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Green Deal: Übersicht und Auswirkungen für die Landwirtschaft

Ambitionierte Pläne der Kommission stellen große Herausforderung dar

17.06.2020 | Die EU-Kommission hat sich mit dem „New European Green Deal“ einen Fahrplan für eine nachhaltige EU-Wirtschaft gesetzt. Das Ziel: die EU bis 2050 klimaneutral werden zu lassen. Aus Sicht der Landwirtschaft hat das Mammutprojekt zwei Herzstücke: Die Farm-to-Fork-Strategie und die Biodiversitätsstrategie...

Bisher wurden allgemeine Ziele als Vorschläge der EU-Kommission veröffentlicht, zum Beispiel: 25 % ökologische Landwirtschaft, 50 % Reduktion Antibiotika, 50 % weniger Pflanzenschutzmittel im Jahr 2030. Jedoch fehlen noch konkrete Strategien, wie diese Ziele erreicht werden sollen Die politischen Beratungen gerade mit den EU-Mitgliedstaaten über die geplanten Ziele sind damit angelaufen. Aus Sicht des Bauernverbandes müssen zusätzliche Aufgaben beim Umweltschutz auch entsprechend honoriert werden. Außerdem reicht es nicht aus, nur Ziele zu formulieren, ohne realistische Wege zu diesen Zielen aufzuzeigen

 

Green Deal als Megathema der neuen EU-Kommission

Der sogenannte "Green Deal"  oder "New European Green Deal“, der im Dezember 2019 von der Kommission unter Ursula von der Leyen ausgerufen wurde, soll die Europäische Union 2050 klimaneutral werden lassen. Das gesamte Konzept umfasst eine Vielzahl von Maßnahmen in Bezug auf Finanzierung, Verkehr, Handel und Land- / Forstwirtschaft.

Kernelemente, insbesondere aus Sicht der Landwirtschaft, sind die „Farm-to-Fork-Strategie“ („Vom Hof auf den Tisch“, F2F) und die Biodiversitätsstrategie, zu denen Ende Mai nähere Details als Vorschläge veröffentlicht wurden. Mit den Strategien will die Kommission ein ganzheitliches Ernährungssystem schaffen und den Fokus weniger auf die Einzelakteure der Wertschöpfungskette legen. So sollen nachhaltige Konsum- und Produktionsmuster, Verarbeitung und Vermarktung, die Korrektur von Ungleichgewichten, die Nutzung von innovativen Technologien sowie die Verzahnung der Wirtschaft mit der Klima-, Umwelt- und Gesundheitspolitik vorangetrieben werden.

Die Kommission will dies unter anderem mit der Ausarbeitung eines Kennzeichnungssystems für Nachhaltigkeitsleistungen von Lebensmitteln und anderen Anreizen gewährleisten. So soll auch der Endverbraucher durch verschiedene Anreiz- und Informationssysteme durch sein Kaufverhalten aktiv zu mehr Nachhaltigkeit beitragen. Unter anderem sollen Nährwertkennzeichnungen auf der Vorderseite der Verpackung sowie obligatorische Herkunftskennzeichnungen auf Milch- und Fleischprodukten für verbesserte Kaufentscheidungen sorgen. Mit diesem System sollen auch die Produzenten längerfristig von dem Mehr an Nachhaltigkeit profitieren und die Standards schrittweise erhöhen. Auch soll der Anteil der biologischen Landwirtschaft bis 2030 auf 25 % der landwirtschaftlichen Nutzfläche ausgeweitet werden.

Die F2F sieht darüber hinaus eine Verringerung des Risikos und Einsatzes von landwirtschaftlichen Betriebsmitteln vor:

  • Reduktion der Nutzung und des Risikos von chemischen Pflanzenschutzmitteln um 50 % bis 2030
  • Reduktion von Nährstoffverlusten um 50 % bis 2030
  • Reduktion der Nutzung von Düngemitteln um mindestens 20 % bis 2030
  • Reduktion des Verkaufs von Antibiotika für die landw. Tierproduktion um 50 % bis 2030.


Die vollständigen Details dazu erfahren Sie hier.

 

Als neues grünes Wirtschaftsmodell für die Land- und Forstwirtschaft schlägt die Kommission weiterhin die aktive Kohlenstoffbindung vor. Landwirtschaftliche Praktiken, welche zur Bindung von atmosphärischem CO2 beitragen, sollen extra entlohnt werden. Offengelassen wird, ob dies durch Zahlungen der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) oder durch andere Initiativen geschehen soll. Die Kommission kündigt jedoch an, dass sie ein Regelwerk für die Kohlenstoffsequestrierung – sprich Bindung von Kohlenstoff – ausarbeiten wird.

Allerdings liegen noch keine konkreten Verordnungsentwürfe für diese Ziele vor, denn die bisher veröffentlichten Papiere sind nur politische Leitlinien. Letztlich hat die EU-Kommission aktuell ihre ersten konkreteren Vorschläge zur Diskussion auf den Tisch gelegt. Bevor die genannten Ziele in konkrete Gesetztestexte münden, ist eine ausführliche Folgenabschätzung der genannten Maßnahmen unumgänglich. Sobald Verordnungsentwürfe veröffentlicht werden (voraussichtlich in den kommenden vier Jahren), stehen die üblichen Gesetzgebungsprozesse in Brüssel an. Das EU-Parlament und der EU-Rat müssen eingebunden werden. Angesichts der enormen Bedeutung für die gesamte Wirtschaft – einschließlich Land- und Forstwirtschaft – werden intensive, politische Beratungen gerade mit den EU-Mitgliedstaaten anstehen. Der Bauernverband hat sich bereits mit ersten grundsätzlich konstruktiven, aber konkret auch sehr kritischen Positionen gegenüber Politik und Öffentlichkeit eingebracht. Und der Bauernverband wird hier intensiv dranbleiben.

 

Verknüpfung mit der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP)

Die GAP soll als eines der Hauptinstrumente für die Bestrebungen der EU-Kommission agieren. Die nationalen Strategiepläne der GAP sollen jährlich von der Kommission bewertet und die Umsetzung der Zielvorgaben kontrolliert werden. Die für die künftige Gestaltung der EU-Direktzahlungen vorgesehenen „Eco-Schemes“ sollen dabei als eines der Hauptanreiz- und Unterstützungssysteme für die Umsetzung und Einführung nachhaltigerer Praktiken wie der Präzisionslandwirtschaft, Agrarökologie, Agroforstwirtschaft und der ökologischen Landwirtschaft dienen. Insbesondere wird die Kommission die Einführung eines Mindestbudgets für die Zweckbindung von Nachhaltigkeitsprogrammen - manche sprechen hier missverständlich von Ökoprogrammen - sowie für die nationalen Verpflichtungen, die Ziele des Green Deal bei der Ausarbeitung ihres Strategieplans zu berücksichtigen, vorschreiben. Die Mitgliedsstaaten sind aufgefordert, konkrete nationale Nachhaltigkeitsziele festzulegen.

 

Finanzierung

Die Kommission hat im Zuge der Finanzplanung für die kommenden Jahre  vorgeschlagen, dass das Agrarbudget um 16,5 Milliarden Euro angehoben werden soll, allerdings ausschließlich über die 2. Säule. Es ist zum jetzigen Zeitpunkt völlig unklar, inwieweit sich die Staats- und Regierungschefs auf das gesamte Finanzpaket einlassen werden. Fest steht jedoch, dass auch die neu zugeordneten Mittel für den Ag-rarbereich nicht ausreichen werden, um die Kosten des Green Deal abzudecken.

 

So steht der Bayerische Bauernverband zu den Green-Deal-Plänen der EU:

Landwirte sind bereit für mehr Leistungen für den Umwelt-, den Klima- und Gewässerschutz sowie den Artenschutz. Aus Sicht des Bauernverbandes müssen diese zusätzlichen Aufgaben aber auch entsprechend honoriert werden. Außerdem reicht es nicht aus, nur Ziele zu formulieren, ohne realistische Wege zu diesen Zielen aufzuzeigen. Daher sind die vorgelegten Strategien äußerst kritisch zu bewerten. Die pauschal definierten Reduktionsziele bei landwirtschaftlichen Betriebsmitteln sind in ihrer derzeitigen Form weder wissenschaftlich begründet noch nachvollziehbar und verlassen jegliche Grundlage der guten fachlichen Praxis.

Die Kommission gibt keine Antwort darauf, wie die Mehrkosten der geplanten Maßnahmen auf die verschiedenen Akteure der Lebensmittelkette inklusive der Konsumenten verteilt werden. Derzeit werden die Landwirte mit den Kosten für mehr Umwelt- und Klimaschutz alleingelassen. Dies hätte langfristig zu Folge, dass die europäische Lebensmittelproduktion in Drittstaaten abwandere und die Anzahl an landwirtschaftlichen Betriebe in Deutschland und der EU weiter deutlich zurückginge.

 

Das Präsidium des Bayerischen Bauernverbandes hat hierzu im März seine Position veröffentlicht.