Äcker und Felder in Bayern
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Position: Ländlicher Raum - Bauernfamilien stärken, Heimat gestalten

Erklärung der Kreisobmänner und Kreisbäuerinnen des Bayerischen Bauernverbandes

03.05.2013 | Der ländliche Raum umfasst etwa 85 Prozent der Fläche in Bayern. Mehr als 60 Prozent der bayerischen Bevölkerung, insgesamt 8 Millionen Menschen, leben dort.

Der demographische Wandel, die wirtschaftliche Wettbewerbsfähigkeit, die Energiewende und der Flächenverbrauch sind große Herausforderungen für die Zukunft des ländlichen Raums. Starke, vielfältig strukturierte ländliche Räume mit eigenständiger Entwicklungsperspektive sind der Garant für wirtschaftlichen Erfolg und Stabilität. Die multifunktionale Land- und Forstwirtschaft spielt eine entscheidende Rolle, den ländlichen Raum zu einem attraktiven Lebens-, Wirtschafts-, Natur- und Kulturraum, kurzum zu einer lebenswerten Heimat zu machen.

 

1. Bäuerliche Familienbetriebe als tragende Säulen des ländlichen Raums unterstützen
 
Die Bäuerinnen und Bauern mit ihren Familienbetrieben sowie der vor- und nachgelagerte Bereich der Land-, Forst- und Ernährungswirtschaft verstehen sich als Herzstück des ländlichen Raums. Bauernfamilien sind standorttreue Unternehmerfamilien. Sie sorgen für Stabilität und Wirtschaftskraft im ländlichen Raum. Sie unterhalten ein dichtes Netz an Geschäftsbeziehungen mit Zulieferern, Abnehmern und Dienstleistern. Von einer vitalen Land- und Forstwirtschaft profitiert auch das Umfeld. Ein Euro, den ein Landwirt beispielsweise für eine bauliche Investition ausgibt, zieht bis zu sieben Euro Wertschöpfung im ländlichen Raum nach sich. Mit einer Vielzahl von gesellschaftlichen Beiträgen, z. B. ehrenamtlichen Tätigkeiten bei der Feuerwehr, in Vereinen, Kirchen, Parteien oder anderen Gruppierungen, übernehmen die Bauernfamilien Verantwortung und sorgen für lebendige Dörfer und eine lebenswerte Heimat. Die Land- und Forstwirtschaft sichert und schafft standortnahe Arbeitsplätze, fördert regionale Wirtschaftskreisläufe und bildet damit Bleibeperspektiven für Menschen im ländlichen Raum. Über 760.000 Erwerbstätige sind in Bayern im Agribusiness beschäftigt. Dies entspricht elf Prozent aller Arbeitsplätze Bayerns. Darüber hinaus schaffen die bäuerlichen Familienbetriebe mit dem Erhalt und der Pflege der Kulturlandschaft die Grundlage für den ländlichen Tourismus.   Die Förderung der Bauernfamilien mit ihren vielfältigen Erzeugungs-, Betriebs- und Organisationsformen, im Haupt- oder im Nebenerwerb und mit Einkommenskombinationen muss im Mittelpunkt einer Politik für den ländlichen Raum stehen. Dazu gehört die Förderung von Investitionen, von regionalen Wertschöpfungsketten sowie Regional- und Direktvermarktungsinitiativen. Die Bauernfamilien müssen in der Weiterentwicklung ihrer Betriebe unterstützt werden. Wir brauchen ein Klima der Wertschätzung für die Land- und Forstwirtschaft. Für die kommunale Ebene gilt dies z. B. bei der Genehmigung von Stallbauten. Wichtig ist auch der Erhalt der bewährten Instrumente der ersten und zweiten Säule der europäischen Agrarpolitik im Sinne eines „Baukastens“, die Bayerns Bauernfamilien und den ländlichen Raum stärken.   


 
2. Lebendige Dörfer als Herzstück des ländlichen Raums fördern
 
Vitale, lebenswerte Dörfer sind die Grundlage für die wirtschaftliche und gesellschaftliche Entwicklung des ländlichen Raums. Um zu verhindern, dass immer mehr Dorfkerne als Herzkammern ausbluten, muss die Innenentwicklung Vorrang vor einer weiteren Inanspruchnahme des Außenbereichs haben. Auch das Anbindegebot darf nicht gelockert werden. Nur so ist gewährleistet, dass neue Gewerbegebiete o. ä. an bestehende Siedlungen angegliedert werden und die Landschaft nicht weiter zersiedelt wird.   Bewährte Förderprogramme wie z. B. die Dorferneuerung sind unter Berücksichtigung des demografischen Wandels gezielt und effizient einzusetzen, um dem ländlichen Raum einen tatsächlichen Mehrwert zu geben. Gleiches gilt für das LEADER-Programm. Es muss sichergestellt werden, dass die Mittel direkt den Menschen in den Dörfern zugutekommen und in konkrete und ökonomisch nachhaltige Projekte fließen und nicht in unnötige Verwaltungs- bzw. Managementtätigkeiten. Dringend zu überprüfen sind die aktuellen Pläne der EU-Kommission, die verschiedenen europäischen Förderbereiche ELER, EFRE und ESF gemeinsam zu bearbeiten. Es besteht die große Sorge, dass diese Konstruktion viel zu kompliziert wird und die Beteiligungs- und Mitwirkungsmöglichkeiten der Land- und Forstwirtschaft deutlich verschlechtert werden. Vielmehr muss künftig gewährleistet werden, dass Bäuerinnen und Bauern besser in die Diskussionsprozesse eingebunden sind.


 
3. Breitbandausbau und Mobilfunk auf dem Land voranbringen
 
Grundvoraussetzung für wirtschaftlichen Erfolg und Lebensqualität im ländlichen Raum ist eine bedarfsgerechte und flächendeckende Infrastruktur. Hierzu gehört insbesondere eine flächendeckende Breitbandversorgung. Breitbandzugang per Kabel oder Funk ist ein enorm wichtiger wirtschaftlicher Standortfaktor für Land-, Forst- und Ernährungswirtschaft, Handwerk und Unternehmen. Schnelles Internet ist die Grundvoraussetzung für Existenzgründungen und Standortsicherung. Mit einer guten digitalen Anbindung werden neue Modelle in der Erwerbstätigkeit wie Heimarbeitsplätze, die gerade für Frauen im ländlichen Raum eine Bleibeperspektive bieten, erst möglich. Schnelles Internet ist für alle landwirtschaftlichen Betriebe, insbesondere mit Einkommenskombinationen wie Urlaub auf dem Bauernhof, unverzichtbar. Die Menschen im ländlichen Raum möchten ebenso teilhaben an Bildungsangeboten und an Informationen im Netz.   Die momentane Mittelausstattung zum Breitbandausbau reicht nicht aus. Die Politik ist auf Bundes- und Landesebene dazu aufgefordert, Wirtschaftlichkeitslücken zu schließen und das Breitbandförderprogramm mit zusätzlichen Mitteln in den Wirtschaftshaushalten auf Bundes- und Landesebene aufzustocken. Darüber hinaus muss die Abrufung der Mittel so einfach und unbürokratisch wie möglich gestaltet sein. Außerdem muss die Erreichbarkeit im Mobilfunknetz bayernweit verbessert werden.  

 

4. Öffentliche Daseinsvorsorge sichern

Die Bauernfamilien, die durch ihre Arbeit an Grund und Boden gebunden sind, sind auf eine funktionierende, flächendeckende Infrastruktur und eine gute öffentliche Daseinsvorsorge angewiesen:

  • Familien benötigen wohnortnahe Kinderbetreuungsangebote und gut erreichbare Schulen.
  • Für ältere Menschen ist ein tragfähiges Netz an ambulanten Sozial- und Pflegediensten und Altenbetreuungseinrichtungen wichtig.
  • Einer Ausdünnung der medizinischen Versorgung im ländlichen Raum ist gerade im Hinblick auf die demographische Entwicklung entgegenzuwirken. Versorgungslücken, vor allem im ambulanten Bereich muss frühzeitig entgegengesteuert werden. Mit dem Versorgungsstrukturgesetz vom 1.1.2012 hat die Bundesregierung Maßnahmen auf den Weg gebracht, die zukünftig eine gute und flächendeckende medizinische Versorgung sichern sollen. Die Bundesregierung muss das Gesetz auf die Zielerreichung überprüfen. Bewährte Maßnahmen zur Verbesserung der medizinischen Versorgung auf dem Land müssen ausgebaut werden.
  • Eine gute Anbindung an die großen Verkehrsachsen ist nicht nur für die wirtschaftliche Vernetzung der Regionen wichtig. Auch Schulen, Banken, Krankenhäuser oder Einkaufsmöglichkeiten müssen für die Menschen im ländlichen Raum gut erreichbar sein. Hier steht der öffentliche Personennahverkehr (ÖPNV) vor der Herausforderung, mit modernen Konzepten (zum Beispiel Bürger- und Anrufbusse) den Bedürfnissen der Menschen vor Ort nachzukommen. Die Nahversorgung mit Einkaufsmöglichkeiten für Güter des täglichen Bedarfs oder mit Post- und Bankdienstleistungen muss gesichert sein. Hier gilt es für die Politik, innovative Konzepte wie Dorfläden oder rollende Bankfilialen und Bibliotheken zu unterstützen und die Eigeninitiative der Bevölkerung vor Ort zu stärken. Hierzu gehören neben geeigneten Förderprogrammen auch unbürokratische Umsetzungsmöglichkeiten vor Ort.  

 

5. Land- und forstwirtschaftliche Nutzflächen schonen
 
Wichtigster Existenzfaktor für die wirtschaftliche Tätigkeit der Bauernfamilien ist der Grund und Boden. In Bayern sind in den letzten zehn Jahren durchschnittlich 8.500 Hektar pro Jahr an landwirtschaftlicher Nutzfläche verloren gegangen. Alle drei Tage verschwindet so die Fläche von zwei durchschnittlichen bayerischen Familienbetrieben. Siedlungs- und Verkehrsprojekte sind die Hauptgründe für den Flächenentzug. Damit die Land- und Forstwirtschaft leistungsfähig sein kann, müssen land- und forstwirtschaftliche Nutzflächen wirksam geschont werden, unter anderem durch:

  • Entsiegelung bei Neuversiegelung
  • Innen- vor Außenentwicklung
  • Flächenschonung bei Naturschutz
  • kompensationnutzungsintegrierte Ausgleichsmaßnahmen

Ein großes Problem sind auch die zunehmenden Einschränkungen in der Bewirtschaftung von landwirtschaftlichen Nutzflächen. Den Bauernfamilien wird  ihre Arbeit durch immer mehr Auflagen enorm erschwert. Statt ordnungsrechtlicher Festlegungen brauchen wir kooperative Ansätze und freiwillige Bewirtschaf­tungsvereinbarungen.  

 

6. Breite Eigentumsstrukturen aufrechterhalten und „Landgrabbing“ in Bayern verhindern

Die bäuerlich geprägte Agrarstruktur mit einer breiten Eigentumsstreuung bildet das Gesicht Bayerns und ist gesellschaftlicher Grundkonsens. Die wirtschaftliche Entwicklung und breite Verunsicherung auf den Kapitalmärkten führte in den vergangenen Jahren zu einer starken Investorentätigkeit auf dem land- und forstwirtschaftlichen Grundstücksmarkt. Ein Ende dieser Investorentätigkeit ist nicht erkennbar. Land- und forstwirtschaftlicher Grund und Boden muss gegenüber außerlandwirtschaftlichen Investoren besser geschützt werden. Dabei spielt Inhalt und Vollzug des Grundstücksverkehrsgesetzes eine entscheidende Rolle. Die Freigrenze für den Grundstückserwerb für das Genehmigungs- und das Vorverkaufsrechtverfahren muss von zwei Hektar auf einen halben Hektar abgesenkt werden. Die zuständigen Kreisverwaltungs- und Fachbehörden müssen das geltende Recht konsequent umsetzen.  

 

7. Energiewende: Dezentrale Energiespeicher vorantreiben und Eigentümerrechte berücksichtigen

Die Bauernfamilien bekennen sich zu den Zielen der Energiewende. Sie haben stark in erneuerbare Energien investiert und tragen durch Erzeugung von Strom, Mobilität und Wärme heute  schon ei­nen beachtlichen Anteil der Energieversorgung. Um die Energieerzeugung in allen Bereichen weiterzuentwickeln, sind vor allem verlässliche Rahmenbedingungen notwendig. Im Rahmen der Energiewende muss einem sparsamen Umgang mit Ressourcen mehr Beachtung geschenkt werden. Durch Energiesparen und Energieeffizienz kann und muss der Anteil der Bioenergien im Energiemix zusätzlich erhöht werden.   Für den Netzausbau ist die gesellschaftliche Akzeptanz notwen­dig, auch die landwirtschaftlichen Interessen dürfen nicht außen vor bleiben. Grundstückseigentümer sowie Land- und Forstwirte sind vom Netzausbau direkt in ihrem Eigentum betroffen. Es ist deshalb zwingend notwendig, dass ihre Anliegen insbesondere in folgenden drei Bereichen aufge­griffen und berücksichtigt werden:  
 

  1. Bei der Planung von neuen Leitungstrassen muss stärker auf den Erhalt produktiver landwirtschaftlicher Flächen und Be­triebsstrukturen geachtet werden.
     
  2. Die Ausgleichsregelungen für Eingriffe in die Natur und in das Landschaftsbild beim Bau von Höchstspannungsleitun­gen müssen geändert werden. Hierfür dürfen nicht zusätz­lich land- und forstwirtschaftliche Flächen in Anspruch ge­nommen werden.
     
  3. Für die Inanspruchnahme von Flächen für Stromtrassen und Energieleitungstrassen muss zusätzlich eine wiederkehrende Nutzungsvergütung eingeführt werden.  

 

 
8. Wegebau in der Landwirtschaft für eine nachhaltige Infrastruktur im ländlichen Raum fördern
 
Die Wegesysteme und der bestehende Zustand des landwirtschaftlichen Wegnetzes in Bayern brauchen dringend eine Auffrischung. Um Wegezeiten zu reduzieren sowie eine energie- und klimaschutzeffizientere Infrastruktur zu erzielen, fordert der Berufsstand für die bayerische Landwirtschaft ein Ertüchtigungsprogramm für das landwirtschaftliche Wegenetz. Hierfür sind eigenständige Landesmittel und Bundesmittel aus den zusätzlichen 750 Millionen Euro für nationale Wegeinfrastrukturmaßnahmen bereitzustellen.  


 
9. Bewirtschaftungsstrukturen nachhaltig weiterentwickeln  
 
Durch Flurneuordnungsverfahren und durch Freiwilligen Land- und Nutzungstausch können Bewirtschaftungsstrukturen nachhaltig verbessert werden. Die landwirtschaftlichen Betriebe können Arbeitsaufwand, Zeit und Kosten sparen und ihre Wirtschaftlichkeit effizienter gestalten. Darüber hinaus werden Ressourcen geschont und die flächendeckende Landbewirtschaftung gesichert. Wichtig sind einfache, unbürokratische und schnelle Verfahren, die den Belangen der Landwirte und Grundeigentümer Rechnung tragen. 

 
 
10.  Bewährte, baurechtliche Privilegierung für bäuerliche Familienbetriebe sicherstellen
 
Nach den Änderungen beim Baugesetzbuch wird eine Privilegierung von Stallneubauten ab einer bestimmten Größe wegfallen, wenn eine überwiegend eigene Futtergrundlage nicht nachgewiesen werden kann. Gerade kleine und mittlere Familienbetriebe mit Tierhaltung und knappen Flächen wird dies erheblich in ihrer wirtschaftlichen Entwicklungsmöglichkeit einschränken. So sieht das neue Baugesetzbuch vor, dass z.B. Schweinehaltungen ohne überwiegend eigene Futtergrundlage bei Überschreiten von gesamt 1.500 Mastplätzen am Standort im Außenbereich nicht mehr privilegiert sind. Um die regionale Erzeugung und Vermarktung zu stärken, sollen die Kommunen im Rahmen der Bauleitplanung Spielräume nutzen, um ein massives Zurückdrängen der bäuerlichen Tierhaltung zu vermeiden. Dadurch wird die wirtschaftliche Entwicklung des gesamten ländlichen Raums gestärkt.