Güllegrube auf Bauernhof
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BBV-Fachtagung Gülleansäuerung & Gülleaufbereitung

Spannende Vorträge mit interessanten Ergebnissen

24.11.2023 | Kürzlich fand im Haus der bayerischen Landwirtschaft in Herrsching eine vom Bayerischen Bauernverband ausgerichtete Fachtagung zur Thematik Gülleansäuerung und Gülleaufbereitung statt. Ein breiter Fundus an Vorträgen vermittelte den zahlreichen Teilnehmern spannende Ergebnisse. Wir blicken zurück.

Im Rahmen der Veranstaltung wurden zunächst die Zielsetzungen des Engagements der Bäuerinnen und Bauern bei diesem Thema klar definiert: Die breitflächige Ausbringtechnik hat in Bayern heute noch eine weite Bedeutung und trägt insbesondere auch zum hohen Eigenmechanisierungsgrad bei. Durch die hohen Minderungsverpflichtungen für Ammoniak (Minus 29 % bis 2030 gegenüber 2005) ist mit der Düngeverordnung die Pflicht zur streifenförmigen Ablage für flüssige Wirtschaftsdünger bereits seit 2020 auf bestelltem Ackerland eingeführt worden.

Ab 2025 steht die Ausweitung der Pflicht zur streifenförmigen Ablage von Gülle und Gärresten auf Grünlandflächen bevor und bestehende Probleme, beispielsweise der Verbleib von angetrockneter Trockensubstanz, die mit dem Gras hochwächst und im schlimmsten Fall mitgeerntet wird sind nach wie vor nicht gelöst. Im Verlauf der Tagung wurde deutlich, dass es noch vielfache Vorteile der breitflächigen Ausbringtechnik gibt.

Andreas Puchner, Experte für Düngefragen im Bayerischen Bauernverband, steckte den Rahmen für die Minderung von Ammoniakemissionen der Landwirtschaft ab. Basis ist die EU-NEC-Richtlinie 2016/2284, welche bis 2030 eine Minderung der Ammoniakemissionen aus der Landwirtschaft in Größenordnung in Höhe von 29 % vorsieht (Basisjahr 2005). Festzuhalten ist dabei, dass die Entwicklung der Ammoniakemissionen mit Blick auf das Basisjahr trotz deutlich rückläufiger Tierzahlen nicht dramatisch rückläufig ist.

Hinsichtlich derjenigen Bereiche, in denen die größten Emissionen derzeit stattfinden, ist das Ausbringen von Wirtschaftsdünger mit ca. 50 % Anteil der größte Block. Aus diesem Grunde hatte man sich in den vergangenen Jahren immer wieder auf die Ausbringtechnik konzentriert und dort Reduzierungen gesucht. Dies wurde eingebunden in zwei große Blöcke zur Emissionsminderung aus der Landwirtschaft: a) TA Luft mit besonders nährstoffreduzierter Fütterung, Luftwäschern und Stallbilanzen sowie b) der Düngeverordnung mit Vorgaben zur Beimischung von Urease-Hemmstoffen bei Harnstoffdüngern und emissionsarmer Ausbringtechnik (§ 6 Abs. 3 Düngeverordnung).

Im Gegensatz zu teils erheblichen Stickstoffverlusten über Ammoniak bei herkömmlicher Ausbringung, können die Verluste durch der Ansäuerung bei Versuchen beispielsweise der Landesforschungsanstalt Mecklenburg-Vorpommern um ca. 90 Prozent reduziert werden – auch bei Ausbringung mit Breitverteiler. Bei Methan liegt die Emissionsminderung ebenfalls bei bis zu 90 %. Aus diesem Grunde und auch aufgrund der Vorteilhaftigkeit der Technikunabhängigkeit, sollte dieser Weg weiterverfolgt und genauer untersucht werden.

In einem zweiten Vortrag legt Dr. Benjamin Wolf vom Karlsruhe Institute of Technology (KIT) mit Sitz in Garmisch-Partenkirchen die Laborergebnisse zur Umweltforschung bezogen auf Ammoniakemissionen aus Gülle offen. Als allererstes erläuterte er das Verhältnis zwischen Ammonium und Ammoniak. Bei einem pH-Wert von ca. 9,25 liegen Ammonium und Ammoniak in ungefähr gleichen Teilen in Gülle vor. Mit einer Absenkung des pH-Wertes auf 6,4 wird das Verhältnis nahezu vollständig in Richtung Ammonium verschoben. Der Anteil Ammoniak ist dementsprechend nahe null. Der in den gasförmigen Zustand übergehende Anteil nimmt mit zunehmender Temperatur zu. In einem geschlossenen System würde sich ein Gleichgewicht einstellen. Durch Freilandverhältnisse mit Wind wird das Ammoniakgas allerdings immer abtransportiert und es wird ständig versucht ein neues Gleichgewicht einzustellen, was die Bildung von Ammoniak nochmal deutlich verstärkt. Aus diesem Grunde kann es bei der Ausbringung von flüssigen Wirtschaftsdüngern zu hohen Ausgasungsverlusten für Stickstoff kommen. Das emissionsmindernde Prinzip der streifenförmigen Ausbringtechnik beruht auf der Verminderung der Oberfläche der Gülle oder Gärreste und damit zu reduzierten Ausgasungsverlusten.

Im Rahmen einer Literaturstudie wurde festgestellt, dass zwar absolut betrachtet die Verluste bei der Ausbringung am höchsten sein können. Insgesamt aber die Verluste in Stall und Lagerung diejenigen der Ausbringung noch überwiegen können und dementsprechend Maßnahmen ergriffen werden sollten, die auch in Stall und Lagerung Ammoniakemissionen reduzieren. Auch für den Bereich Stall und Lagerung wurde festgestellt, dass durch Ansäuern die Ammoniakemissionen drastisch reduziert werden können. Dieses Verfahren ist von der Wirksamkeit her allen bisher untersuchten Alternativen überlegen.

Ganz wichtig bei der Forschung des KIT ist die Suche nach einer möglichen Verlagerung von Verlustpfaden. Maßgeblich kann also nicht nur sein, die Verlagerung von Stickstoff aus Ammoniak in Richtung Ammonium alleine zu untersuchen. Wesentlich ist es, mögliche Veränderungen bei der Lachgas-, Methan- oder CO2-Produktion mit zu beachten. Wichtig ist auch, dass nach den Laborversuchen Feldversuche durchgeführt werden. Laborversuche können zwar Hinweise und Richtungen geben, aber die tatsächliche Wirkweise, insbesondere auf Ertrag und Stickstoffnutzungseffizienz, kann nur in Feldversuchen überprüft werden.

Als Beispiel hat Herr Dr. Wolf Laboruntersuchungen zur Auswirkung der Ansäuerung von Gülle auf Lachgas- und Ammoniakemissionen dargestellt. Je nach verwendetem Ansäuerungsmittel können die Lachgasemissionen zwar leicht steigen, für die totalen N-Verluste waren die Mengen jedoch nicht relevant. Hinsichtlich des Auftretens von Methan ist untersucht, dass Schwefelsäure die Methanausgasung aus Wirtschaftsdünger um ca. 90 % reduziert. Dies ist unter dem Blickwinkel, dass 49 % der landwirtschaftlichen Treibhausgasemissionen auf Methan entfallen ein wichtiger Punkt. Zusammenfassend ist festzuhalten, dass bei Ansäuerung sowohl für Stall, Lagerung als auch Ausbringung eine sehr hohe Ammoniak-Emissionsreduzierung mit erreicht werden kann. Gleichzeitig wird auch die Methanemission deutlich gesenkt. Bezüglich der möglichen Emission anderer ggf. auch klimaschädlicher Gase sind weitere Untersuchungen erforderlich. Unverständlich ist, warum dies in der gegenwärtigen Situation noch nicht erfolgt ist.

In einem dritten Vortrag erläuterte Frau Susanne Höcherl von der Bayerischen Landesanstalt für Landwirtschaft (LfL) die Forschungsprojekte zur Güllebehandlung mit Zusatzstoffen an der Bayerischen Landesanstalt für Landwirtschaft. Sie verwies zu Anfang ihres Vortrages auf die vielfältigen Güllezusätze, die am Markt erhältlich sind. Dabei kann es sich um Algenpräparate, Steinmehle, Kohle, Kalk, ätherische Öle, Kombipräparate, Infoüberträger, EM-Produkte (lebende Mikroorganismen) oder Säuren handeln. All diese Zusätze haben unterschiedliche Wirkungen auf Wirtschaftsdünger. Manche dieser Zusätze wirken chemisch durch Ansäuerung und Verschiebung des Ammoniak-Ammonium-Verhältnisses.

Aus Sicht der LfL gibt es allerdings mit Schwefelsäure verschiedene Probleme. So ist ein ADR-Schein bei einem Transport von mehr als 333 Liter Schwefelsäure erforderlich. Die in Dänemark angewandte Praxis des Einspeisens von Schwefelsäure ins Güllefass während der Ausbringung wird in der landwirtschaftlichen Praxis kritisch gesehen, da zwar in der Regel die oben genannte Menge nicht überschritten wird, die Säure aber dennoch in einem Fronttank mittransportiert werden muss. Hier sind also andere Verfahren erforderlich. Bei der Lagerung von angesäuerter Gülle ist außerdem zu beachten, dass die entsprechenden Betonqualitäten eingehalten werden müssen. Nichtsdestotrotz wies Frau Höcherl darauf hin, dass die entsprechende technische Regel zum Bau von Güllebehältern (TrwS 792) aktuell überarbeitet wird und man die notwendigen Betonqualitäten klar definieren werde. Im weiteren Verlauf ging sie auf die biologisch, physikalisch und kosmisch wirkenden Güllezusätze ein. Dabei kam im Rahmen der Forschungsprojekte heraus, dass durch verschiedene Salze, Säuren und Tonminerale zwar teilweise Ammoniakemissionen gemindert werden könnten, dies aber nicht für alle Arten von Gülle im gleichen Maße. Hierzu bedarf es weiteren Untersuchungen. Frau Höcherl stellte aber auch in Aussicht, dass durchaus die Möglichkeit bestünde, einzelne Güllezusatzstoffe nur für bestimmte Arten von Güllen in einem klar definierten TS-Bereich zuzulassen

Zusammenfassend aus Sicht der LfL können Güllezusätze nicht generell empfohlen werden. Hintergrund hierfür sind fehlende Untersuchungen. Mit Blick auf den rechtlichen Rahmen in § 6 Abs. 3 Düngeverordnung ist es völlig unverständlich, warum die fehlenden Untersuchungen nicht schon längst durchgeführt wurden. Es bleibt zu hoffen, dass dadurch keine unnötigen wirtschaftlichen Nachteile bei den Betrieben entstehen und klimaeffiziente Verfahren nicht unnötig hinausgezögert werden.

Einen weiteren Fachvortrag hielt der Kreisobmann des Bayerischen Bauernverbandes des Landkreises Landshut, Herr Georg Sachsenhauser. Herr Sachsenhauser setzt seit einigen Jahren auf seinem Betrieb für Schweinegülle die Ansäuerung mit Schwefelsäure ein. Dabei erfolgt die Ansäuerung im Güllelager in der Gestalt, dass die Schwefelsäure während des Homogenisierens über eine Pumpe direkt in den Güllebehälter zu dosiert wird, um die Gülle auf einen pH von bis zu 5,5 anzusäuern. Herr Sachsenhauser plant außerdem, dass die Gülle künftig bereits im Stall angesäuert wird, um auch die Stickstoffverluste bereits im Stall entsprechend zu mindern. Korrosionsprobleme treten laut Sachsenhauser weder im Stall, noch beim Güllelagerbehälter oder bei der Ausbringtechnik auf.

Gelagert wird die Schwefelsäure am Betrieb in einem doppelwandigen Behälter mit entsprechender Eignung für Schwefelsäure. Die Ausbringung erfolgt über ein Güllefass mit zwei Möscha-Verteilern und damit 24 m Arbeitsbreite. Dies ist wesentlich, um die Fahrgassen für Pflanzenschutz und Gülleausbringung nutzen zu können. Durch die Möglichkeit der Breitverteilung kann die Düngung aller auf dem Betrieb angebauten Kulturen ausschließlich über Gülle erfolgen.

Hinsichtlich der Wirtschaftlichkeit legte Herr Sachsenhauser dar, dass die Ansäuerung der Schweinegülle derzeit 2 Euro je Kubikmeter Kosten verursacht. Dem gegenüber stehen bei Kalkammonsalpeter-Preisen von 67 Euro je Dezitonne durch Vermeidung von Emissionen eingesparte Stickstoffmengen in der Größenordnung von 2 kg Reinstickstoff je Kubikmeter im Wert von 5 € je m³. Bei dem oben dargestellten Preis für Kalkammon sind die Kosten zur Ansäuerung also mehr als gedeckt. Kostenlos ist der durch die Schwefelsäure zugesetzte Schwefel, der so mitausgebracht wird.

Weitere wirtschaftliche Vorteile sind aus Sicht des Betriebes die Möglichkeit alle angebauten Kulturen komplett ohne mineralische Düngung zu führen. Die Ausbringung der angesäuerten Gülle ist mit Breitverteiltechnik zu jedem Entwicklungsstadium der Kulturen möglich. Aufgrund der etwas leichteren Technik ist auch eine etwas wetterunabhängigere Düngung möglich gegenüber der schwereren streifenförmigen Ausbringtechnik. Daneben bewirkt die Ansäuerung der Gülle eine verbesserte Phosphorverfügbarkeit an der Pflanze, dies führt auch wissenschaftlich belegt zu einer nachweisbaren Ertragssteigerung.

Betrieben, die sich für dieses Verfahren interessieren, empfahl Herr Sachsenhauser zunächst einmal ein testweises Vorgehen durch den Zukauf von Schwefelsäure in IBC-Behältern. Dies verursacht zwar ca. 2,5-fach höhere Kosten gegenüber der Beschaffung mit Tanklastzug, hat aber den Vorteil, dass man sich als Betrieb zum Beginn auch nur auf einzelnen Feldstücken an die Ansäuerung herantasten könne und die Anschaffung des Lagertanks zunächst nicht erforderlich ist. So können Betriebe ohne großen finanziellen Aufwand für sich selbst feststellen, ob die Ansäuerung mit Schwefelsäure aus ihrer Sicht sinnvoll ist oder nicht.

Zusammenfassung

Zusammenfassend bleibt festzuhalten, dass die Forderung nach technologieoffenen Lösungen zur Emissionsminderung aus dem BBV-Verbändepapier unverändert aktuell ist. Die Landwirtschaft stellt sich dem Ziel der Reduzierung von Ammoniakemissionen. Dabei ist aber einerseits ein ideologiefreies Vorgehen erforderlich und andererseits rechtzeitig die unabhängige und praxisnahe Forschung zu leisten, die als Grundlage für betriebliche Entscheidungen erforderlich ist. Ein erster Schritt wird hier die Einführung der Gülle-App sein, bei der durch Nutzung günstiger Witterungsbedingungen und dementsprechend Zeitfenstern eine Ammoniakemissionen reduzierende Ausbringung in Zukunft möglich sein soll.