Flusslandschaft im Grünen
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EU-Umweltminister verabschieden Gesetz zur Wiederherstellung der Natur mit knappem Votum

BBV-Präsident Felßner kritisiert das Ergebnis und dessen Auswirkungen auf die Landwirtschaft

17.06.2024 | Es war eine denkbar knappe Entscheidung im Ministerrat: Das Naturwiederherstellungsgesetz (nature restoration law – NRL) wurde nach dem zustimmenden Votum von Österreich angenommen.

Durch das ‚JA‘ der österreichischen grünen Klimaministerin Leonore Gewessler kam das Gremium über die erforderliche Anzahl von 65% der Unionsbürger, die für die Verabschiedung des Gesetzes nötig waren. Intern gab in der österreichischen Regierung deshalb Unstimmigkeiten, weil Österreichs Bundeskanzler Karl Nehammer hat seiner Klimaministerin verboten hatte, in Brüssel für das Gesetz zu stimmen. Bereits vor der Abstimmung im Europäischen Parlament wurde das Gesetz lange kritisch diskutiert.

Der Präsident des Bayerischen Bauernverbandes Günther Felßner sieht das Naturwiederherstellungsgesetz ebenfalls kritisch: "Die heutige Zustimmung zum Gesetz zur Wiederherstellung der Natur durch den Ministerrat war ein Fehler. Vor einer Woche wurde das Europäische Parlament neu gewählt. Anstatt die weiter bestehenden Vorbehalte der Mitgliedsstaaten in der ersten Abstimmung ernst zu nehmen, hat man nun das Trilogergebnis im Hauruckverfahren durchgeboxt. Dies ist die schlechteste Option von allen. Stattdessen wäre auch eine 2. Lesung möglich gewesen und man hätte so das neue Parlament im Rahmen der demokratischen Regeln miteinbeziehen können. Wir haben alle die gleiche Zielsetzung: eine nachhaltige und ressourcenschonende Bewirtschaftung. Aber mit der Annahme des Gesetzes zur Wiederherstellung der Natur in der aktuellen Ausgestaltung müssen Wälder teilweise stillgelegt werden und die landwirtschaftliche Fläche wird knapper. Am Ende ist eine solche Entwicklung aus unserer Sicht kontraproduktiv für den Umweltschutz. Wir als Bayerischer Bauernverband setzen uns deshalb für zielführende und kooperative Maßnahmen für den Erhalt der Natur ein, die mit uns mit uns als Partner anstatt über unsere Köpfe hinweg auf den Weg gebracht werden."

Am 17. Juni fand im Umweltrat (Umweltministertreffen der EU-Mitgliedsstaaten) erneut die Abstimmung über die Annahme des Trilogergebnisses zur Wiederherstellung der Natur (Nature Restoration Law – NRL) statt. Dabei wechselten die Slowakei und Österreich die Lager und stimmten zu. Damit wurde die qualifizierte Mehrheit nun erreicht. Die österreichische Umweltministerin löste mit ihrer Zustimmung eine Regierungskrise in Österreich aus, da innerhalb der Koalition aus ÖVP und Grüne keine Einigung bei dieser Thematik bezüglich des Abstimmungsverhaltens bestand.

Das Wichtigste in Kürze:

  • Trilogergebnis und damit das gesamte Gesetz zur Wiederherstellung der Natur ist angenommen
  • Bauernverband hatte Trilogergebnis fortlaufend als unzureichend kritisiert
  • Mitgliedsstaaten müssen in Zukunft nationale Wiederherstellungspläne erstellen

Am Montag 17. Juni wurde in einem wahren Abstimmungskrimi das Trilogergebnis zur Wiederherstellung der Natur im Umweltrat der EU angenommen. Hier waren die Slowakei und Österreich ins Unterstützerlager gewechselt. Die österreichische Umweltministerin stellte sich damit gegen den Koalitionspartner und gegen das Votum der Bundesländer Österreichs. Belgien enthielt sich. Italien, Ungarn, Niederlande, Polen, Finnland und Schweden stimmten dagegen. Normalerweise ist die Annahme eines Trilogergebnisses Formsache, aber im Fall der Naturwiederherstellung war auch der Kompromiss aus dem Trilog stark umstritten. Für die Verabschiedung bedarf es bei den EU-Mitgliedsstaaten eine qualifizierte Mehrheit. Diese liegt bei 15 Mitgliedsstaaten, die mindestens 65 Prozent der Bevölkerung repräsentieren. Die Hürde 65 Prozent der Bevölkerung wurde erst nach dem Wechsel Österreichs erreicht. Jetzt stimmten 20 Länder dafür, die 66,07 Prozent der Bevölkerung repräsentieren. Der angekündigten bzw. laufenden Klage des österreichischen Bundeskanzlers gegen die Umweltministerin des Kabinetts ist wenig Erfolgsaussicht einzuräumen. Der Bundeskanzler in Österreich hat anders als in Deutschland keine Richtlinienkompetenz gegenüber seinen Ministerinnen und Ministern des Kabinetts.

Im Trilog ist im Vergleich zum Kommissionsvorschlag das 10Prozent-Ziel von Landschaftselementen gestrichen worden. Dies war ein wichtiger Punkt, trotzdem bleiben weiter sehr viele Kritikpunkte vonseiten des Bauernverbandes.

Was ist Inhalt des Gesetzes zur Naturwiederherstellung:

Allgemein:

  • Wiederherstellungsziele: Die allgemeinen Wiederherstellungsziele im Trilogergebnis sind die gleichen wie im ursprünglichen Kommissionsvorschlag: Wiederherstellungsmaßnahmen müssen bis 2030 auf mind. 20Prozent der Land- und Meeresgebiete der Union und bis 2050 in allen Ökosystemen erfolgen.
  • Wiederherstellungsmaßnahmen: Die Maßnahmen sollen bis 2030 priorisiert in Natura 2000 Gebieten erbracht werden. Generell gelten die Vorgaben zur Wiederherstellung aber auch außerhalb von Natura 2000 Gebieten für Lebensraumtypen und Lebensräume der Arten des Anhangs IV der FFH-Richtlinie.

Landwirtschaft:

  • Landschaftselemente: Gegenüber dem Kommissionsvorschlag wurde im Trilog die obligatorische Schaffung von 10 Prozent Landschaftselementen mit hohem Naturschutzwert in den nationalen Wiederherstellungsplänen gestrichen. Beibehalten wurde aber die Vorgabe, dass der Trend zu mehr Landschaftselementen umgesetzt werden muss (s. Indikatoren).
  • Moor-Vernässung: Die Ziele für die Vernässung der Moore wurden dahingehend geändert, dass die prozentualen Wiederherstellungsziele deutlich geändert wurden:
    • 30 Prozent dieser Flächen, von denen mindestens ein Viertel wieder vernässt werden muss, bis 2030;
    • 40 Prozent dieser Flächen, von denen mindestens ein Drittel wiedervernässt werden muss, bis 2040;
    • 50 Prozent dieser Flächen, von denen mindestens ein Drittel wiedervernässt werden muss, bis 2050.

Die Mitgliedsstaaten sollen Anreizsysteme und Optionen zur Wiedervernässung für die Landwirte schaffen.

  • Indikatoren: Die Mitgliedsstaaten sollen Maßnahmen einführen, die dazu führen, dass 2 von den 3 folgenden Indikatoren bis 2030 einen positiven Trend aufweisen:
    • Index der Grünland-Schmetterlinge
    • Bestände an organischem Kohlenstoff in mineralischen Ackerböden
    • Anteil landwirtschaftlicher Flächen mit Landschaftselementen mit hoher biologischer Vielfalt
  • Bestäuber: Die Bestäuberpopulation soll alle 6 Jahre gemessen werden.
  • Feldvogelindex: Die Mitgliedsstaaten sollen Maßnahmen ergreifen um deren Ausgangswert von 100 bis 2030 auf 110 Prozent, bis 2040 auf 120 Prozent und bis 2050 auf 130Prozent zum Ausgangswert bei stark gefährdeten Arten zu erhöhen. Zudem sollen weniger gefährdete Arten bis 2030 auf 105 Prozent, bis 2040 auf 110 Prozent und bis 2050 auf 115 Prozent erhöht werden.
  • Finanzierung: Es bleibt den Mitgliedsstaaten überlassen, ob sie die aktuelle GAP für die Umsetzung dieses Gesetzes nutzen und hierfür umprogrammieren. Dies schließt somit nicht aus, dass Gelder der aktuellen GAP für die Umsetzung des NRL-Gesetzes eingesetzt werden können.
  • Notbremse: Eine sogenannte „Notbremse“ wurde eingeführt, welche es erlaubt, in Notsituationen und zur Sicherstellung der Ernährungssicherheit, die Vorgaben dieses Gesetzes auszusetzen. Dies muss aber von der Kommission aktiviert werden.

Forstwirtschaft - Indikatoren für Waldökosysteme:

  • Bei den Indikatoren wurden stehendes und liegendes Totholz im Trilog sogar verschärft.
  • Der einzige verpflichtende Indikator ist der gemeinsame Waldvogelindex, aber die verpflichtend wählbaren Indikatoren sind: (a) stehendes Totholz; (b) liegendes Totholz; (a) Anteil der Wälder mit ungleichmäßiger Altersstruktur; (b) Waldvernetzung; (c) Bestand an organischem Kohlenstoff. (d) Anteil der Wälder, die von einheimischen Baumarten dominiert werden; (e) Baumartenvielfalt. Hierbei müssen sechs der sieben Indikatoren verpflichtend gewählt werden.

Nun gilt es den Fokus auf die zu erstellenden nationalen Wiederherstellungspläne zu richten. Hier müssen die EU-Mitgliedsstaaten ähnlich den GAP-Strategieplänen belegen, wie sie die Ziele erfüllen wollen. Der BBV wird diesen Prozess zusammen mit dem DBV intensiv und kritisch begleiten. Hier muss weiter klar Freiwilligkeit vor Ordnungsrecht stehen.

 

BBV-Präsident Günther Felßner