermutigt, Fälle von Gewalt speziell geschulten frauenfreundlichen Mitarbeitern in den Polizeistationen zu melden.

 

Welche Bedeutung spielt das ehrenamtliche Engagement für die Bäuerinnen?

Anneliese Göller:
Zwei Drittel der Bäuerinnen sind ehrenamtlich engagiert, fast die Hälfte hat eine leitende Funktion inne. Die Studie zeigt, dass Frauen, die sich im Ehrenamt engagieren, zufriedener sind. Denn Ehrenamt macht Freude und Spaß und schafft damit einen Ausgleich zur Arbeit auf dem Betrieb. Wer sich ehrenamtlich engagiert, kann soziale Kontakte knüpfen. Man lernt interessante Leute kennen und wirft zugleich einen Blick über den eigenen Tellerrand. Zudem spielt soziales Engagement eine große Rolle für sinnvolles Mitgestalten. Kurz gesagt:  Ehrenamt wird nicht als Belastung, sondern als Bereicherung erlebt.

Daphne Muchai:
Viele Frauen sind bei uns ehrenamtlich in Selbsthilfegruppen engagiert. Es ist jedoch für diese Gruppen nicht einfach, sich weiter zu entwickeln, weil oft die finanziellen Mittel für Treffen fehlen. Die meisten Bäuerinnen haben schlichtweg kein Geld dafür übrig.

 

Was sind die schönen Seiten im Leben einer Bäuerin? Was sind die Herausforderungen, worüber sorgen sich Bäuerinnen?

Anneliese Göller:
Ein Großteil der Bäuerinnen ist mit ihrem Leben zufrieden. Sie schätzen besonders die Vereinbarkeit von Familie und Beruf, das Arbeiten in und mit der Natur, die Selbständigkeit und freie Zeiteinteilung als Bäuerin sowie die Möglichkeit, sich am Hof selbst mit frischen Lebensmitteln versorgen zu können.
Was sie als herausfordernd erleben, sind die hohe Arbeitsbelastung und zu wenig Freizeit und Urlaub. Sorgen bereitet den Teilnehmerinnen der Studie die Abhängigkeit von Förderungen sowie das schlechte Image der Landwirtschaft und ihres Berufes in der Gesellschaft, was sie teilweise auch auf die negative Berichterstattung in den Medien zurückführen. Sie wünschen sich mehr Wertschätzung seitens der Verbraucher, bessere Preise für ihre Produkte sowie weniger gesetzliche Vorschriften. Damit spiegeln die Studienergebnisse meines Erachtens gut wider, was ich als Landesbäuerin an Rückmeldungen erhalte.

Daphne Muchai:
Die gemeinsame Arbeit und der Zusammenhalt der Landfrauen empfinden wir Frauen als etwas sehr Wertvolles und Ergebnisse davon sind offensichtlich. Man spürt diese Entwicklung besonders in den ländlichen Gebieten. Die Arbeit mit Frauen ist so erfüllend, weil sie sehr entschlossen sind, positive Veränderungen für sich und ihre Familien zu erreichen.

Fehlende finanzielle Mittel machen es jedoch häufig zu einer Herausforderung, die anvisierten Verbesserungen zu erreichen. Sorge bereitet uns die Landflucht der Jugend und die Frage, wie es dann mit den Höfen weitergeht.

 

 

Mehr zur Situation der Bäuerinnen in Bayern gibt es in der aktuellen Bäuerinnenstudie.
Mehr zum gemeinsamen Projekt mit den kenianischen Landfrauen erfahren Sie hier.